Anna Brinkmann von unserem Fachbereich Oecotrophologie · Facility Managementist ist auf dem Titelbild des aktuellen FH-Magazins fhocus abgebildet.

Münster (5. April 2016). Deutschland ist nicht erdbebengefährdet. Und selbst die härtesten Winter und Überschwemmungen haben bislang überschaubare Areale heimgesucht. Was, wenn bei einer Naturkatastrophe eine Riesenfläche betroffen wäre? Dazu forscht Anna Brinkmann.

Jeder sollte für 14 Tage Lebensmittel zu Hause vorrätig haben. Und zwar immer - für den Fall, dass es für zwei Wochen keine Möglichkeit gibt, sich zu versorgen. Aber wer macht das schon in einer Zeit und einem Land, wo Essen und Getränke im Überfluss vorhanden sind? Auch Anna Brinkmann nicht. Obwohl sie es doch inzwischen besser weiß. Von Berufs wegen.

Denn die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Oecotrophologie · Facility Management forscht am Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe im Projekt "Vergleichende Vulnerabilitätsbetrachtung der Lebensmittelversorgung in OECD-Ländern im Falle von Großschadensereignissen (VVL-OECD)".

Hinter dem etwas sperrigen Titel des Kooperationsprojekts, Partner ist die FU Berlin, verbirgt sich das Vorhaben, alle 34 größeren Industriestaaten im Umgang mit Katastrophen zu vergleichen. Wie verhalten sich Behörden, Organisationen, Bevölkerung bei überraschenden Naturkatastrophen?

"Auf kommunaler und Länderebene funktioniert der Katastrophenschutz auch in Deutschland gut", sagt die Oecotrophologin und Masterabsolventin im Studiengang Nachhaltige Dienstleistungs- und Ernährungswirtschaft an unserer Hochschule. Ein ausgeklügeltes Prozedere aber für die Kooperation und Kommunikation zwischen allen Beteiligten gibt es nicht. Das, dies lässt sich zum jetzigen Stand des Projekts schon sagen, ist in anderen Ländern teilweise besser.

"Es lässt sich zwar kein Konzept anderer Staaten übertragen", sagt die 28-Jährige. "Aber wir können von einzelnen Methoden lernen. Uns geht es darum, die Rosinen rauszupicken." Die fand sie etwa in Neuseeland, das 2011 von einem großen Erdbeben erschüttert wurde.

Völlig überraschend - und doch hat vieles gut funktioniert: Spontan haben sich Dörfer und kleine Kommunen zusammengetan, um die Lebensmittelversorgung zu gewährleisten. Die Bevölkerung ist aktiv geworden, hat etwa Gemeinschaftsverpflegung und Nachbarschaftshilfe organisiert. "Dies resultierte auch daraus, dass Verantwortliche nach einem Vorbeben 2010 die Infrastruktur kritisch hinterfragt hatten", erklärt Brinkmann. In Großbritannien lassen sich die sprichwörtlichen Rosinen gleichfalls finden. Brinkmann: "Hier hat die Lebensmittelwirtschaft bei Naturkatastrophen einen anderen Stellenwert als in Deutschland."

Im Herbst wird es zu den drei Schwerpunkten Kommunikation/Kooperation, Bevölkerung und Lebensmittelwirtschaft einen Workshop der beiden Kooperationspartner geben. Eingeladen sind Vertreter aus Bundes-, Landes- und kommunalen Behörden, die sich mit Ernährungsnotfallvorsorge befassen. "Und selbstverständlich arbeiten wir an einem Abschlussbericht, weil unsere Interviewpartner in den OECD-Ländern ein großes Interesse daran haben, voneinander zu lernen."

Was das Projekt nicht leisten kann, ist eine organisationssoziologische Betrachtung, bei der die Struktur der einzelnen Akteure untereinander wissenschaftlich untersucht wird. Das möchte Brinkmann im Anschluss ans Projekt in ihrer Promotion thematisieren, Zweigutachter soll Prof. Dr. Joachim Gardemann sein.

"Dafür könnte ich Kanada als Vergleich heranziehen, wo die Lebensmittelwirtschaft stärker als in Deutschland im Katastrophenschutz involviert ist." Zudem seien dort Behörden, NGOs und Bevölkerung besser verzahnt. Dass sie das spannend findet, wundert nicht, wenn man weiß, dass sie sich für den Masterstudiengang entschieden hatte, weil "sie sich für globale Wertschöpfungsketten" interessiert.

Vom internationalen Blick noch einmal zurück zum eigenen Kühlschrank. "Inzwischen würde ich schon ein paar Tage ohne Einkaufsmöglichkeit überbrücken können, und ich bin sensibilisiert für die Vorsorge im Notfall."


Dieser Artikel ist in der Ausgabe 28 des FH-Magazins fhocus im Sommersemester 2016 erschienen.

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