Studierende arbeiten in einem Seminar.

Ideen begreifen und eine Sprache finden: Hendrik Otremba unterrichtet kreatives Schreiben

Elektronische, atmosphärische Musik ertönt im Seminarraum. Mehr als 20 Studierende haben ihre Köpfe konzentriert gesenkt und schreiben. Auf Papier, aufs Tablet, ins Notizbuch oder in den Laptop. Vorn sitzt Hendrik Otremba und bringt ihnen genau das bei: kreativ zu schreiben.

Ideen begreifen und eine Sprache finden: Hendrik Otremba unterrichtet kreatives Schreiben

Elektronische, atmosphärische Musik ertönt im Seminarraum. Mehr als 20 Studierende haben ihre Köpfe konzentriert gesenkt und schreiben. Auf Papier, aufs Tablet, ins Notizbuch oder in den Laptop. Vorn sitzt Hendrik Otremba und bringt ihnen genau das bei: kreativ zu schreiben.

Die Übung, die die Studierenden an der Münster School of Design (MSD) gerade durchführen, stammt aus dem Surrealismus: die écriture automatique, das sogenannte automatische Schreiben. „Es ist ein Schreibansatz, der letztlich versucht, zu einer ganz neuen subjektiven Wirklichkeitswahrnehmung zu kommen“, erklärt Hendrik. „Das klingt komplex, ist aber ganz einfach: Man schreibt ohne Ziel, ohne Druck und ohne Zensur einfach in zehn Minuten das auf, was einem in den Sinn kommt.“ Die Musik im Hintergrund soll für die passende Stimmung sorgen. „Sie hat natürlich gewisses Manipulationspotenzial: Wenn ich schnelle Musik spiele, schreiben die Studierenden schnell, bei ruhiger Musik werden sie eher langsamer und gar melancholisch.“ Die Aufgabe der Studierenden lautet heute, in Gedanken einen Raum zu betreten, egal ob real oder fiktional, ihn zu visualisieren und zu beschreiben, was darin geschieht. „Hört sich zunächst esoterisch an“, gibt Hendrik zu. „Aber das ist es nicht. Es geht um Wahrnehmung und darum, eine Sprache zu finden, um die Gedanken zu begreifen. Wir sitzen im Seminarraum, sind aber alle eigentlich ganz woanders, jedoch zusammen im selben Modus.“

Ein Dozent gibt ein Seminar.
Hendrik Otremba unterrichtet kreatives Schreiben an der Münster School of Design (MSD). (Foto: FH Münster/Frederik Tebbe)

Gemeinsam mit Sebastian Berlich unterrichtet Hendrik kreatives Schreiben am Fachbereich Design unserer Hochschule, um den Studierenden neben der Ausbildung ihrer gestalterischen Fähigkeiten auch Handwerkszeug für die Texterstellung mit auf den Weg zu geben. „Ich glaube, gerade in kreativen Studiengängen ist das Schreiben ein ganz essenzielles und notwendiges Werkzeug, um Ideen greifen zu können.“ Wer Design an unserer Hochschule studiert, besucht im ersten Semester verpflichtend eine entsprechende Vorlesung samt Seminar. „Wir erkunden und erproben darin vor allem Textgattungen, die Design-relevant sind. Dazu zählen etwa auch Werbesprache, Selbstdarstellungstexte oder Themenkomplexe wie das wissenschaftliche Arbeiten – alles, was während des Studiums und später im Beruf nützlich sein wird.“ Wer das Gelernte im Anschluss vertiefen möchte, bekommt im Seminar „Erzähl!“, das Hendrik heute gibt, weitere Gelegenheit.

Studierende arbeiten in einem Seminar.
Wer Design an unserer Hochschule studiert, besucht im ersten Semester verpflichtend eine entsprechende Vorlesung samt Seminar. Die Vertiefung ist anschließend freiwillig. (Foto: FH Münster/Frederik Tebbe)

Die zehn Minuten der écriture automatique sind inzwischen vorüber. Die Studierenden sprechen mit Hendrik über ihre Schreiberfahrung und geben zum Teil sehr persönliche Einblicke in ihre Gedanken, die sie nun zu Papier gebracht haben. „An dem Wahlseminar nehmen viele Studierende teil, die das Erzählerische für ihre Arbeit nutzen wollen, etwa in der Illustration oder Animation“, erklärt der Dozent. „Wir befassen uns mit theoretischen Grundlagen, aber letztlich ist es learning by doing. Wir schreiben und reden ganz viel über das, was dabei entsteht.“ Dazu sei durchaus ein gewisses Vertrauen notwendig, das im Seminar aber stets gegeben ist: „Ich lege viel Wert darauf, dass die Studierenden das Grundgefühl bekommen, im Austausch nichts Falsches sagen können. Dass alle Gedanken ernstgenommen werden. Es geht darum, gemeinsam weiterzukommen, Erfahrungen geordnet zu reflektieren und Impulse aufzunehmen.“

Ein Dozent gibt ein Seminar.
Erst schreiben, dann darüber sprechen: Im „Erzähl“-Seminar herrscht Austausch auf Augenhöhe. (Foto: FH Münster/Frederik Tebbe)

Die nötige Praxiserfahrung, um das Schreiben zu lehren, bringt Hendrik derweil in gleich vielfältiger Weise mit. Seit 2010 ist er als Sänger der Post-Punk-Band Messer für deren Songtexte zuständig. Die fünf Alben, die bisher entstanden sind, werden regelmäßig im deutschen Feuilleton und in der Musikpresse besprochen. 2023 veröffentlichte er mit „Riskantes Manöver“ sein erstes Soloalbum. 2017 erschien mit „Über uns der Schaum“ zudem sein erster Roman, dem bis heute zwei weitere und ein Gedichtband gefolgt sind. Darüber hinaus war Hendrik zeitweise als Musikjournalist unter anderem für Spex, Jungle World und auch Spiegel Online tätig. Gestalterische Erfahrung bringt er als bildender Künstler außerdem auch mit an die MSD. „Es gefällt mir sehr gut, dass ich beides machen kann – selbst künstlerisch etwas zu erschaffen und hier an der Hochschule zu unterrichten“, sagt Hendrik. „Natürlich berührt sich beides in gewisser Weise. Aber hier bekomme ich sehr intensive Reaktionen auf den Unterricht und merke, wie die Arbeit ganz konkret Früchte trägt, wenn die Studierenden ihre Texte fertigstellen – der Sinn meiner Arbeit ist also erkennbarer.“

Ein Mann gibt ein Konzert.
Neben seiner Arbeit als Dozent ist Hendrik Otremba selbst künstlerisch als Autor, Musiker und bildender Künstler tätig. Hier im Zuge der Münsteraner Poetikdozentur bei einem Auftritt auf der Studiobühne in Münster im Januar 2024. (Foto: FH Münster/Frederik Tebbe)

Im Vertiefungsseminar schreiben die Studierenden als Abschlussarbeit eine eigene Erzählung, die ebenfalls gemeinsam gelesen und besprochen wird. Je nach Kohorte können diese abschließend auch in einem Reader oder selbstgestalteten Fanzine erscheinen. „Ich animiere die Studierenden, bei denen ich Talent bemerke, dazu, ihre Texte zum Beispiel bei Kurzgeschichtenwettbewerben einzureichen. Manche von ihnen haben auch die Ambition, an Romanen zu arbeiten.“

Von Frederik Tebbe


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