Mit Musikintervention Demenzsymptome lindern
Promotionspreis der FH Münster geht an Nachwuchsprofessorin Dr. Elisabeth Ibenthal vom Fachbereich Physikingenieurwesen
Dr. Elisabeth Ibenthal wurde in diesem Jahr mit dem Promotionspreis der FH Münster ausgezeichnet. (Foto: FH Münster/Michelle Liedtke)
Münster/Steinfurt (11. Juli 2023). Demenzsymptome wie Schlafstörungen, Wahnvorstellungen, Depressionen oder aggressives Verhalten belasten Betroffene und Pflegekräfte. Erwiesenermaßen kann Musik hier positive Effekte haben. Dr. Elisabeth Ibenthal vom Fachbereich Physikingenieurwesen der FH Münster hat die Wirkung einer personalisierten Musikintervention mittels selbstentwickeltem Musiksystem in einer Feldstudie untersucht. Für ihre hervorragende Doktorarbeit verlieh ihr die Hochschule den Promotionspreis.
Vor ihrer Promotion hat Ibenthal den Master Biomedizinische Technik an der FH Münster absolviert. In ihrer Abschlussarbeit hat sie ein einfach zu bedienendes Musiksystem entwickelt, mit dem Demenzpatient*innen eigenständig ihre Lieblingsmusik hören können. Die Musikbox ist auf ihre wesentlichen Funktionen – Musik abspielen vom USB-Stick – beschränkt. In ihrer Promotion hat sie die Funktion und Wirkung dann in einer Feldstudie untersucht: Über einen Zeitraum von zwölf Wochen setzten die Pflegekräfte einer Demenzpflegeeinrichtung in Münster das Musiksystem bei 14 Patient*innen mit deren jeweiliger Lieblingsmusik bei allen Pflegetätigkeiten und zusätzlich bei Bedarf ein. „In bestimmten Abständen haben die Pflegekräfte die einzelnen Symptome der Betroffenen evaluiert und den Grad ihrer eigenen Belastung beschrieben. So konnten wir Rückschlüsse ziehen, ob eine Linderung der Symptome gleichzeitig zu einer psychischen und physischen Entlastung der Pflegekräfte führt“, erklärt Ibenthal.
Bei Schlafstörungen und Wahnvorstellungen ließen sich positive Veränderungen beobachten, die auch die Pflegekräfte entlasteten. Für sie habe sich die Anzahl der herausfordernden Situationen in der Studienlaufzeit verringert. Diese wurden zudem als weniger belastend wahrgenommen. Bei Depressionen und aggressivem Verhalten ließen sich nur bei einzelnen Patient*innen kleinere Effekte erkennen. „Die Musikintervention bietet keine Komplettlösung, die bei allen Betroffenen funktioniert. Schließlich ist jeder Mensch anders und nicht alle hören gerne Musik“, sagt Ibenthal. Ein anhaltender Erfolg: Aufgrund der positiven Ergebnisse nutzt die Pflegeeinrichtung das System bei den dafür empfänglichen Patient*innen nun weiterhin.
Es sei spannend, andere Arbeitsbereiche kennenzulernen und zu sehen, was andere Berufsgruppen leisten, so die promovierte Physikingenieurin. Doch auch Herausforderungen gab es einige: „Den ersten Teil meiner Studie konnte ich vor Beginn der Pandemie abschließen. Dafür habe ich eine Arbeitsanalyse der Hauptaufgaben der Pflegenden in drei Pflegeeinrichtungen durchgeführt“, erzählt die 29-Jährige. Dann sei es mit der Pandemie für Externe nicht mehr möglich gewesen, in die Pflegeeinrichtungen zu kommen. Als „eine wirklich hervorragende wissenschaftliche Arbeit“ lobt Prof. Dr. Claus Backhaus als Betreuer der Promotion Ibenthals Arbeit, „die als Feldstudie dazu noch in der schwierigen Zeit der Pandemie entstanden ist“.
Seit April ist Ibenthal Nachwuchsprofessorin an der FH Münster. Mit einer halben Stelle in Lehre und Forschung und einer weiteren halben Stelle in der Wirtschaft bei der Berliner Unternehmensberatung im Gesundheitswesen, der HCMB – Institute for Health Care Systems Management Berlin eG, erwirbt sie die Voraussetzungen einer FH-Professur. „Ich wollte schon immer in die Wissenschaft und bin sehr dankbar dafür, früh diesen Weg einschlagen zu können“, so Ibenthal. Auch bei der HCMB ist sie bei zwei großen Forschungsprojekten in Kooperation mit der Berliner Charité beteiligt.
Noch mehr zu den Ergebnissen und ihrem Vorgehen erzählt Ibenthal in einer Folge von „Kopfhörer - Der FHMS-Podcast“. Dieser ist unter fh.ms/PodcastIbenthal abrufbar und auf gängigen Podcast-Plattformen zu finden.
Zum Thema: Promotionen haben für die FH Münster einen wichtigen Stellenwert. Genau deshalb vergibt die Gesellschaft der Freunde der FH Münster e. V. (gdf) den Promotionspreis. Dieser ging 2023 an Dr. Elisabeth Ibenthal vom Fachbereich Physikingenieurwesen für ihre Promotion zum Thema „Arbeitswissenschaftliche Untersuchung eines Assistenzsystems in der stationären Pflege: Auswirkungen einer personalisierten Musikintervention auf Menschen mit Demenz und deren Pflegekräfte“. Diese und weitere Ehrungen sind im Jahresbericht ab Seite 38 abrufbar: fh.ms/jahresbericht-22.