Die Klimakrise und das menschliche Gehirn
Prof. Dr. Maren Urner ist Neurowissenschaftlerin und beschäftigt sich intensiv mit menschlichen Gewohnheiten. Sie setzt sich für aktive Transformation ein, damit Menschen eine lebenswerte Zukunft haben. Im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP spricht sie darüber, wie Menschen die Klimakrise verdrängen und erklärt, was das mit unserem Gehirn zu tun hat.
Prof. Dr. Maren Urner lehrt und forscht an unserer Hochschule. (Foto: FH Münster/Katharina Kipp)
Immer wieder gibt es Extremwetterereignisse, doch insgesamt ist das Interesse der Menschen am Klimaschutz nach wie vor gering ausgeprägt. Urner erklärt das mit dem menschlichen Gehirn. Dieses sei nicht besonders gut darin, langfristig zu denken und zu planen, so die Professorin für Nachhaltige Transformation. „Deshalb fällt es uns Menschen unheimlich schwer, komplexe Zusammenhänge, die sich über einen langen Zeitraum entwickeln, zu verstehen, beziehungsweise dafür zu sorgen, dass wir unser Verhalten ändern.“ Natürlich sei bekannt, dass die menschengemachten Klimaveränderungen zunehmend spürbarere Folgen haben. „Diese sind sehr konkret, mit Blick auf unser eigenes Leben aber eher komplex und indirekt.“
Die Bedeutung von Klimaschutz in der öffentlichen Debatte nehme aber auch wegen den zahlenreichen Krisen in der Welt ab. „Die Pandemie zum Beispiel hat wie ein ganz akuter Reiz gewirkt, sodass das Thema Klima schnell in den Hintergrund gerückt ist.“ Aus überlebenstechnischer Sicht sei dies sinnvoll – „das Gehirn muss zuallererst fürs Überleben im Hier und jetzt sorgen.“ Aber auch der tief in der menschlichen Natur verankerte Drang nach Sicherheit spiele eine zentrale Rolle. „Wenn wir eine Krise nach der anderen verspüren oder stärker noch, gefühlt 35 Krisen parallel passieren, wird die Unsicherheit größer. Dann passiert das, was wir jetzt weltweit beobachten können, sprich die Hinwendung sehr vieler Menschen zu vermeintlich einfachen Antworten politischer Natur.“
Verstärkt werde all das auch durch die Mechanismen im Politik-Betrieb. „Da geht es vor allem darum, dass falsche Belohnungsmechanismen die Kurzfristigkeit im Denken und Handeln unterstützen. Die Verteilung von Ämtern und Erfolg steht häufig nicht im Einklang mit der Maximierung des Gemeinwohls.“
Prof. Dr. Maren Urner lehrt und forscht seit dem Wintersemester 2024/2025 an unserer Hochschule und leitet den Masterstudiengang Nachhaltige Transformationsgestaltung am Münster Centrum für Interdisziplinarität (MCI). Die Wissenschaftlerin hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt im Mai 2024 „Radikal emotional: Wie Gefühle Politik machen“. Darin fordert sie, die Idee eines reinrationalen Politikverständnis zu überdenken und aufzuhören, Verstand und Emotionen voneinander trennen zu wollen.