Die größte Ausstellung über Bionik im deutschsprachigen Raum mit über 800 Exponaten im LWL-Museum für Naturkunde wurde am 30. Juni 2011 feierlich eröffnet. In der Ausstellung sind insgesamt über 20 Arbeiten von sieben Studierenden und neun Absolventen des Fachbereichs Design ausgestellt. Während die Teilnehmer des Seminars von Prof. Cordula Hesselbarth aus dem Wintersemester 2010/11 erstmalig illustrierte oder mediale Exponate entwickelt haben, konnten die Absolventen auf ihre Erfahrungen aus Studienprojekten für frühere Ausstellungen im Naturkundemuseum aufbauen und wurden für die aktuelle Ausstellung gezielt durch das Naturkundemuseum zur Vergabe von Einzelaufträgen angesprochen.

»Bereits seit 1997 arbeitet unser Museum eng mit Frau Hesselbarth, seit 2003 Professorin für Wissenschaftsillustration am Fachbereich Design, zusammen«, erklärt Museumsdirektor Dr. Alfred Hendricks und berichtet weiter: »In der Folgezeit konnten wir immer wieder auf die Hilfe von Prof. Hesselbarth zurückgreifen, z. B. bei Sonderausstellungen (Humanevolution) oder bei Illustrationen zur paläontologischen Bodendenkmalpflege (Südelefanten). Die Kooperationen haben sich zunehmend intensiviert.«
Die Exponate sind bis zum 17. Juni 2012 im LWL-Museum für Naturkunde, Sentruper Straße 285 in Münster zu sehen.



Jonathan Mache »Klimabionik am Beispiel des Eisbärenfells« (Illustration und Raumgestaltung)

Exponate zum Anfassen: Begreifen durch Berühren
Jonathan Mache hat sich die Aufgabe gestellt, am Beispiel des Eisbärenfells das Thema Klimabionik visuell, räumlich und haptisch erfahrbar zu machen. Der Produktdesigner entwickelte dazu eine komplette Gestaltung für einen Raumabschnitt der Ausstellung, bei der er gleichermaßen seine Qualitäten als Zeichner und Illustrator unter Beweis stellte. Die deckenhohe Wandkomposition führt das Auge des Betrachters virtuos von einer arktischen Naturszene in ein virtuelles Forschungslabor, in dem die klimawirksamen Eigenschaften des transparenten Fells und der schwarzen Haut des Eisbären untersucht und damit dem Betrachter anschaulich erläutert werden.
Blick in die Rauminszenierung von Jonathan Mache (Fotos: H. Dornhege)
Raumgreifende Stelen in einer eleganten Bogenkonstruktion dienen als Träger für Informationsgrafiken über die Anwendungsfelder im Textil- und Baubereich. Abgerundet wird das Lernerlebnis durch Fühl- und Taststationen, um die Wirkung der Wärmespeicherung eigenhändig zu erspüren, sowie zwei lebensgroßen Tierpräparaten von Eisbären.

David Weidemann »Im Insektengang« - die sechsbeinige Gangart in der Robotik

Figurenentwicklung: von der Zeichnung zum 3D-Modell von David Weidemann
Eine wichtige Erkenntnis bei der Programmierung von Roboterfortbewegung war es, das zentrale Computer-"Gehirn" auf dezentrale Steuerungselemente in den Gliedmaßen zu verlagern. Diese Kernaussage herauszuarbeiten und aus der komplizierten Sprache der Ingenieure in einen leicht verständlichen Kurzfilm zu übersetzen, ist die Leistung von David Weidemann. Ausgehend von technischen Beschreibungen, Formeln und Schaltplänen entwickelte der Designer eine ebenso unterhaltsame wie lehrreiche Animation, deren Protagonist, eine Stabheuschrecke, in die Rolle eines etwas betulichen Forschers schlüpft, um dem Zuschauer geduldig die Besonderheiten des Insektengangs zu erläutern, welcher als bionisches Vorbild für die Fortbewegung bei Robotern dient. Sein kleiner Kumpel, die hektische Kakerlake, demonstriert, dass der Insektengang auch bei hohen Geschwindigkeiten funktioniert. Die Prinzipien und Vorteile der sechsbeinigen Gangart werden in anschaulichen, klaren Visualisierungen überzeugend dargestellt. Hinter der scheinbaren Leichtigkeit der Vermittlung steht eine durchdachte Didaktisierung des komplexen Themas. Die aufwändige 3D-Animation überzeugt durch die prägnante Bildsprache, gut beobachtete Bewegungsabläufe und eine feine, humorvolle Herausarbeitung der Charaktertypen.

Tatjana Gartmann »Der Lotus-Effekt« (illustrierte Wandtafeln und Mitmach-Stationen)

Illustrationen und Konzept für Experimentierstationen über den Lotus-Effekt von Tatjana Gartmann (Fotos: H. Dornhege)
Lernen soll Spaß machen, deshalb hat Tatjana Gartmann neben großformatigen Wandtafeln vier kubenförmige Mitmach-Stationen in den Raum gestellt, anhand derer die Betrachter durch Berührung spielerisch begreifen können, was dem Auge verborgen bleibt: mikroskopisch feine Nanostrukturen auf der Oberfläche des Lotusblattes sorgen für die selbstreinigenden Eigenschaften, die sich der Mensch inzwischen auf Badezimmerkacheln, bei Autolacken oder in Fassadenfarben zunutze macht. Also nicht erwartungsgemäß Glattheit, sondern Rauheit ist für das Abperlen der Tropfen verantwortlich, diesen Sachverhalt veranschaulichen die großformatigen Illustrationen mit Darstellungen verschiedener Oberflächenstrukturen und Benetzungsarten. Die würfelförmigen Lernstationen wurden nach Entwürfen der Designerin in den Werkstätten des Museums gebaut.
Die Schautafeln und Illustrationen von Tatjana Gartmann im Detail

Ulla Mersmeyer »Vom Knochen zum Turm« (Animationsfilm)

Ein kurzweiliger Animationsfilm erklärt den Ausstellungs- besuchern am Beispiel des Eiffelturms, warum die luftige Knochenbälkchenstruktur des Oberschenkelknochens die Architekten und Bautechniker zu leichtgewichtigen Strebenkonstruktionen inspiriert hat. Ulla Mersmeyers launiger Erzählstil lässt den Betrachter mühelos Grundkenntnisse über Baugeschichte und Gesetze der Statik erlernen und gleichzeitig bei stimmungsvollen Musetteklängen in das Pariser Flair des 19. Jhdts. eintauchen. Der malerische Illustrationsstil in einer warmen Anmutung weckt Interesse und lädt ein, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen. Wesentlicher Teil der Entwicklungsarbeit war die kleinteilige Bearbeitung des Storyboards, die nach eingehenden Überlegungen und mehrfacher Umstellung der Reihenfolge zu einer zufrieden stellenden didaktischen Lösung führte.
Präsentation des Films von Ulla Mersmeyer in der Ausstellung (Foto: H. Dornhege)

Moritz Bludau »Nanobots« (Illustrationen, dreidimensionale Wandgestaltung)

Moritz Bludau gibt in einer eindrucksvollen Raum- Bildkonzeption einen Überblick über den Stand und die wissenschaftlichen Hintergründe der Nanotechnologie. In seiner klaren Reduktion des weiten Themenfeldes vermeidet er bewusst fiktive und spekulative Szenarien, die sonst häufig mit den Tatsachen vermischt werden. Entlang der dreidimensional in den Raum gestellten Tafeln wandert der Besucher durch die Maßstäbe, von der sichtbaren makroskopischen Größe bis in die Nanowelt. Jede der vier Stationen erklärt einen der Teilaspekte, die letztlich in die Konstruktion eines gedachten Nano-Roboters einfliessen: die Schwarmintelligenz bei Ameisen, das Antriebssystem bei Bakterien durch Flaggellen, das Verfahren von Viren zum Aufschliessen von Wirtszellen und schließlich der Atomaufbau und das Rastertunnelmikroskop, das ein Konstruieren mit Atomen erst möglich macht.
Visuelle Reise vom Meter über Millimeter und Mikrometer bis in die Nanowelt - von Moritz Bludau (Fotos: H. Dornhege)
So wird der Besucher schrittweise in die Nanowelt eingeführt und dabei gleichzeitig mit den Eigenschaften von Nanobots vertraut gemacht. Die visuelle Sprache ist streng auf Graustufen reduziert, die Darstellungen, die wie Produkte bildgebender Verfahren wirken, sind handgezeichnet und durch digitale Bildbearbeitung verfremdet. Ergänzt wird die Arbeit durch prägnante Piktogramme, die dem Betrachter Orientierung innerhalb der intelligent strukturierten Arbeit geben.
Illustrationen und Piktogramme von Moritz Bludau

Maren Hötten »Spinnenseide« in der bionischen Medizintechnik (Animationsfilm)

Faszinierend und erstaunlich fand Maren Hötten die Eigenschaften der dünnen gesponnenen Fäden: zehnmal dünner als Haar, zwanzigfach stärker als Stahl und elastischer als Gummi.

Deshalb wollte sie in einem Animationsfilm zeigen, welchen Nutzen die Anwendung dieses natürlichen Vorbildes dem Menschen insbesondere in der Medizin bieten kann. Sympathieträger ist eine kleine dicke Stubenfliege, die dem Zuschauer die e xtremen Eigenschaften des Materials demonstriert. In einer klaren, verständlichen Bildsprache zeigt Maren Hötten die Anwendung von Spinnenseide als chirurgisches Nähgarn, ein kurzer Ausflug ins Mittelalter überzeugt von der - damals schon erkannten - infektionshemmenden Eigenschaft des Naturfadens und ein Ausblick in die produktionstechnischen Möglichkeiten lässt durchblicken, dass es für Menschen gar nicht so einfach ist, Verfahren aus der Natur für Massenproduktion zu adaptieren.

Esther Gollan »Cochlea-Implantat - das bionische Ohr« (Animationsfilm und Schautafel)

Film und Schautafel von Esther Gollan im nachgebauten OP-Saal der Ausstellung (Foto: H. Dornhege)
Die Diplomarbeit von Esther Collan, entstanden im Sommersemester 2010, ist in der Ausstellung in den Kontext eines nachgebauten OP-Saals eingebunden, in dem bionische Medizinprodukte präsentiert werden. Anders als herkömmliche Hörgeräte, die lediglich wie Schallverstärker arbeiten, ersetzt das bionische Implantat die Funktion der Sinneszellen im Innenohr und hilft somit auch solchen Menschen, die vollständig taub sind, wieder an Kommunikation, sozialem Leben und Lernen teilzuhaben. Der Animationsfilm erläutert mit einer Reise ins Innenohr die Funktionsweise des Gehörs und zeigt, auf welche Weise und an welcher Stelle das Cochlea-Implantat wirksam wird. Als Ergänzung zu dem informativen und in ansprechenden, sensiblen Bildern gestalteten Animationsfilm gibt die Schautafel einen Überblick über die Geschichte der klassischen Hörgeräte.
Standbilder aus dem Animationsfilm »Cochlea-Implantat« von Esther Gollan

Kim Schneider »Der Hubschrauberflug« (illustrierte Erklärtafel)

Libellen ähneln Helikoptern in ihrem Aussehen, aber welche Flugeigenschaften die Ingenieure - angefangen bei Leonardo da Vinci - von den schillernden Flugakrobaten im Einzelnen in die technische Entwicklung von Hubschraubern haben einfließen lassen, ist weniger offensichtlich. Ihre wendigen Flugeigenschaften, wie aus dem Stand zu starten, seitwärts zu fliegen oder auf der Stelle zu drehen, verdanken Helikopter den Vorbildern Libelle und Ahornsamen. Kim Schneider hat diese Zusammenhänge akribisch recherchiert und erläutert sie dem Museumsbesucher in einer eigens gestalteten Übersichtstafel, die durch Drehen einzelner Bildteile aufschlussreiche Gegenüberstellungen von Natur und Technik ermöglicht.
Ergänzend kann man sich anhand einer Reihe historischer Fotografien von Hubschraubertypen ein Bild von der technischen Entwicklungsgeschichte verschaffen. Abgerundet wird die Gestaltung durch ein historisches Rotorblatt, eine Leihgabe des Hubschraubermuseums Bückeburg, welche die Designerin organisiert hat.

Markus Erdt »Flugpioniere« (8 illustrierte Stelen mit Infotafeln)

Mit acht großformatigen Wandtafeln in elegantem Hochformat - ein Semesterprojekt aus dem Wintersemester 2009/10 - stellt Markus Erdt die wichtigsten Meilensteine in der technischen Entwicklung des Fliegens dar. Angefangen bei Leonardo da Vinci nimmt der Designer die Museumsbesucher mit auf eine Reise durch die Technikgeschichte von Otto Lilienthal über die Gebrüder Wright bis hin zu modernen Errungenschaften wie Rückstromklappen oder Winglets. In malerischen Illustrationen, die ausnahmslos digital erzeugt wurden, erhalten die Betrachter Einblicke in die jeweiligen technischen Neuerungen und die entsprechenden bionischen Vorbilder. Tafeln mit erläuternden Detailgrafiken sind seitlich in den Stelen versenkt, die der Besucher bei Interesse herausziehen kann, um sich eingehender mit den technischen Hintergründen zu befassen.
Illustrierte Tafeln mit herausziehbaren Infografiken von Markus Erdt in der Ausstellung (Fotos: H. Dornhege)


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