Opferschutz und Opferbedürfnisse nach Straftaten sexueller Gewalt
Seit 20.04.2018 forscht die Kriminalistisch-Kriminologischen Forschungsstelle (KKF) des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) in einem Projekt mit dem Titel „Sexuelle Gewalt gegen Frauen“. Das Projekt beschäftigt sich mit Fällen sexueller Gewalt gegen Mädchen und Frauen durch männliche Einzeltäter und Gruppen, bei denen zum Tatzeitpunkt keine Vorbeziehung zwischen Täter und Opfer bestand. Im Fokus stehen dabei Fälle sexueller Nötigung und Vergewaltigung gemäß § 177 StGB. Darüber hinaus werden im Rahmen des Projek-tes aber auch weitere Sexualdelikte sowie weitere Opfer- und Tätergruppen berücksichtigt.
Das Thema sexuelle Gewalt gegen Frauen erfährt bereits seit über 50 Jahren zunehmend öffentliche Aufmerksamkeit. Dies zeigt aktuell zum Beispiel die Debatte um sexuelle Belästi-gungen und sexuelle Übergriffe zum Nachteil von Frauen („MeToo“). In Deutschland erhielt die Thematik in der jüngs-ten Zeit besondere Beachtung durch die sexuellen Übergriffe auf Frauen durch Gruppen junger Männer in der Silvester-nacht 2015/2016 unter anderem in Köln oder die Vergewalti-gungen von Mädchen im Ruhrgebiet durch eine Gruppe jun-ger Männer, die unter anderem über soziale Netzwerke Kon-takt zu den Mädchen aufgenommen haben. Erhöhte öffentli-che Beachtung erfahren außerdem immer wieder besonders schwere Sexualstraftaten durch Einzeltäter, wie beispiels-weise die überfallartige Vergewaltigung einer Seniorin in Düsseldorf im Oktober 2016.
Sexualstraftaten wie diese beeinträchtigen das Sicherheits-gefühl der Bürgerinnen und Bürger in besonderem Maße – deutlich stärker beispielsweise als Häusliche Gewalt, die Dunkelfeldstudien zufolge allerdings verbreiteter ist (Müller & Schröttle 2004: 78). Tatorte oder damit vergleichbare Örtlich-keiten werden in Folge einer Tat von Unsicherheitsgefühlen begleitet aufgesucht oder ganz gemieden. Daneben sind die Folgen für die Opfer gravierend. Neben den physischen Ver-letzungen, in seltenen Fällen bis hin zur Tötung des Opfers, kommt es oftmals zu (langfristigen) Beeinträchtigungen der psychischen Integrität.
Forschungsziele
Übergeordnetes Ziel des Projektes ist die Optimierung der polizeilichen Ermittlungen und Fahndungsmaßnahmen, der Kriminalprävention sowie des Opferschutzes. Auf Grundlage der in Kapitel 1.2 ausgeführten Darlegungen begründen sich folgende sechs Teilziele:
Ziel 1: Die Kriminalitätslage und -entwicklung des For-schungsgegenstandes sowie weiterer ausgewählter Straftaten ist – auch vor dem Hintergrund der Geset-zesänderungen im Jahr 2016 – beschrieben.
Ziel 2: Opfer-, Tat- und Tätermerkmale sowie Zusammen-hänge und Wirkmechanismen zwischen diesen Merk-malen sind analysiert.
Ziel 3: Die polizeiliche Sachbearbeitung bei Sexualstraftaten gegen Frauen ist analysiert.
Ziel 4: Die Genauigkeit von Opferaussagen bei Sexualstraf-taten ist analysiert.
Ziel 5: Opferschutzmaßnahmen sowie Opferbedürfnisse im Strafverfahren sind analysiert.
Ziel 6: Die differentielle Aussagekraft und Qualität der vor-handenen polizeilichen Datenbestände zu Sexual-straftaten gegen Frauen ist überprüft.
Das Projekt ist modular aufgebaut. Durch einen solchen Aufbau kann die Arbeit auf die Pro-jektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter gemäß den vorhandenen Kenntnissen und Forschungsinteressen aufgeteilt werden. Die Untersuchung ist in drei Module aufgeteilt:
1. Kriminalitätslage und -entwicklung
2. Opfer, Täter und Taten
3. Strafverfolgung
Dabei werden die meisten Module von der Forschungsstelle des LKA umgesetzt, lediglich die Erhebungen und Auswertungen im Teilmodul "Opferschutz und Opferbedürfnisse werden durch die Fachhochschule Münster durchgeführt.
Dieses Teilmodul bezieht sich auf das fünfte Ziel des Projektes. Es wird der Frage nachgegangen, inwieweit Opferrechte und Opferschutzmaßnahmen (z.B. anonyme Spurensicherung) im Kontext der Strafverfolgung berücksichtigt werden und inwieweit es in den Ermittlungs- und Strafverfahren zu sekundären Viktimisierungen kommt. Unter anderem wird hier das Spannungsfeld polizeilichen Handelns im Umgang mit dem Opfer thematisiert. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass Details zum Tathergang einerseits von essentieller Bedeutung für polizeiliche Ermittlungen sind, dadurch andererseits aber auch die Gefahr der sekundären Viktimisierung des Opfers besteht. Ergänzend wird geklärt, wie Opferschutzmaßnahmen von den Opfern bewertet werden und welche Bedürfnisse und Wünsche die Opfer mit dem Ermittlungs- und Strafverfahren verbinden.
Im Rahmen der Studie werden Opfer von Sexualdelikten mittels qualitativer Interviews befragt. Hinsichtlich der Opferinterviews ist das LKA eine Kooperation mit der Fachhochschule Münster eingegangen. Prof. Dr. Ruth Linssen und Prof. Dr. Kerstin Feldhoff vom Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Münster übernehmen diesen Teil der Studie.
Der Bericht mit den Ergebnissen zu allen Teilmodulen wird Anfang 2022 vorgelegt.
Projektleitung
Prof. Dr. Ruth Linssen M.A.
Fachbereich Sozialwesen
Friesenring 32
48147 Münster
Tel: 0251 83-65819
Fax: 0251 83-65702
linssenfh-muensterde
Prof. Dr. Kerstin Feldhoff
Projektzeitraum
Kooperationspartner
- KKF im Landeskriminalamt NRW
Finanzierung
- Landeskriminalamt/Ministerium des Inneren Nordrhein Westfalen