Licht aus, Spot an: Parcours voller Kreativität

Die Designabschlussarbeiten an der FH Münster zeugen von handwerklichem Geschick, gestalterischem Können und theoretischer Expertise


Münster (3. Februar 2023). „Der ist schon tot, dem kann’s nur gut gehen.“ So lautet der zunächst etwas schwarzhumorige Titel der Master-Abschlussarbeit von Victoria Krisai vom Fachbereich Design, der Münster School of Design (MSD), an der FH Münster. Krisais Graphic Novel befasst sich mit dem Lebensende in all seinen Facetten und greift damit ein absolutes Tabuthema auf: den Tod, dem niemand entkommen kann. Dieses Herantasten an schwere, abseitige und tabuisierte Gesellschaftsthemen ist fast schon typisch für die Absolvent*innen dieses Jahrgangs: In vielen Arbeiten geht es um Krisen, psychische Erkrankungen und Einsamkeit, aber auch um soziale Teilhabe, Rücksichtnahme und Gleichbehandlung. Dekan Prof. Dr. Lars Grabbe lobt vor allem das handwerkliche Geschick, das gestalterische Können und die theoretische Expertise der Absolvierten – Skills, die beim Betrachten und Berühren der Abschlussprojekte offenbar werden. Zu den meisten Arbeiten haben die Absolvent*innen einen direkten, persönlichen Bezug. So auch Krisai: Ihre Eltern führen ein Bestattungsunternehmen, der Tod ist in ihrer Familie allgegenwärtig. „Um den Tod aus der Tabuzone herauszuholen, habe ich bemerkenswerte Erfahrungen als kurze Comics aufgezeichnet,“ kommentiert die Absolventin ihre Graphic Novel, die auf wahren Begebenheiten beruht. Da Krisai noch weit über 70 unglaubliche Geschichten aus dem Bestattungsalltag in petto hat, sollen perspektivisch noch weitere Comics zu dem Thema erscheinen.

Auch Giulia La Spina hat einen sehr persönlichen Bezug zu ihrer Bachelor-Abschlussarbeit. Sie konzipierte die digitale Informationsplattform „stutter out loud“, die das ganzheitliche Bild des Stotterns vor allem für Nicht-Betroffene begreiflich macht. „Genau wissen, was man sagen möchte und es aussprechen – ich kann das, mein Bruder oft nicht“, sagt die Absolventin, die mit ihrer Plattform für die Diversität des Stotterns sensibilisieren möchte, um Stigmatisierung entgegenzuwirken. Die Plattform informiert über die verschiedenen Arten des Stotterns und gibt Hilfestellung bei der Kommunikation mit Betroffenen.

Absolventin Lea Haubner schlug dem Inhaber des Charivari Puppentheaters am Aasee, Wilfried Plein, vor, dieses im Rahmen ihres Bachelor-Projekts mit neu gestalteten Programmheften und Werbematerial zu unterstützen. Entstanden sind farbenfrohe Programmposter, die zum Beispiel die bekannten Protagonisten Kasper und Prinzessin zeigen. Ebenso hatte die Absolventin die Idee, bedruckte T-Shirts und Stoffbeutel als Werbeträger zu nutzen. „Mein Ziel ist es, dass das Theater, das schon seit Jahren fester Bestandteil von Münsters Kulturlandschaft ist, seine wertvolle Tradition auch in Zukunft bewahren und für künftige Generationen zugänglich machen kann“, kommentiert Haubner ihre Idee zu der Arbeit.

Eine gemeinsame Mahlzeit ist für viele noch immer ein festes Ritual und von großer Bedeutung für den (familiären) Zusammenhalt. Doch was tun, wenn die uneingeschränkte Teilhabe bei Tisch aufgrund kognitiver, psychischer oder physischer Einschränkungen nicht möglich ist? „Mit ‚involve‘ wollen wir körperlichen Nachteilen mit innovativem Design entgegenwirken“, sagen Runjia Lucy Xu und Julius Mergen über ihre Bachelor-Abschlussarbeit. Ihr Projekt, ein speziell durchdachtes Tableware-Set, soll Teilhabe am Essenstisch möglich machen. Es ist so gestaltet, dass man einfach und sicher damit essen und trinken kann – auch dann, wenn die nötige Kraft oder das motorische Feingefühl fehlen.

Um einfache Bedienbarkeit geht es auch in der Abschlussarbeit von Anika Piontzik. Ihr niederschwelliges Legespiel „Was passiert denn hier?“ basiert auf dem Prinzip des Myrioramas, bei dem man Bildkarten beliebig aneinanderlegen und in jeder erdenklichen Reihenfolge kombinieren kann. Der Absolventin ging es vor allem darum, dass auch kleinere Kinder oder Menschen mit Tremor das Spiel spielen können. „Bei der Umsetzung entschied ich mich deshalb, die Platten an den Seiten mit Magneten zu versehen“, beschreibt Piontzik ihr Konzept. „Dieser Zusatz minimiert die motorische Schwierigkeit, die Platten passgenau aneinanderzulegen.“ Das Spiel kommt ohne Schrift aus und fördert das kreative Denken, Sprechen und Erzählen.

Ein Möbel aus roher Erde – das ist das Ergebnis der Bachelor-Arbeit von Martin Barth. Der Absolvent wollte mit seinem Beistelltisch „COB“ ein Beispiel dafür liefern, wie sich roher Lehm als funktionales, ökologisches und ästhetisches Material im Interior-Design positionieren kann. Das nachhaltige Möbel ist so konzipiert, dass es sich in bestehende Stoffkreisläufe integriert und nach seinem Lebenszyklus ohne Probleme wieder in der Natur aufgeht. Ein weiterer Pluspunkt: das Material Lehm wirkt sich positiv auf den Wohnkomfort aus, denn Lehmoberflächen sind in der Lage, die Luftfeuchtigkeit in ihrer Umgebung zu regulieren. Bezogen auf den Tisch kann dieser in 24 Stunden 70 Milliliter Wasser aus der Umgebung aufnehmen und an diese wieder abgeben. Jedes Modell ist ein Unikat. Es soll jeweils die Region widerspiegeln, in der es entstanden ist. An der MSD zeigt Barth ein Modell, dessen Naturmaterialien aus dem Münsterland stammen, genauer gesagt aus der Region Baumberge.

Hat man ein Faible für Gruselgeschichten, sollte man sich den Animationsfilm „abyssus“ von Alina Danisch und Marina Oster nicht entgehen lassen. Die beiden Master-Absolventinnen erklären darin, warum Menschen sich so gerne gruseln und wie es Horrorfilme schaffen, gleichermaßen zu entsetzen und zu begeistern. Nachdem ihre Kommiliton*innen immer wieder darüber gewitzelt haben, dass es vor allem die gruseligen, skurrilen oder morbiden Themen waren, für die sich Danisch und Oster begeistern konnten, geben die beiden „Partnerinnen in Crime“ dem Horror mit ihrem Masterprojekt nun eine eigene Bühne. Spot on: „Abyssus“ entführt in eine bizarre Welt, Gruselfaktor und Schreckensmomente inklusive.

Prämiert durch den wissenschaftlichen Beirat der MSD wurden in diesem Semester auch die beste Bachelor- und Masterarbeit. So darf sich Bachelor-Absolvent Joosten Baarts über die Auszeichnung seines Projekts „exise“ freuen. Die von ihm konzipierte digitale Plattform soll dazu beitragen, die von der Politik gesetzten Klimaziele fristgerecht zu erreichen. Laut Baarts liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Warum die Energiewende lahmt, liegt laut Barth vor allem an den Hürden der komplexen deutschen Bürokratie. Sollte sein Prototyp realisiert werden, könnten Planer*innen von Windenergieanlagen künftig deutlich schneller ihre Anträge stellen und diese prüfen lassen. Baarts Projekt könnte somit ein deutlicher Push für die erneuerbaren Energien sein, um die ambitionierten Ziele für grünen Strom zu erreichen.

Über die Auszeichnung „Beste Masterarbeit“ darf sich in diesem Semester Marie-Sophie Boll freuen. Die Absolventin hat mit ihrem Projekt „PHY210“ eine Applikation zum Thema physische Gesundheit am Arbeitsplatz entworfen. Die Idee dahinter: laut WHO reichen schon 21 Minuten gezielte Bewegung pro Tag, um langfristig schmerzfrei durch den Berufsalltag zu kommen. Diese Empfehlung nutzte Boll als Aufhänger für ihr Projekt und holte sich dafür eine ausgebildete Physiotherapeutin mit ins Boot, mit der sie maßgeschneiderte Trainingskonzepte anfertigte, die allesamt Videos mit Übungen beinhalten. Über die App können die User zudem Schmerzstellen auswählen, um diese mit gezielten Übungen zu entlasten beziehungsweise langfristig zu stärken.

Wer neugierig auf die App und alle weiteren Bachelor- und Masterarbeiten der 60 Absolvent*innen geworden ist, hat bis Sonntagabend Gelegenheit, sich diese anzusehen. Am Samstag und Sonntag (4. und 5. Februar) ist die Ausstellung von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Alle Infos gibt es unter @parcours_msd bei Instagram und unter facebook.com/parcours.muenster.




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