Wie alles anfing, erzählt Prof. Dr. Jan Jarre:
"Um 1990 herum haben wir unsere internationalen Kontakte neu sortiert, ich war Beauftragter für Internationales. Dabei ging es auch um die Wiederherstellung des Kontakts zur Hogeschool Saxion in Deventer. Die Hochschule hatte einen Umstrukturierungsprozess hinter sich. Sie war von der hauswirtschaftlichen Ausrichtung auf Dienstleistungen umgeschwenkt, sie nannten es 'facilitaire dienstverlening'. Das war der Versuch, die hauswirtschaftliche Sichtweise zu verbreitern, mit dem Hintergrundgedanken, dass ein Gebäude vor allem für Menschen da ist. Der Mensch steht im Mittelpunkt, der Wert eines Gebäudes zeigt sich erst im Gebrauch durch Menschen. Was die Niederländer machen, ist nicht schlecht, dachten wir damals.
Außerdem war noch die Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ganz wichtig damals. Die Züricher haben ihren gesamten Studiengang radikal umgekrempelt und den Neustart von Anfang an 'Facility Management' genannt. Das ist spektakulär, für uns in Deutschland war das unvorstellbar und fachbereichsintern zunächst auch nicht gewollt. Die Schweizer aber waren die Bestätigung, dass die dienstleistungsorientierte Umgestaltung eines Fachbereichs funktionieren kann.
Wir wollten uns allerdings keineswegs von der Hauswirtschaft verabschieden, aber neben den hauswirtschaftlichen und ernährungswissenschaftlichen Schwerpunkten sollte ein Facility-Management-Schwerpunkt entstehen. Ziemlich schnell haben wir festgestellt, dass Facility Management in der Praxis noch viel breiter aufgestellt und vor allem auch technisch ausgerichtet ist. Mir kam der Gedanke, daraus eine fachbereichsübergreifende Angelegenheit zu machen. So haben wir den Studiengang am Anfang 'Total Facility Management' genannt, um deutlich zu machen, dass da sowohl der technische, ingenieurwissenschaftliche und ökonomische Bereich als auch sozialwissenschaftliche Anteile vertreten waren. Das war unsere Ursprungsidee."
Wie es dann weiterging:
"Am Fachbereich Oecotrophologie und an der Fachhochschule begann man mit Vorgesprächen, vier Fachbereiche kamen zusammen: Energie · Gebäude · Umwelt, Bauingenieurwesen, Wirtschaft und wir. Diese vier Fachbereiche führte ich zusammen. Vor allem mussten sie bereit sein, Lehrkapazitäten einzubringen, das war die Grundvoraussetzung.
Ganz wichtig war der Fachbereich Energie · Gebäude · Umwelt. Besonders hervorzuheben sind Prof. Bernhard Mundus als damaliger Dekan, der inzwischen leider verstorben ist, und Prof. Franz-Peter Schmickler. Die beiden haben mit mir zusammen potenzielle Lehrinhalte für den Studiengang erarbeitet.
Ich habe am Fachbereich Wirtschaft versucht, Mitstreiter zu finden. Professoren des Fachbereichs haben wir als Lehrende gewinnen können. Besonders unterstützt hat uns Prof. Jobst Thalenhorst. Am Fachbereich Bauingenieurwesen haben wir mit Prof. Richard Dellen einen Unterstützer gefunden."
2000 startete dann der Studiengang Total Facility Management. Für die Startphase ist vor allem auch die engagierte Unterstützung durch unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin Gabriele Welsch zu betonen."
Auf die erste Professur für den Studiengang wurde Frank Riemenschneider-Greif 2002 berufen:
"Professor Uwe Schneidewind, der Erstbetreuer meiner Doktorarbeit, rief mich zwei Tage vor meinem Urlaub an, um mich auf die Ausschreibung aufmerksam zu machen. Zu dem Zeitpunkt arbeitete ich bei Infraserv Hoechst als General Manager für Site and Facilites. Ich rief Gabriele Welsch als Kontaktperson an, sie sagte, ich solle noch vor meinem Urlaub eine Bewerbung einreichen.
Mein erstes Büro war in der Josefstraße 2. Ich saß am Fachbereich Oecotrophologie, hatte Wahlrecht im Fachbereich Wirtschaft und war der Zentralen Wissenschaftlichen Einrichtung für Facility Management zugeordnet. Meine Aufgaben waren die Lehre und ihre Weiterentwicklung, der Aufbau eines An-Instituts für Site und Facility Management und der Ausbau der Zentralen Wissenschaftlichen Einrichtung. Für die Dauer von 2 Jahren war Gabriele Welsch als Mitarbeiterin dabei.
Später gab der ehemalige Rektor Klaus Niederdrenk die Devise aus, dass alle interdisziplinären Aktivitäten gebündelt werden sollten. Gleichzeitig sollte noch ein Schwerpunkt Logistik eingeführt werden, Prof. Franz Vallée wurde berufen. Aus der Zentralen Wissenschaftlichen Einrichtung für Facility Management wurde das Institut für Logistik und Facility Management, das den Rang einer Zentralen Wissenschaftlichen Einrichtung, kurz ZWELF, beibehielt."
Jarre:
"Als die ZWELF kam, habe ich mich ausgeklinkt. Ein Kind muss geboren sein und dann in die Welt entlassen werden, wenn es erwachsen ist. Die weitere Geschichte hat Frank geprägt."
Riemenschneider-Greif:
"Das Institut ist gewachsen und gewachsen, wir warben Drittmittel ein, führten erste kooperative Promotionen durch und bauten ein Netzwerk von FM-Unternehmen als Praxispartner auf. Als Leiter des Instituts habe ich den Kontakt zu allen vier Fachbereichen gehalten, habe an den Fachbereichssitzungen teilgenommen, wo das Thema FM auf der Tagesordnung stand. Weiterhin baute ich den Kontakt zu den Architekten auf.
Als ich krankheitsbedingt längerfristig ausfiel, übernahmen Torben Bernhold und Florian Nitzsche meine Lehre und Anke Wiemeyer die Koordination. Die drei kompensierten meinen Ausfall sehr gut. In der Zeit wurde das FM dem Fachbereich Oecotrophologie zugeordnet. Seit 2011 sind wir der Fachbereich Oecotrophologie · Facility Management.
Lange Zeit war ich der einzige Professor für das Facility Management. Später kamen Klaus Gellenbeck, Torben Bernhold, Thomas Böning, Frank Lattuch und Nico Clever hinzu. Jetzt sind es fünf Professoren und eine Lehrkraft für besondere Aufgaben.
Der Bachelorstudiengang hat sich stetig weiterentwickelt und ist derzeit als Immobilien- und Facility Management sehr gefragt. Auch der Master Immobilienmanagement hat sich seit dem Anfang immer weiterentwickelt und beinhaltet heute Schwerpunkte wie Corporate Real Estate Management, Digitalisierung und Environmental Social Governance."
Mit welchen Gefühlen Jarre auf die Zeit zurückblickt:
"Die Zeit war durch eine enorme Aufbruchstimmung geprägt. Der Austausch auch mit den internationalen Partnern war sehr dynamisch und produktiv. Es war richtig, das so zu machen. Das ist schon ziemlich einmalig, dass in der Fachhochschule etwas entstanden ist, was vier Fachbereiche mitgetragen haben. Und das meistens reibungslos."
Und Riemenschneider-Greif ergänzt:
"Die Idee, einen interdisziplinären Studiengang zu etablieren, hat gut funktioniert. Unsere Studierenden des Immobilien- und Facility Managements, so heißt der Bachelor ja heute, erhalten eine sehr umfassende Ausbildung, in der die Perspektiven aus Betriebswirtschaft und Ingenieurwissenschaften vereint sind.
Der Boom in der Immobilien- und Facility-Management-Branche ist ungebrochen. Unsere Absolventen werden uns aus den Händen gerissen. Im Laufe der Zeit haben sich sehr bemerkenswerte Karrierewege entwickelt."
50 Jahre FH Münster:
2021 feiert die FH Münster ihren 50. Geburtstag und nimmt das zum Anlass, auf besondere Ereignisse in ihrer Geschichte zu schauen. 1971 gab es auch unseren Fachbereich schon, der damals noch Fachbereich Ernährung und Hauswirtschaft hieß. 1996 wurde er zum Fachbereich Oecotrophologie und seit 2011 sind wir der Fachbereich Oecotrophologie · Facility Management.
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