Diplomstudiengang Pflegemanagement: Startschuss vor 27 Jahren
Am 10. Oktober 1994 saßen 30 Studierende erwartungsvoll in zwei verschiedenen Seminarräumen in der Hüfferstiftung, um ihr Studium im Modellstudiengang Pflegemanagement zu beginnen, der von der Bund-Länder-Kommission (BLK) gefördert wurde.Sie hatten lange auf das erste Studienangebot gewartet und waren nun aus einem großen Bewerberfeld handverlesen, weil 20 von ihnen über eine Einstufungsprüfung zugelassen wurden und nur zehn mit Abitur entsprechend der Bildungsstruktur im Berufsfeld. Die drei neuen Professuren waren noch nicht besetzt, die Anfrage war groß – rund 1.000 bekundeten ihr Interesse –, der Vorlauf umfangreich – alle Interessierten wurden befragt, es gab ein Antragsverfahren für die Studienbewerber*innen und Diskussionen im wissenschaftlichen Beirat. Der Studienplan war ehrgeizig mit acht Semestern und integriertem Praxissemester, die Aufbruchsstimmung groß. „Ich war genauso aufgeregt wie die neuen Studierenden, die nun vor mir saßen“, erinnert sich Prof. Dr. Erika Bock-Rosenthal, Leiterin des Modellstudiengangs und spätere Gründungsdekanin des Fachbereichs Pflege, der heute Münster School of Health heißt.
Begonnen hatte alles 1991 mit einer ersten Anfrage aus dem NRW-Wissenschaftsministerium beim damaligen Rektor Professor Peter Pleyer, ob die FH Münster nicht einen Pflegemanagement-Studiengang aufbauen könne. Man habe doch ein gutes Verhältnis zur Universität und ihrem Klinikum. Hintergrund waren die Einführung der Pflegeversicherung und Empfehlungen des Wissenschaftsrats, der auf die akademische Ausbildung der Pflege im Ausland verwies. Es wurde eine Förderung durch die Bund-Länder-Kommission in Aussicht gestellt, wenn aus NRW der beste Antrag käme. „Als Beauftragte des Rektorats musste ich Neuland betreten. Als Soziologin habe ich erst einmal 17 Pflegedienstleitungen nach den Anforderungen und dem Qualifikationsbedarf gefragt, amerikanische Literatur und die Empfehlungen der Robert-Bosch-Stiftung gesichtet und dann einen achtsemestrigen Diplomstudiengang mit integriertem Praxissemester entwickelt.“ Der Aufwand, 60 Seiten Förderantrag zu schreiben, hat sich gelohnt: in Konkurrenz mit weiteren sieben Bewerbungen erhielt die FH Münster von der Bund-Länder-Kommission (BLK) den Zuschlag und wurde als Modellstudiengang mit 900 000 DM gefördert. Damit konnten für die Evaluation Mitarbeiterinnen eingestellt werden. Es ist dem Fachbereich Sozialwesen zu danken, dass der enge zeitliche Rahmen für die Förderung eingehalten werden konnte.
Studienbewerberinnen und -bewerber sollten über eine pflegerische Ausbildung und drei Jahre Berufserfahrung verfügen, also Voraussetzungen erfüllen, die für die Teilnahme an Pflegedienstleitungskursen erwartet wurden. Der Zugang zum Studium sollte zunächst für Pflegekräfte reserviert werden, die Leitungspositionen anstreben, im Sinne der Öffnung einer für Frauenberufe typischen beruflichen Sackgasse. Diese Strategie stellte sich als Glücksfall heraus. „Wir hatten eine Gruppe hochmotivierter Studierender. Mit ihren Fragen und Erfahrungen haben sie sehr zur Qualifizierung der Lehre beigetragen.“ Zudem gab es aufgrund der Pioniersituation so etwas wie eine gemeinsame Verantwortung für ein Gelingen des Studiums. Die meisten Diplom-Pflegemanagerinnen und Diplom-Pflegemanager sind nach 8 Semestern und dem Examen sofort in Führungspositionen gelangt. Die hohen Zugangshürden zum Studium sind später natürlich weggefallen. Der Auftrag des Modellstudiengangs ist nicht als reine Akademisierung verstanden worden, sondern auch als Auftrag zur Professionalisierung. Zu einer Profession gehört nicht nur eine akademische Qualifikation auf einer eigenständigen wissenschaftlichen Basis, sondern auch eine spezifische Berufsethik und berufsinterne Qualitätskontrolle. „Mein Abschlussbericht in Buchform, die Gründung eines neuen Fachbereichs und einer Bundes-Dekanekonferenz waren unser Beitrag dazu. Und unsere Forderung, eine Pflegekammer einzurichten, ist immer noch aktuell.“
Von Prof. Dr. Erika Bock-Rosenthal