Begrüßung zur vierten Auflage der FURE durch die Veranstalter und Moderatoren Prof. Rüdiger Quass von Deyen und Patrick Marc Sommer sowie durch Co-Moderator Prof. Dr. Ralf Beuker
„Jeder Entwurf sollte eine Haptik-Explosion sein, das ist meine Vision. Die Verlagerung auf das Digitale macht das Analaloge am Ende nur noch aufregender.“ Sabine Reister, Content- und Eventmanagerin bei der IGEPA group in Hamburg
„In der Zukunft wird es unterschiedlichste Leseökologien geben, bei denen je nach Bedarf und Nutzwert über verschiedenste Lesemedien Texte rezipiert werden. Ob von Papier, interaktiv, dem Notizblock oder Virtual Reality, überall wird Text evident in Erscheinung treten.“ Lars C. Grabbe, Dr. phil., Professor für Theorie der Wahrnehmung, Kommunikation und Medien sowie Dekan an der MSD
„Literatur auf Insta: Geht das? Ja! Alle dürfen alles schreiben, aber die Geschichte muss exakt 1000 Zeichen umfassen.“ Johannes Erler, Designer, Art Director und Autor, schreibt und gestaltet für das Literaturprojekt 1000 Zeichen
„Es ist eine Verpflichtung, die Gesellschaft so auszustatten, dass sie mit allen Medien in Kontakt treten kann und in Kontakt bleibt. Wir sind Vorbilder für das Leseverhalten der Kinder und sollten ihnen vorlesen.“ Andreas Plettner, Marketingleiter beim Medienschiff BRuno in Hamburg
„Der Magazinmarkt kämpft mit stark sinkenden Auflagenzahlen.“ Pascal Reckel, Leiter Marketing und Kommunikation bei WMK Trading; Konstantin Schulze, Art Director bei der KD1 Designagentur in Köln; Adrian Szymanski, UX Designer bei der shopware AG
„Nachhaltigkeitsaspekte werden auch in der Buchbranche immer wichtiger. So produzieren wir Bücher ohne Umschlag-Cellophanierung und verzichten auch auf das Einschweißen in Folie.“ Verena Gerlach, selbstständige Grafik-, und Schriftdesignerin und Buchgestalterin
„Es gibt Bücher, die die Welt verändert haben (...) TOC folgt dem Wunsch, Bücher so gut wie möglich zu machen. Mit Hingabe.“ Birgit Schmitz, gründete mit Erik Spiekermann und Susanna Dulkinys den Letterpress Verlag TOC
„‚Efi‘ soll eine vereinfachte Lernschrift für Kinder und Erwachsene werden. Im Gegensatz zu einigen anderen Schriften ist sie vom Schriftbild her intuitiver und näher dran am eigentlichen Schreiben.“ Marleen Krallmann, selbstständige Kalligrafin, Mitglied in der internationalen Arbeitsgemeinschaft ‚Typografie in der Wissensvermittlung‘ sowie im Fachbeirat zur Erarbeitung eines eu-Schul-Fonts
„Informationen in Schulbüchern sollten zweifelsfrei zu verstehen sein, daher sollten Lernmaterialien vor allem übersichtlich sein.“ Imke Mühlenfeld, tätig in der Ausstellungsgestaltung, arbeitet in der Entwicklung und Umsetzung von grafischen Lösungen in der Wissensvermittlung im Kultur- und Museumsbereich
„Den New Yorker habe ich seit über 30 Jahren abonniert. Er ist für mich das beste Wochenmagazin der Welt, weil er journalistisch großartig ist.“ Andreas Wrede, Journalist, Dozent an der Hamburger Media School und dort Mitarbeiter am InnoLab, seit 2020 erneut Chefredakteur der Neuauflage des Magazins ‚Max‘
„25 Prozent der Print-Abo-Leser werden in den nächsten Jahren versterben. Dadurch müssen viele Printprodukte langefristig digital werden.“ Kristina Hoppe, Leiterin Unternehmenskommunikation bei NOZ/mh:n MEDIEN
„Man kann sich nichts voneinander abschauen, sondern nur voneinander lernen.“ Sandra Hartung, Product Designerin UX/UI für die Süddeutsche Zeitung; „Digitale Inhalte müssen auch visuell opulent erzählt werden. Die Zukunft ist ‚mobile‘.“ Felix Hunger, Artdirector & Editorial Designer am Visual Desk der Süddeutschen Zeitung
„Die klassische linerare Kommunikation ist Vergangenheit. Jeder ist Sender und Empfänger zugleich“. Veranstalter Prof. Rüdiger Quass von Deyen, arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Gestalter, Unternehmer, Herausgeber sowie Jurymitglied unterschiedlicher Awards und schließlich als Hochschullehrender an der MSD und Dozent
"Die Zukunft gehört definitiv einer Mischung aus unterschiedlichen Medien. Während digitale Medien ihre Vorteile haben, sollte man bedenken, dass »Digitales« nicht immer die umweltfreundlichere Option ist." Veranstalter Patrick Marc Sommer, Gestalter mit 15-jähriger Erfahrung im Bereich Typografie und Gründer von Typoint, einem Atelier für Gestaltung und Typografie mit Prof. Dr. Ralf Beuker
Wir lesen überall: in der Bahn, im Urlaub, vor dem Einschlafen, im Gehen und sogar im Stehen. Doch sind es heute weniger die großformatigen Druckerzeugnisse, die wir ausladend und laut raschelnd aufschlagen, um uns zu informieren. Die Medien des 21. Jahrhunderts sind handlicher geworden. So stehen das Nordische und Berliner Format dem Smartphone und Tablet gegenüber, und der E-Reader ist das Bücherregal für unterwegs.
Die digitalen Angebote nehmen immer mehr Einfluss auf die Art, wie wir lesen und das Gelesene verarbeiten. Sie bieten uns die Möglichkeit, schnell Verwertbares zu konsumieren. Stellt sich die Frage: Wie verändert sich unser Leseverhalten im digitalen Zeitalter, und wie entwickelt sich unsere Medienlandschaft in den nächsten Jahren und Jahrzenten weiter? Kurz: Hat Print eine Zukunft oder "verdummen" unsere Nachkommen, weil sie sich nicht mehr die Zeit nehmen, vertiefend auch Gedrucktes in Ruhe zu lesen?
Diese und andere Fragen diskutierten am 17. März 2023 Expertinnen und Experten verschiedener Branchen aus den Bereichen Gestaltung und Wissenschaft auf der FURE am Fachbereich Design der FH Münster. Die Konferenz, die sich mittlerweile in vierter Runde der Zukunft des Lesens verschrieben hat, schaffte dabei wieder viel Raum für Statements, Visionen und Positionen von Designer*innen aus den Bereichen Magazin, Zeitung und Buch sowie dem Designnachwuchs der Hochschule. Prof. Rüdiger Quass von Deyen, Leiter des Kompetenzzentrums Neudenken.Now an der MSD und Patrick Marc Sommer, Gründer von Typoint sowie Mitherausgeber und Redakteur des Magazins Design made in Germany, hießen 250 Gäste am Leonardo-Campus willkommen. Die Berufsfelder der vortragenden Expert*innen waren dabei so vielschichtig wie das Thema der Konferenz an sich.
Die Frage, wie es um die Zukunft des Lesens bestellt ist, erschien deshalb umso spannender. Analog oder digital? Deep Reading oder Shallow Reading? Prof. Dr. Lars Christian Grabbe, Professor für Theorie der Wahrnehmung, Kommunikation und Medien sowie Dekan an der MSD, steuerte auf der Konferenz die wissenschaftliche Perspektive bei. Er zeigte Ansätze auf, die sich wahrnehmungstechnisch mit dem Lesen auseinandersetzen und lieferte dazu fundierte Studienergebnisse, u.a. jene der Stavanger Erklärung, einer Metaanalyse zur Entwicklung des Lesens. Sie gibt Hinweise, dass Leser*innen jüngeren Alters Informationstexte auf Papier und unter Zeitvorgabe besser verstehen als auf dem Bildschirm, wohingegen dieser Unterschied bei narrativen Texten nicht messbar ist. Aus dieser Erkenntnis ergeben sich Empfehlungen vor allem für die Schulen: sie sollten das Lesen dem Lesealter anpassen und die jeweiligen Vorteile von Print- und Digitalmedien ausgewogen und lernbedarfsabhängig einsetzen. Bleibt am Ende die Frage nach den eigenen Lesegewohnheiten. Darüber musste Grabbe nicht lange nachdenken, seine Antwort: "Ich lese 80 Prozent digital vom Tablet, 20 Prozent analog im Medium Buch."
Mit Schule und Lehr- und Lernmaterialien befasst sich auch Imke Mühlenfeld, die ihr Studium an der MSD mit ihrer Bachelorarbeit zum Thema "Theorie in der Wissensvermittlung" im Jahr 2021 abschloss. Ihr Interesse für die Thematik wurde durch die Arbeit am Institut der didaktischen Physik und durch die Zusammenarbeit mit Rosalie Heinen zu ihrem Herzensthema. Auf die Frage, wie ihr perfektes Schulbuch der Zukunft aussehen könnte, hatte die Absolventin eine sehr treffende Antwort: "Übersichtlich". Wie diese Übersichtlichkeit gestalterisch gelingen kann, zeigte Imke Mühlenfeld während ihres Vortrags anhand aussagekräftiger Layouts.
Die Vorträge der Sprecher*innen ließen schon früh erahnen, dass es aktuell keine eindeutige Antwort auf die Entwicklung der Print- und Digitalmedien geben kann. Denn entgegen dem Trend, dass die Auflagenzahlen der Printmedien seit Jahren kontinuierlich sinken, gelang dem Kultmagazin Max mit seinem Chefredakteur Andreas Wrede ein erfolgreicher Restart. Für das Gedruckte sprach sich auch Birgit Schmitz aus, die mit ihrer Verlagsgründung im 21. Jahrhundert dem Buchdruck im Allgemeinen und der Letterpress im Besonderen huldigt. Eine Lanze für erfolgreiche digitale Angebote brachen dagegen Sandra Hartung und Felix Hunger von der Süddeutschen Zeitung sowie Johannes Erler mit seinem Literaturprojekt 1000 Zeichen auf Instagram. Bei den von ihnen vorgestellten Angeboten wurde schnell klar: Es gibt bereits Online-Formate, die die Möglichkeiten des Digitalen klug ausschöpfen - teilweise sogar eine komplette Verwertungskette bis zum Print anlegen - und damit einen vagen Blick in die Zukunft des Lesens erlauben.
Daraus ist abzulesen: Print und Online werden ihre Potenziale zukünftig noch stärker identifizieren und ausbauen müssen, um ihren Nutzer*innen und mitunter auch dem Bildungsauftrag der Schulen gerecht zu werden. Auch wenn über die Zukunft des Lesens hauptsächlich spekuliert werden konnte, lieferte die Konferenz spannende Einblicke in die Design- und Medienlandschaft und ihre Entwicklungschancen.
Fotos: Martin Rupik