Eine Dreiecksgeschichte unter Heranwachsenden, dazu noch ein Coming-Out und eine Zeit voller Höhen und Tiefen vor dem nahenden Abitur. Dass man mit Comics auch ernsthafte Stoffe verarbeiten kann, stellt Illustratorin Michèle Fischels in ihrem Debüt "Outline" unter Beweis. Der ehemaligen Designstudentin ist jüngst das gelungen, wovon viele Illustrator*innen träumen. Sie hat einen Verlag gefunden, um ihre Abschlussarbeit im Masterstudiengang Design zu veröffentlichen. Ihre Graphic Novel ist am 9. September 2024 bei Reprodukt erschienen, einem unabhängigen Comicverlag mit Sitz in Berlin.

"Ich glaube, es ist für viele, die irgendeine Art 'Produkt' gestalten, ein Traum, dieses auf den Markt bringen zu können", verrät Alumna Fischels. Zunächst wollte sie die Graphic Novel nur für ihren Abschluss zeichnen, doch als das Projekt Gestalt annahm, reifte der Gedanke in ihr, es auch einem Verlag vorzulegen. Die Illustratorin hatte damit die richtige Eingebung. Sie fuhr noch während ihres zweiten Mastersemesters auf die Frankfurter Buchmesse, um den Stand von Reprodukt zu besuchen. Der Verlag zeigte sich offen und bot ihr die Gelegenheit, ihre Arbeit direkt auf der Messe vorzustellen. Der Rest ist Geschichte.

Was das Buch, das in seiner Entstehung an der MSD von den Professoren Felix Scheinberger und Henning Tietz begleitet wurde, so besonders macht? Dass Michèle Fischels hauptsächlich grafisch erzählt. Sie verzichtet bewusst auf eine Erzählstimme und nutzt nur vereinzelt die Figurenrede. Seitenlang kommt sie ohne Text aus. Dennoch taucht man tief in die Gefühlswelten der scharf umrissenen Hauptfiguren ein. Die Geschichte der Heranwachsenden mit ihren Zukunftsängsten kurz vor dem Abitur ist voll aus dem Leben, auch wenn die Autorin autobiografische Züge von sich weist. Was die im Buch erzählten schulischen Abläufe betrifft, konnte die Illustratorin zwar aus ihrer Erinnerung schöpfen, alles Weitere ist jedoch frei erfunden.

Michèle Fischels legte ihren Fokus schon früh auf die Buchillustration. (Foto: Michèle Fischels)

Fischels wusste schon früh, dass sie das Zeichnen zum Beruf machen wollte. "Ich hatte mich überhaupt erst deshalb an der MSD beworben, weil dort explizit Illustration als Schwerpunkt angeboten wurde und ich das unbedingt vertiefen wollte", berichtet die ehemalige Designstudentin, deren primärer Fokus schon lange auf der Buchillustration liegt.

Mit ihrer Masterarbeit "Outline" traf Fischels bei Reprodukt voll ins Schwarze. Chef-Lektor Michael Groenewald erinnert sich, dass die Graphic Novel dem Verlag "nahezu perfekt" vorgelegt wurde. Er ist davon überzeugt, dass die Illustratorin eine wichtige Stimme im deutschen Comic werden wird. "Ich habe bereits bei der oberflächlichen Sichtung ihrer Arbeit im Rahmen unseres Messegesprächs gesehen, dass Michèle eine tolle, eigenständige und in ihrem Stil ausgereifte Zeichnerin ist", schwärmt er und fügt hinzu: "Ein spannender und seltener Glücksmoment in meinem Job".

Schon vor der eigentlichen Buchveröffentlichung wurde Fischels für ihr Debüt mit Lob überschüttet. Unter anderem von Redakteur Christian Staats von der Wochenzeitung Die ZEIT. Er schreibt, dass es der Illustratorin gelungen sei, "so mitreißend, so hinreißend und unbefangen" zu erzählen, "als hätte es noch niemand vor ihr getan". Auch Andreas Platthaus, Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, ist voll des Lobes und der Meinung, dass Fischels "eine der ganz großen Hoffnungen des deutschen Comics ist".

Neben den vielen positiven Pressestimmen darf Fischels sich auch über eine erste Auszeichnung freuen. So geht der Luchs-Preis für Kinder- und Jugendliteratur, ein undotierter Preis, der zwölfmal im Jahr von der Wochenzeitung Die ZEIT und Radio Bremen vergeben wird, im September an sie.

Reprodukt würde sich freuen, noch weitere Projekte mit Fischels in Angriff zu nehmen. "Wir sind schon lose im Gespräch - und werden die Gespräche sicherlich bald intensivieren", verrät Groenewald. Zunächst konzentriere man sich aber darauf, gemeinsam "Outline" in die Welt zu tragen. Der Verlag wünscht Fischels dafür viele schöne Momente - auch als Belohnung für die lange Arbeit am Buch.

Infos zum Buch:

Michèle Fischels Graphic Novel "Outline" ist am 9. September 2024 im Reprodukt Verlag erschienen. Das Buch umfasst 208 Seiten, kostet 24 Euro und wird für Jugendliche ab 16 Jahren empfohlen.

Comic verlegen, aber wie? Kurzinterview mit Chef-Lektor Michael Groenewald vom Reprodukt Verlag

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Herr Groenewald, sind Sie als Verlag kontinuierlich auf der Suche nach neuen Autor*innen und Comics?

"Selbstverständlich, schließlich lebt ein Verlag von Autor*innen und Büchern. Reprodukt war es schon immer ein Anliegen, gerade auch mit heimischen Autor*innen zu arbeiten, sie auf ihrem Weg zum Buch zu begleiten und zu veröffentlichen."

Was müssen Autor*innen unternehmen, um Comicprojekte bei Ihnen einzureichen?

"Wichtig ist, dass angehende Autor*innen sich mit dem Reprodukt-Programm auseinandersetzen und realistisch einzuschätzen versuchen, ob ihr Projekt zum Verlag passt. Es gibt tolle Comics, die bei uns aber nicht passen - sei es aus stilistischen oder aus inhaltlichen Gründen. Grundsätzlich sind wir auf der Suche nach Projekten, die persönlich motiviert sind. Auch wenn es keine autobiografischen Geschichten sind, müssen für uns die Persönlichkeit und die Motivation der Autor*innen spürbar sein - erzählerisch wie zeichnerisch. Da wir uns als Autor*innenverlag verstehen, möchten wir in der Regel gern längerfristig mit Autor*innen zusammenarbeiten, suchen also bevorzugt Menschen, für die Comic nicht ein einmaliger Ausflug ist." 

Wie hoch ist die Nachfrage nach Comics?

"Der deutsche Comicmarkt ist so vielfältig wie noch nie. Und die Wahrnehmung für deutsche Autor*innen z.B. seitens der Medien und des Kulturbetriebs ist gestiegen - auch die Aufmerksamkeit ausländischer Verlage für deutsche Comics. Dies darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Comic in Deutschland - abseits der Manga - in den allermeisten Fällen weiterhin in eher überschaubaren Auflagen verkauft wird. Autor*innen sollten sich also bewusst für diese Erzählform entscheiden und Comics machen wollen, viel Geld winkt in der Regel leider nicht."

Haben Coming-Of-Age-Geschichten wie "Outline" eine gute Chance auf dem Markt? 

"Das hängt von ihrer Qualität ab. In Deutschland steigt das Interesse an einem Comic erfahrungsgemäß mit einem gut greifbaren Thema (historische, politische, biografische Stoffe). Es ist herausfordernder, einen Comic über seine literarische oder zeichnerische Qualität unter die Leute zu bringen. Coming of Age ist dennoch ein beliebtes Genre - hier sind es die Herangehensweise und Originalität, die stimmen müssen. Nicht allein, um Kritiker*innen und Buchhändler*innen zu überzeugen, sondern vor allem auch, um den Nerv der (jungen) Leser*innenschaft zu treffen. Bei Michèle sind wir sehr zuversichtlich, dass sie alle Gruppen für sich gewinnen wird." 

Wie viele Bücher veröffentlicht Ihr Verlag durchschnittlich pro Jahr?

"Zuletzt um die 40 Bücher."

Sind noch weitere gemeinsame Projekte mit Michèle Fischels in Planung?

"Wir würden uns sehr freuen, weitere Projekte mit Michèle in Angriff zu nehmen. Wir sind schon lose im Gespräch - und werden die Gespräche sicherlich bald intensivieren. Jetzt steht aber erst einmal an, gemeinsam mit Michèle Outline in die Welt zu tragen. Wir wünschen Michèle viel Interesse und viele schöne Momente, auch als Belohnung für die lange Arbeit am Buch."



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