Im wissenschaftlichen Fokus des Projektes: „Wir haben uns angeschaut, wie sich E-Sport auf die Persönlichkeitsentwicklung und Identität sowie auf soziale Dynamiken und Beziehungen unter den Teilnehmenden auswirkt“, erklärt Tappe, Professor für Digitalisierung und Medienpädagogik in der Sozialen Arbeit. „Und wie sich das Grundverständnis von E-Sport entwickelt, wenn dieser im Sportverein gespielt wird.“ Ein solches Angebot scheine für Sportvereine kein Selbstläufer, nicht alle beteiligten Vereine konnten erfolgreich Strukturen und Angebote etablieren. „Die Einbindung von E-Sportlerinnen und -sportlern als Engagierte scheint nach unseren Erkenntnissen ein zentraler Erfolgsfaktor zu sein“, ergänzt Gennat, der die Ergebnisse vor Ort vonseiten der Hochschule vorstellte. Sei ein E-Sportangebot erst einmal etabliert, können aber durchaus positive Effekte durch die Rahmung eines Sportvereins beobachtet werden: Teilnehmende berichten von Gruppengefügen, die durch die räumliche Struktur entstehen und heben besonders den Austausch mit Gleichgesinnten hervor. So können Gefühle des Stolzes bei guter Leistung und Selbstwirksamkeitserfahrungen geteilt und innerhalb der Gruppe anerkannt und wertgeschätzt werden. Frustmomente, welche durch Niederlagen oder schlechte Einzelleistungen entstehen können, werden innerhalb der Gruppe aufgefangen, reflektiert und verarbeitet. Weiterhin wird in der Anleitung der Gruppe durch Trainer*innen das Potenzial für eine individuelle Leistungssteigerung erkannt und von den Teilnehmenden als positiv bewertet. „Soziale Aspekte scheinen eine Hauptmotivation zu sein, E-Sport in Vereinsstrukturen wahrzunehmen“, so Gennat. Als potenzielles Risiko von E-Sport werde von Teilnehmenden selbst das lange Sitzen genannt. Einige suchen intrinsisch motiviert zusätzlich nach Ausgleichssport. „Kannibalisierungseffekte konnten wir aber nicht beobachten: Vereinsmitglieder gaben ihren Sport nicht zu Gunsten des E-Sports auf, dieser ist aber auch kein Rekrutierungsweg für den klassischen Sport.“
E-Sport als soziokulturelles Phänomen und Teil der Lebenswelt von meist jungen Menschen zu verstehen, das sei ein Anliegen des Landessportbundes, so Wortmann. Die festen Strukturen im Sportverein seien ein Ansatz, dem E-Sport die Stigmen zu nehmen, die ihm anhaften – beispielsweise, dass E-Sport die Akzeptanz von Gewalt fördern könnte. Für die Forschungsarbeit hat das Team E-Sport-Angebote an Modellstandorten erprobt. Dazu entwickelte es Schulungsangebote für Multiplikator*innen, um die Angebote pädagogisch anleiten zu können. Die dafür notwendigen medienpädagogischen Handlungsempfehlungen lieferten Tappe und Gennat. Außerdem will die Sportjugend ein Beratungsangebot für interessierte Vereine aufbauen. „Für uns heißt es nun, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in der Jugendarbeit fortzubilden und das Engagement von E-Sportlerinnen und -sportlern anzuerkennen. Zusätzlich müssen wir Angebote schaffen, um den negativen Aspekten vorzubeugen, wie dem langen Sitzen“, gibt Wortmann als Ausblick für die zukünftige Arbeit.
Zum Thema: Das Projekt „E-Sport als Angebot der außersportlichen Jugendarbeit im Sportverein“ ist 2020 gestartet und läuft noch bis Ende 2024. Das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (MKJFGFI NRW) unterstützt das Vorhaben finanziell.
E-Sport unterscheidet sich von den Freizeitvideospielen, den sogenannten Casual Games: Unter E-Sport ist das wettkampforientierte Spielen von digitalen Spielen gegen andere menschliche Spieler*innen nach immer gleichen und festgelegten Regeln zu verstehen. „E-Sport-Spiele sind weniger narrativ ausgerichtet, folgen also seltener einer erzählerischen Handlung. Sie sind so konzipiert, dass sie Spielerinnen und Spielern ein optimales Spielumfeld bieten, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen“, erklärt Gennat.