Münster (20. Mai 2016). Die Vereinten Nationen (UN) haben den 22. Mai zum Internationalen Tag der biologischen Vielfalt ernannt. Er erinnert an ein UN-Abkommen, das auf die Erhaltung der Artenvielfalt, die Biodiversität, zielt.

Warum Biodiversität wichtig ist und wie wir sie mit unserer Ernährung beeinflussen, haben wir Prof. Dr. Carola Strassner gefragt. Die Hochschullehrerin von unserem Fachbereich Oecotrophologie · Facility Management lehrt und forscht zu Nachhaltigen Ernährungssystemen und zur Ernährungsökologie.

 

Prof. Carola Strassner
Prof. Dr. Carola Strassner (Foto: FH Münster/Wilfried Gerharz)

Frau Prof. Strassner, gibt es Anlass zur Sorge um die biologische Vielfalt?

Ja, die gibt es in der Tat. Das Ausmaß des Artenverlustes weltweit wird inzwischen als sechstes Massensterben in der gesamten Erdengeschichte bezeichnet. Die vorangegangenen fünf Massensterben fanden alle vor dem Auftreten des Menschen auf; beim jüngsten und wohl bekanntesten sind auch die Dinosaurier ausgestorben.

In einem gesunden System ist ein Artensterben durchaus normal, es kommen ja auch neue Arten hinzu. Die Beschleunigung und das Ausmaß des aktuellen Artensterbens sind allerdings kritisch und lassen auf ein ungesundes und gefährdetes System rückschließen. Von international renommierten Forschungsinstituten, zu dem auch das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung gehört, wird sogar gesagt, dass die kritische Grenze des Artenverlustes überschritten wurde.

Kritisch ist es vor allem, weil uns die genetische Vielfalt über Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen hinweg unwiderruflich verloren geht. Die ist wichtig für die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit eines Systems. Ändern sich Bedingungen in einem Ökosystem, können sich manche Arten besser an neue Bedingungen anpassen und überleben.

Welchen Einfluss haben unsere Ernährung und die Ernährungswirtschaft auf die Biodiversität?

Eine sehr große. Dabei fallen drei Aspekte besonders ins Gewicht.

Erstens: Unsere Ernährungsgewohnheiten haben sich dahingehend verändert, dass unsere Lebensmittelauswahl stark eingeschränkt ist. Folglich reduziert sich dadurch die Biodiversität.

Zweitens: Die Ernährungswirtschaft nach industriellem Maßstab profitiert von Agrarrohstoffen mit möglichst gleichen Eigenschaften, da sich diese in Produktionsanlagen besser verarbeiten lassen. Dadurch lassen sich Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen - beide erstrebenswert - erzielen. Demgegenüber steht jedoch folglich der Artenverlust.

Drittens: Unsere Ernährung, also das, was wir essen, ist direkt mit der landwirtschaftlichen Erzeugung verbunden. Unterschiedliche Ansätze der Bewirtschaftung beeinflussen den Artenverlust auf unterschiedliche Weise. Großflächige Massentierhaltung und Monokulturen tragen zum Artenverlust bei.


Was kann jeder Einzelne zum Erhalt der biologischen Vielfalt beitragen?

Eine der zentralen Ernährungsempfehlungen besagt "Lebensmittelvielfalt genießen". Damit ist nicht gemeint, gestern Nuggets, heute Burger und morgen Pizza. Vielmehr bezieht sich dieser Gesundheitshinweis auf Arten und Sorten der essbaren Fauna und Flora. Viele Menschen greifen bei Lebensmitteln immer wieder zu nur wenigen, gleichen Arten, bei Obst sind es zum Beispiel häufig Äpfel, Orangen und Bananen.

Vielfalt kann in der Breite genossen werden, bei dem Obst über weitere Arten wie Erdbeeren, Rhabarber, Pflaumen, Birnen und vieles mehr. Vielfalt kann auch in der Tiefe genossen werden, beispielsweise durch verschiedene Pflaumen- oder Birnensorten. Der Boomgarden Park in Norddeutschland hat einen Obstsortenbestand von 195 Apfel-, 29 Birnen-, 29 Kirschen-, 23 Pflaumen- und 6 Quittensorten. Beim Lebensmitteleinkauf kann darauf geachtet werden, Kleinerzeuger zu unterstützen, insbesondere diejenigen, die sich um vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten kümmern. Slow Food und NABU sind gute Auskunftsstellen, aber auch Erzeuger auf dem lokalen Lebensmittelmarkt.

Da die Art des Anbaus starke Auswirkungen auf die Biodiversität hat, kann am meisten durch Berücksichtigung der Anbauweise Einfluss genommen werden. Mit Bio-Anbau oder anderen Formen nachhaltiger Landwirtschaft tragen wir nachweislich zu einer höheren Artenvielfalt im Ökosystem bei. Deshalb auf die Erzeugungsart achten.

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