Skulpturen in Steinfurt: Glockenschläge und die Suche nach Frieden
An ihnen führt auf unserem Steinfurter Campus fast kein Weg dran vorbei: die Skulpturen an der Stegerwaldstraße, am Gebäudeteil D und auf dem Innenhof bei der Mensa. Doch was hat es damit eigentlich auf sich? Das wollten wir wissen und haben recherchiert. Das Kloster Bentlage in Rheine und unser ehemaliger Mitarbeiter Wolfgang Göbel haben für uns Antworten.
So kennen wir unseren Campus: Die Skulptur ist ein markanter Punkt. (Foto: FH Münster/Ralf Emmerich)
Die aus Stahlplatten zusammengeschweißte Konstruktion am Gebäudeteil D wirkt wie eine gekippte Ecke, ist aber in Wirklichkeit ein Schalltrichter. Er gehört zur aus mehreren Teilen bestehenden Arbeit „Was machst Du hier?“ des Künstlers Nikolaus Petzel. Diese war im Rahmen des Ausstellungsprojektes „Friedenszeichen – Vredensteken“ vom 7. Juni bis zum 20. August 1998 auf dem Gelände des Klosters Bentlage zu sehen. Die Installation stand an der Stelle der im 30-jährigen Krieg von schwedischen Kanonen zerstörten Kapelle, die Anfang des vergangenen Jahrhunderts abgerissen wurde. Die eckige Skulptur verwies auf die südwestliche Begrenzung des vormaligen Gotteshauses und hielt eine Überraschung parat. Denn wenn man sich ihr näherte, vernahm man Glockenschläge, die durch ein gelbes Rohr geleitet direkt aus der Erde zu kommen schienen und an den ehemaligen Kirchenraum erinnern sollten.
Tatsächlich war der Ursprung des Klangs ein „sterbender Krieger“ einige Meter weiter. Dieser ruhte auf gelben Säulen, war aus Stahlquadern und geschichteten Stahlscheiben – und Teile davon stehen heute auf unserem Innenhof, allerdings ohne Säulen. Denn unser Fachbereich Elektrotechnik und Informatik war in das Kunstprojekt involviert. „Wir haben die Steuerung für die Bewegungsmelder angebaut, die die Glockenschläge ausgelöst haben“, sagt Göbel. Als es dann darum ging, die Aufenthaltsqualität unseres Steinfurter Innenhofes zu erhöhen, die Fläche zu entsiegeln und den Kubismus aufzubrechen, brachte er den Künstler ins Spiel. „Zu dieser Zeit lagerte die Skulptur in der Garage von Petzel. Ich habe ihm von unserem Innenhof erzählt und die Idee war geboren.“ Petzel präsentierte dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW) seine Vorschläge und durfte schließlich die Skulptur in Teilen auf unserem Campus aufbauen. Außerdem wurden dort Bäume gepflanzt und Bänke aufgestellt.
2004 kam die fast fünf Meter große und mehrere Tonnen schwere Skulptur zusammen mit zwei Schalltrichtern zu uns nach Steinfurt. Der Trichter am D-Gebäude ist immer noch zu sehen, der am A-Gebäude wurde im Zuge der Kernsanierung entfernt und nicht wieder aufgestellt. Die Glocke im Bauch der Figur gibt es immer noch, deren Klang könnte über ein unterirdisches Rohrsystem zum Schalltrichter geleitet werden. Tatsächlich passiert ist das jedoch nie: Nach dem Eingraben der Rohre liefen diese voll Wasser, sodass es keinen Weg für den Schall gab. „Wir haben dann später noch Lautsprecher eingebaut, aber irgendwie ist das Vorhaben letztendlich im Sande verlaufen“, erklärt Göbel.
Anlass der Ausstellung in Rheine war das 350-jährige Jubiläum des Westfälischen Friedens 1998, das in ganz Westfalen mit unterschiedlichen Veranstaltungsformaten und Projekten gefeiert wurde. Dazu gehörte auch die Friedensuhr des Gievenbecker Künstlers Adolph Knüppel, die auf heiligem Boden hinter dem Rathaus in Münster stand – neben der Bank von Eduardo Chillida. Kurz vor Beginn des Weihnachtsmarktes 1998 musste die Sonnenuhr dort weg und fand, dank Unterstützung von Wolfgang Göbel, auf unserem Campus ein neues Plätzchen. Und auch in diesem Fall bestand schon länger Kontakt: Denn unser Fachbereich Elektrotechnik und Informatik sorgte dafür, dass die Uhr richtig tickt. Mehrere Personen entwickelten die Photovoltaikanlage und die Mechanik, beides wurde in der mechanischen Werkstatt in Steinfurt fortgebaut. „Nach dem 350-jährigen Jubiläum gab es ein Projekt von unseren Studierenden, das die Platzierung der Uhr an der Stegerwaldstraße vorsah.“ Im Jahr 2000 ist das dann tatsächlich passiert: Seitdem steht die 5,60 Meter große Stele aus Stahl auf unserem Campus und fordert alle Betrachter*innen auf, die Suche nach Frieden als ständige Aufgabe zu begreifen und über eigene Aktionen sichtbar zu machen.
Das Besondere an der Uhr: Im Inneren befindet sich Sand von den Rathäusern aus Münster und Osnabrück – den historischen Stätten, in denen der Westfälische Friede geschlossen wurde. Dieser Sand war sogar im Weltall: Der Astronaut Dr. Reinhold Ewald nahm 200 Gramm der symbolträchtigen Probe mit in die russische Raumstation "Mir", was zu Deutsch Frieden heißt, mit der sie die Erde in ihrer Umlaufbahn immer wieder umkreiste.
Am Fuße der Konstruktion befindet sich eine Spirale mit einem Relief, in dem unter Glas Friedenserde aus allen Teilen der Welt aufbewahrt wird, die Schüler*innen und Eltern der Friedensschule gesammelt hatten – Frieden ist eben ein globales Thema, das alle betrifft.
Von Katharina Kipp
Pressemeldung vom 16. Oktober 1998: Fachhochschule Münster bei der Abschlusspräsentation des Friedenserde-Projektes dabeiPressemeldung vom 19. Juli 2004: Bald ertönen Glockenklänge auf dem Steinfurter Campus der FH
Pressemeldung vom 21. Dezember 2000: Historischer Sand fließt demnächst in Münster
WN-Artikel vom 7. August 2018: Heimspiel für die Diplomatie: 1998 feiert Münster „350 Jahre Westfälischer Friede“