Steinfurt. Wie schön die Kristallwinzlinge leuchten. So ein unwirkliches Grün, dieses neongrelle Gelb - und dieses Kussmundrot. Oder vielleicht lieber ein grelles Orange? "Alles kein Problem", sagt Professor Dr. Karin Mittmann und lächelt. Schließlich würde die Farbe der Lichtemission allein durch die Größe des Kleinstkristalls bestimmt - und die unterscheiden sich zwar nur im Bereich eines Millionstelmillimeters, aber dort eben doch; "darum können wir alle Farben darstellen". Im Übrigen, klärt die Fachfrau auf, leuchteten die Nano-Kristalle überhaupt nicht, "sie fluoreszieren". Was ein Phänomen der Quantenphysik sei, durchaus kompliziert. So kompliziert, dass selbst mancher Student davor kapituliert - "wir sollten das jetzt einfach nicht weiter durchleuchten." Dann hält die 43 Jahre alte Leiterin des Euregio Biotech-Centers der Fachhochschule Münster in Steinfurt kurz inne. Weil sie über ihr unbeabsichtigtes Wortspiel lächeln muss.
Nun arbeitet die ehrgeizige Forscherin nicht für die Spaßindustrie, die mit witzigen Leuchtobjekten versucht, Kinderaugen zum Strahlen zu bringen. Die Humanbiologin, der das Biotech-Center seit fünf Jahren untersteht, ist dafür eine viel zu ernste Wissenschaftlerin mit einem überaus ernsten Anliegen. "Wir wollen die fluoreszierenden Nano-Kristalle nutzen, Krebszellen im menschlichen Körper sichtbar zu machen", sagt sie, und macht eine Kunstpause. Weil sie um die Bedeutung ihrer Worte weiß, kostet sie diesen Moment aus.
Seit vielen Jahren schon arbeitet Karin Mittmann an diesem Thema. Ihm widmet sie ihre Energie, ihm ordnet sie alle andere unter. Die Professorin glaubt an ihre Arbeit und daran, dass sie mit ihrem zehnköpfigen Team Erfolg haben wird. Nicht heute, nicht morgen, in ein paar Jahren erst, dann aber bestimmt. Für die Weiterentwicklung der Krebstherapie könnte das ein Meilenstein sein, für sie selbst und ihr Institut wäre es der Durchbruch. Das Prinzip klingt einfach. Man nehme: ein paar fluoreszierende Kristalle, klebe daran eine Eiweißverbindung, die stark haftend gemacht worden ist und wie ein Schlüssel ins Schloss einer zuvor definierten Krebsart passt und siehe da - unter UV-Licht sind die Tumorzellen auf einmal sichtbar. Die Vorteile liegen auf der Hand. "Wenn der Chirurg direkt bei der Operation jede Krebszelle sieht, steigt die Chance, dass der komplette Tumor und mögliche Metastasen komplett entfernt werden", erklärt Mittmann.
Doch - es kann gar nicht anders sein - auch hier steckt der Teufel im Detail. Wodurch sich erklärt, dass wahrscheinlich rund um den Globus an dem Thema gearbeitet wird, bis dato jedoch keine Forschungseinrichtung Erfolge melden konnte. Das Problem beginnt schon damit, die erforderlichen Kristalle zu bekommen. "Es gibt nur eine Handvoll Firmen, die in der Lage sind, diese Nano-Partikel herzustellen", erklärt die Humanbiologin. Allein drei Jahre hat es gedauert, bis sie in ihrem Labor Eiweißmoleküle selektiert hatte, deren Haftigkeit ausreichend groß war. In den USA will die 43-Jährige demnächst an Tieren testen lassen, was in Steinfurter Petrischalen längst funktioniert. Bei einem Erfolg könne sie "in zwei bis drei Jahren die Wirksamkeit meiner Methode in klinischen Tests unter Beweis stellen".
Spricht's und springt wieder zurück in die Gegenwart. Derzeit ist sie dabei, ihr Verfahren patentieren zu lassen - schließlich soll ihr niemand den Erfolg kurz vor dem Ziel noch wegschnappen.
Zum Thema: Biotech-Center
Das an der Fachhochschule Münster angesiedelte Euregio Biotech-Center versteht sich als Transfernetzwerk für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Niederlanden, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Durch den Transfer von Wissen und Technologie bieten sich den beteiligten Labors und Unternehmen für ihre Arbeit Möglichkeiten, die sie ansonsten nicht hätten. Erklärte Ziele des Euregio-Centers sind auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Sicherung von Resourcen und Marktanteilen innerhalb der Grenzregion.
Autor: Elmar Ries