Wenn Hochmut vor dem Fall schützt
Neues Buch des Soziologen und ehemaligen Professors der Fachhochschule Münster, Prof. Dr. Martin Doehlemann

"Mut zum Stolz und Hochmut - Bedingungen einer höheren Kultur", erschienen im LIT Verlag, ist das neue Buch des Soziologen und ehemaligen Professors der Fachhochschule Münster, Prof. Dr. Martin Doehlemann. (Bild: LIT Verlag)
Münster (19. Dezember 2011). Hochmut kommt vor dem Fall - so besagt es das Sprichwort. Auch in Religion und Kulturgeschichte gilt eine hochmütige, stolze Haltung in der Regel als Frevel. So folgt der „Hybris" in der antiken Mythologie fast unweigerlich der Sturz des Helden, und in der katholischen Theologie des Mittelalters zählt die „Superbia" zu den sieben Todsünden. Es gibt jedoch auch eine in der Antike beginnende und in der Neuzeit sich entwickelnde kulturhistorische Strömung, die die Selbstwertschätzung des Menschen in den Vordergrund stellt. In ihr erscheinen Stolz und Hochmut im Sinne einer „Hochgesinntheit" unter ganz anderen Vorzeichen. In dieser Tradition versteht etwa der Schriftsteller und Aphoristiker Hans Kudszus unter Hochmut „oft nur die Weigerung, sich unter sein eigenes Niveau hinabdrücken zu lassen" - und dann, so folgert er, schütze er vor dem Fall.
Diese gegenläufige Begriffstradition greift der Soziologe Prof. Dr. Martin Doehlemann auf und stimmt ein kleines Loblied auf die oft gescholtenen Haltungen an. „Mut zum Stolz und Hochmut - Bedingungen einer höheren Kultur" ist der Titel seines Buches, das nun im LIT Verlag erschienen ist. Der ehemalige Hochschullehrer für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Münster wirft die Frage auf, ob die Superbia „nicht auch gute, hilfreiche Seiten" habe und ob „der Vorwurf des Hochmuts nicht manchmal geradezu ehrenvoll und deshalb gut erträglich" sei.
Die Medienlandschaft mit Boulevardpresse, Fernsehen und Internet dient ihm dabei als kritikwürdige Kontrastfolie. Dort macht der Soziologe „kulturelle und moralische Elendsviertel" aus, in denen eine höhere Kultur immer weiter in den Hintergrund trete. Er attestiert den Medien und ihren Nutzern einen Mangel an würdevollem Stolz, anspruchsvollem Hochmut und nicht zuletzt auch an kritischer Distanz. Gerade in diesen seichten Gewässern der Trivialitäten sei eine stolze, hochmütige und sich abgrenzende Haltung durchaus angebracht - verstanden als „Anspruchshochmut, der Gütermaßstäbe kennt und anlegt", als „Widerstandshochmut, der sich die Banalitäts- und Schmutzofferten vom Leibe zu halten weiß" oder als „Stolz, dem Intimität nicht zur Währung ... wird, um sich Aufmerksamkeit zu kaufen".
Für Doehlemann gilt es, eine Grundhaltung zu entwickeln, die sich aus geistigem „Selbstanspruch, Würdestolz und Takt" speist. Auf dieser Basis sei dann auch der Vorwurf, stolz und hochmütig zu sein, „nachsichtig zu ertragen oder gar als Kompliment aufzufassen".
Martin Doehlemann: Mut zum Stolz und Hochmut - Bedingungen einer höheren Kultur, Neo-Jocologica Bd.6 mit 17 Bildern, LIT Verlag, Berlin, 19,90 Euro, ISBN 978-3-643-11397-9.