Im Rahmen der Studie sollen rund 100 junge Menschen, die 2008 in der Kinder- und Jugendhilfe in Heimerziehung oder sonstigen betreuten Wohnformen (§ 34 SGB VIII) untergebracht waren, über einen längeren Zeitraum in ihrer Entwicklung begleitet und in regelmäßigen Abständen von zunächst zwei Jahren, später ungefähr fünf Jahren, schriftlich und mündlich befragt werden.
Die Heimunterbringung von Kindern und Jugendlichen stellt für die Betroffenen zweifellos eine prägnante Erfahrung im Lebenslauf dar. Bisher ist jedoch kaum erforscht worden, wie Jugendliche - langfristig gesehen - mit diesem Lebensereignis umgehen. So lässt sich derzeit kaum seriös abschätzen, welche Bedeutung Jugendliche ihren Erfahrungen mit der Heimunterbringung beimessen und wie sich diese auf ihr späteres Leben auswirken. Im Mittelpunkt der Langzeituntersuchung stehen deshalb u.a. folgende Fragen:
- Lassen sich wiederkehrende Mustern oder "Lebensthemen" erkennen, die den Biographieverlauf der Untersuchungsteilnehmer prägen?
- Welche subjektive Bedeutung messen die Teilnehmer der Studie dem Ereignis "Heimunterbringung" für den Verlauf ihres eigenen Lebens bei und wie wird das "kritische Lebensereignis" Heim in die eigene Biographie integriert?
- Welche Aspekte der eigenen Unterbringung im Heim werden bei einer retrospektiven Betrachtung von den Teilnehmern als positiv/negativ eingeschätzt, welche bleiben überhaupt in Erinnerung?
- Bleiben Einschätzungen über die eigene Zeit im Heim konstant oder unterliegen sie im Laufe der Zeit spezifischen Veränderungen?
In der Untersuchung wird weniger nach kurzfristigen Effekten gefragt, sondern es wird versucht, das Ereignis Heimerziehung in den Kontext von biographischen Entwicklungen zu stellen. Hierzu zählt auch die Frage, ob sich bei den Teilnehmern im Lebenslauf spezifische Formen der Einbindung in Netzwerk- oder Beziehungskonstellationen erkennen lassen, die sich unterscheiden hinsichtlich ihrer Konstellation, Ausprägung, Dauerhaftigkeit und Belast-barkeit. In der ersten Phase (Aug. 2008 - Juli 2009) wurden 102 junge Menschen befragt (ungefähr 60 Prozent junge Frauen; 40 Prozent junge Männer). Mehr als die Hälfte der Teilnehmer war zum ersten Befragungszeitpunkt zwischen 16 und 17 Jahre alt, die anderen Teilnehmer streuten im Alter zwischen 15 und 21 Jahren. Rund zwei Drittel der Befragten waren in ausgelagerten Wohngruppen mit organisatorischer Anbindung an das Stammhaus unterge-bracht und wurden im Schichtdienst betreut. 14% der Befragten besuchten ein Gymnasium oder eine Realschule; 13% eine Gesamtschule; 29% eine Hauptschule; 12% eine Sonder-schule und 32% gingen nicht mehr zur Schule oder besuchten sonstige Schulformen.
Ergebnisse der ersten Phase wurden am 10. September 2009 im Rahmen der Fachtagung "Was heißt Qualität aus Sicht von Jugendlichen?" vorgestellt, die von der Diakonie Rhein-land-Westfalen-Lippe in Münster organisiert wurde. Nach Abschluss der zweiten Phase ist eine weitere Zwischenpräsentation der Ergebnisse geplant.