Jedes analoge oder digitale Medium verfügt über die Eigenschaft der Kommunikation, d.h. es vermittelt über unterschiedliche technische Ebenen Informationen, egal ob auditiv, haptisch, taktil, visuell oder sogar olfaktorisch. Im besonderen Fall des Storytellings ist die vermittelnde Information jedoch immer erzählend, also narrativ und teilweise subjektiv eingefärbt, und vermittelt z.B. Mythen, Geschichten, Gerüchte, Ideologien, Verschwörungs-Narrative oder Handlungen, stellt Konflikte und Sozialmilieus dar, offenbart besondere Objekte und Gegenstände der Handlung, zeigt überraschende Wendepunkte, sorgt für Spannung, Emotionen sowie Affekte und führt strategisch in Richtung einer narrativen Zuspitzung, manchmal in Form einer Lösung oder Katastrophe.

 

Das MSD-Symposium nahm in diesem Jahr die besondere Kommunikationslogik und Ästhetisierung von Mythen, Ideologien und Verschwörungen in den Blick und widmete sich damit einer wissenschaftlichen Bild- und Medienkritik im postfaktischen Zeitalter. Gerade in den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Diskursen stellt sich heute vermehrt die Frage, wie Mythisches und Subjektiviertes durch inszenierte Geschichten und Kampagnen wirksam werden und wie man diese ästhetischen und gestalteten Strategien der Kommunikation entlarven oder auch pädagogisch ­- zur Aufklärung - nachvollziehbar aufbereiten kann. Die Beitragenden widmeten sich dem Problem der kontra-faktischen Inszenierung und es wurden Themen des Wahrnehmens und Dokumentierens erörtert, die globale Kunst wurde in den Blick genommen, Verschwörungsmythen, Gerüchte, Propaganda und Nachhaltigkeitserzählungen wurden präsentiert und über Serien und Filme kommend, blickten die Beitragenden auf Design und Kunst und tauchten ein in die Welten von Fotografie, Social Media und Magazin-Covern. Ein evidenter Querschnitt durch zentrale Felder und Medien des modernen Storytellings.

 

Eine Vielzahl dieser den gängigen Storytelling-Diskurs prägenden Aspekte wurden vom 23. Mai bis zum 25. Mai 2024 von Expert*innen verschiedenster akademischer Disziplinen auf dem MSD-Symposium am Fachbereich Design der FH Münster produktiv diskutiert. Das MSD-Symposium, welches mittlerweile die dreizehnte wissenschaftliche Konferenz der Forschungsgruppe Bewegtbild Kiel|Münster bildet, versammelte Expert*innen u.a. aus dem Bereich der Gestaltung von Comics, Kunstschaffende, Videogame-Forscher und Filmwissenschaftler, wie auch Medien-, Design-, Kultur- und Kunstwissenschaftler*innen sowie auch Wahrnehmungsforschende und Philosophen.

 

Dekan Prof. Dr. Lars C. Grabbe, Mitgründer und Leiter der Forschungsgruppe, begrüßte neben seinem Co-Host Prof. Dr. Christoph Wagner (Universität Regensburg) mehr als 240 Teilnehmende am Leonardo-Campus in Münster. Die Diskussionen, die geführt wurden, griffen dabei aktuelle Strömungen und Perspektiven der internationalen Storytelling-Forschung auf und führten diese produktiv mit den anregenden Diskussionen im Plenum zusammen. Als Ehrengast eröffnete der international renommierte Künstler Thomas Hirschhorn (Paris, New York) das MSD-Symposium mit einer künstlerischen Intervention und gleichzeitigen Einstimmung auf das Thema.

 

Was es überhaupt bedeutet, wenn man Analoges und Digitales künstlerisch auf dem Boden des "Fakes" zusammenführt, zeigte Hirschhorn zum Auftakt besonders anschaulich. Prof. Dr. Lars C. Grabbe setzte an modernen Strömungen der Dokumentartheorie an und diskutierte die ästhetische Form des scientific storytellings anhand eines Reality TV-Formats aus den USA. Prof. Christoph Wagner präsentierte neue Erkenntnisse der Kunsttheorie mit Blick auf die Möglichkeit zur Politisierung des Kunstdiskurses. Prof. Dr. Marcus Stiglegger erörterte die Mythentransformation der Neuen Rechten am Beispiel des Sparta-Mythos. Prof. Dr. Peter Schneemann zeigte besonders anschaulich, wie Gerüchte die Bildung eines Kunstwerks begleiten und Prof. Dr. Ralf Hohlfeld zeigte mit Blick auf den Journalismus die Wichtigkeit auf, zwischen Fakt und Fiktionen gesellschaftlich und intellektuell unterscheiden zu können. Dr. Martina Sauer zeichnete den Wandel des Frauenbildes in der Postmoderne nach, am Beispiel von Lady Gaga, und Natascha Kröcker präsentierte sie ihre Analysen der Darstellung von US-amerikanischen Präsidentengattinnen auf Magazin-Covern. Dr. Gerald Dagit konnte zeigen, wie nationale Gründungsmythen von Staaten oftmals auch in der aktuellen Kriegspropaganda reinszeniert werden und Dr. Elisabeth Sommerlad kennzeichnete den Paradies-Mythos von Mauritius als fiktives aber historisch evidentes Storytelling. Abschließend konnte dann Prof. Dr. Christiane Wagner über die Inszenierung der Nachhaltigkeit sprechen und zeigte ebenfalls einen Vergleich zwischen Europa und Südamerika auf.

 

Auch in diesem Jahr machten die Beitragenden schnell deutlich, dass die Beschäftigung mit transdisziplinärem Storytelling zukünftig einen wichtigen Stellenwert in der Gestaltungsforschung einnehmen wird, da sich entwickelnde Medien- und Digitalisierungsprozesse auch auf ideologische, mythologische und kontra-faktische Ästhetisierungen auswirken. "Wir werden selbstverständlich weiter intensiv in diesem Themenfeld arbeiten und die Storytelling-Forschung verstärkt an der MSD implementieren. Natürlich sind wir auch schon Mitten in den Planungen für das MSD-Symposium in 2025", so Prof. Dr. Lars C. Grabbe, "dazu werden wir auch den Tagungsband zum Nachlesen mit allen versammelten Beiträgen passend in 2025 veröffentlichen."

 

Das MSD-Symposium Storytelling/Transdisziplinär konnte erneut eine intellektuelle Tiefe erzielen, um aktuelle Ansätze, Medien, gesellschaftliche Diskurse und auch kritische Themen zu diskutieren und einzuordnen. "Die Expert*innen zeigten sich gewiss, dass mit der Storytelling-Forschung noch eine Menge Erkenntnisse für moderne ästhetische Forschung möglich sein wird", reflektierte Prof. Dr. Lars C. Grabbe, "und das MSD-Symposium wird hier einen produktiven Beitrag leisten können."

Fotos: Lisa Werner

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