Es ist die Welt der kleinsten Dimensionen: Die Nanotechnologie gilt als die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Und hat damit sowohl für Wissenschaftler als auch für den Standort Deutschland eine strategische Bedeutung. Im Euregio-Biotech-Center an der Fachhochschule Steinfurt sind erste Ergebnisse der Forschungen bereits greifbar.
Im UV-Licht glüht die farblos Flüssigkeit in den vier Röhrchen wie magisch auf: Orangerot, zitronengelb, moosgrün. Diesen Effekt macht sich Dr. Christoph Block im ganz Kleinen zu Nutze - unsichtbare Zwerge sind seine Helfer. "Zwerg" ist die Übersetzung des griechischen "Nano" und eigentlich noch zu groß gegriffen. Denn ein Nanometer misst nur einen Millionstel Millimeter und Nanonteilchen sind damit für das Auge, Lupen und selbst die meisten Mikoskope unsichtbar. Doch Blocks "Zwerge" haben eine besondere Fähigkeit, die sie optisch wachsen lässt - sie können leuchten. "Fluoreszierende Nanopartikel", so der Fachausdruck, könnten in der Molekularbiologie, besonders in der Krebsdiagnostik, eine kleine Revolution einläuten.
Die winzig kleinen Halbleiter-Kristalle, die ursprünglich aus der Computerforschung stammen (und dort weiterhin eine Rolle spielen), sind nicht nur kleiner sondern auch wesentlich stabiler, verträglicher, farbgenauer als alle anderen bekannten herkömmlichen Farbstoffe. Das macht sie so interessant für Biotechniker wie Block. Zusammen mit Prof. Dr. Karin Mittmann, der Leiterin des Euregio-Biotech-Centers an der FH Steinfurt, modifiziert er Proteine, Gene und Nukleinsäuren so, dass die Farbpartikel an genau definierten Stellen "andocken". Angeregt durch UV- oder Laserlicht zeigen sich dann unter dem Mikroskop Farbmuster, die viel aussagen über die Vorgänge in einer Zelle oder in Gewebeproben. Solche "Biomarker" versprechen neue Dimensionen in der Krebsdiagnostik, aber auch in der Therapie. Denn Nanopartikel könnten auch Medikamente direkt in einen Tumor transportieren oder in der Zelle, magnetisch angeregt, Temperaturen erzeugen, die Tumorgewebe absterben lassen.
Die kommerzielle Dimension solcher Forschung liegt auf der Hand. Deshalb hat Block schon vor Monaten die Firma "SignalomicsTM" gegründet - ganz im Sinne des Biotech-Centers, das sich zum Ziel gesetzt hat, solche Ausgründungen, englisch "Spin-offs", nach Kräften zu fördern. Signalomics ist schon der vierte Spin-off, der von Euregio Biotech betreut an den Markt geht - und der vielversprechendste. 20 Mitarbeiter könnte die Firma haben, sobald die Finanzierung gesichert ist. Eine Zusammenarbeit mit dem US-Unternehmen Bio-Crystal, das die Nanopartikel liefert, gibt es schon. Was noch fehlt, ist genug Wagniskapital. Gelingt es Block, Kapitalgeber von seinem Firmenkonzept zu überzeugen - und danach sieht es aus - dann könnte das noch Ein-Mann-Unternehmen schnell Karriere machen. Darauf spekulieren Finanziers natürlich - im Idealfall spült ein Börsengang ihnen später das Vielfache ihres Einsatzes zurück aufs Konto.
Das Steinfurter Center ist der Mittelpunkt eines grenzüberschreitenden Netzwerkes, zu dem neben dem Steinfurter Labor für medizinische Biotechnologie die Institute für Biomedizinische Technik der Universität Twente sowie die Institute für Medizinische Biologie an der Reichsuniversität Groningen gehören. Gefördert wird das Netzwerk mit Mitteln der EU-Initiative Interreg IIIA, des EU-Strukturfonds sowie der Wirtschaftsministerien der Niederlande und Nordrhein-Westfalens. Eine Finanzspritze von 7,3 Millionen Euro verlieh diesem von Prof. Mittmann aufgebauten Netzwerk vor zwei Jahren gehörigen Schub.
Auf 240 Quadratmetern hält das seit Anfang des Jahres auf dem Campus der FH Münster in Steinfurt angesiedelte Zentrum modernste Großgeräte wie ein konfokales Laserscanning-Mikroskop oder den Laborroboter "Genesis Freedom" parat - für eigene Forschungsprojekte, aber auch für die Mitarbeiter der angeschlossenen Institute sowie junge Biotech-Firmen. 30 solcher Unternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitern gibt es mittlerweile im Münsterland - das klingt nach viel, relativiert sich aber, wenn man bedenkt, dass deutschlandweit nur 15000 Menschen in der Biotech-Branche arbeiten, alleine in Schottland aber 25000.
Um das zu ändern, bietet das Biotech-Center nicht nur die Geräte-Mitnutzung an. Hilfe bei der Erstellung eines Businessplans, bei der Patentanmeldung, beim Kontaktknüpfen zu Kapitalgebern oder Firmen gehört zum Dienstleistungsangebot wie ein begehrtes Technologie-Training, das für Biotechnologie-Firmen und Gründer aus der Region sogar kostenlos ist.
Zurück zu den Nano-Farbpartikeln. Am Ende steht die Vision, durch einfaches Auftragen einer Flüssigkeit auf die Haut oder das Injizieren in Gewebe ein sicheres, zuverlässiges und kostengünstiges Diagnoseinstrument zu haben - so einfach wie ein Lackmustest. Bis zur Anwendung am Menschen ist es noch ein weiter Weg, sagt Block - die aufwendigen Zulassungsverfahren sind für ein Klein-Unternehmen alleine kaum zu bewältigen. Aber auch der Einsatz der "leuchtenden Zwerge" an Zellpräparaten oder an Tieren eröffnet schon gute Geschäftschancen, etwa in der pharmakologischen Forschung.
Mehrere andere Nanobiotechnologie-Projekte werden zurzeit in Steinfurt verfolgt. Über Einzelheiten spricht Mittmann allerdings nicht gerne. Geheimhaltung ist wichtig in einem hart umkämpften Markt. Besonders US-Unternehmen, mit denen das Zentrum kooperiert, achten penibel darauf, dass keine ungeschützten Ergebnisse an die Öffentlichkeit gelangen.
So bleibt der Phantasie Raum. Von Nano-Robotern, die wie Mini-U-Boote durch die Arterien reisen und Verkrustungen wegfräsen, ist oft die Rede, wenn es um das "heiße" Thema Bio-Nanotechnik geht. Doch Block wiegelt ab: "Wir machen hier Science und weniger Fiction." Was nicht heißen soll, dass das Euregio-Biotech-Center nicht eine Erfolgsgeschichte schreibt, die noch viele Kapitel vor sich hat. Achim Giersberg
Westfälische Nachrichten, 17.06.2004, Sonderbeilage: Richtung Zukunft