“Wissenschaft im Einsatz für die Menschlichkeit”: 20 Jahre Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe
„Wir befinden uns jetzt gerade in einer realen Notlage und Krisensituation. Die weltweite Corona-Pandemie hat uns fest im Griff“, sagt Prof. Dr. Joachim Gardemann, Leiter des Kompetenzzentrums Humanitäre Hilfe am Ende unseres Interviews. Diese Worte sind aber so zentral, um nachzuvollziehen, was das Kompetenzzentrum leistet. So ist dessen Arbeit für uns insbesondere in der jetzigen Zeit ganz nah und greifbar. Ob die Corona-Freiwilligen-Datenbank, die Entwicklung von Schutzmaterial und die Verbreitung von wichtigen Informationen zu Impfungen, Hygienevorschriften und vielem mehr – das Zentrum setzt sich ein, berät, hilft und unterstützt wo es kann in humanitären Notlagen und das national sowie international.
Das Team des Kompetenzzentrums: Nachwuchsprofessor Dr. Jan Makurat, Petra Seyfferth und Prof. Dr. Joachim Gardemann (v.r.). (Foto: FH Münster/Dzemila Muratovic)
Im Team mit dabei sind neben Prof. Gardemann auch Petra Seyfferth und Nachwuchsprofessor Dr. Jan Makurat. Alle sind sich einig: „Wer humanitäre Hilfe leisten möchte, der braucht dafür nicht extra in exotische Länder zu reisen, sondern sollte einfach in seiner eigenen Stadt die Augen aufmachen.“ Der Grundgedanke des Kompetenzzentrums lautet passend dazu: „Science applied to humanity“ – „Wissenschaft im Einsatz für die Menschlichkeit“.
„Wir wollen möglichst viele Studierende für die Humanitäre Nothilfe sensibilisieren und diese als Querschnittsthema in der Hochschule voranbringen. Es ist ein Thema für Abschlussarbeiten oder Seminare, zu dem wirklich alle Fachbereiche einen Beitrag leisten können“, erzählt Gardemann.
Das war auch schon Ziel bei der Gründung des Zentrums 2001. Alles fing damals ganz klein an. Gardemann erinnert sich: „Unser damaliger Rektor, Prof. Niederdrenk, hatte die Idee. Wir als Hochschule können leider keine Gelder spenden, aber wir haben eine Menge Know-how und viele Kompetenzen, die wir unter anderem als „Lehr-Export“ im Falle von humanitären Krisen beisteuern können. Genau das wollten wir tun und nachhaltig verankern“, erklärt der Kinderarzt, der schon seit 1995 für das Deutsche Rote Kreuz in internationalen Katastrophen- und Krisenregionen unterwegs ist. 2016 wurde er für seine herausragende wissenschaftliche Arbeit sowie sein unermüdliches Engagement für die humanitäre Hilfe auf nationaler und internationaler Ebene mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet. Für ihn eine Ehrung, die er vor allem auch für alle Menschen und Institutionen, die seine Arbeit in den vergangenen 20 Jahren ermöglicht haben, angenommen hat.
Große Unterstützung gibt es schon seit Beginn von der Stadt Münster. So fanden seit Gründung des Kompetenzzentrums zahlreiche Kooperationsveranstaltung statt: der erste Kongress zur Humanitären Hilfe in der internationalen Soforthilfe, Tagungen mit dem Auswärtigen Amt und die Einbindung in den Arbeitskreis „1648 – Dialoge zum Frieden“. Seit Januar 2015 ist das Kompetenzzentrum unserer Hochschule auch im Koordinierungsausschuss Humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes vertreten. Einen weiteren großen Schritt, um die internationale Soforthilfe weiter zu professionalisieren, hat das Kompetenzzentrum 2020 mit seinen Kooperationspartnern gemacht. Zusammen mit der Aktion Deutschland Hilft (ADH) und dem Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht (IFHV) der Ruhr-Universität Bochum (RUB) wurde die aha (academy for humanitarian action) im Friedenssaal des historischen Rathauses in Münster gegründet. Als erste ihrer Art in Deutschland vermittelt die aha in einem breiten Weiterbildungsangebot aktuelles Fachwissen und dringend notwendiges Knowhow, um in der humanitären Hilfe weltweit auf hohem fachlichen Niveau erfolgreich tätig sein zu können.
„Bei den derzeit erforderlichen Online-Angeboten begegnen sich Menschen aus der ganzen Welt. So kamen bei unserer letzten Veranstaltung zur Mangelernährung auch Teilnehmende aus dem Irak, Indonesien, Kenia, Kolumbien, Malawi und aus Botswana zusammen. Unser gemeinsames Anliegen und Thema der internationalen Nothilfe wird ja überall völlig unstrittig und bereitwillig akzeptiert. Das ist eine wichtige Grundlage, auf der wir in der Zusammenarbeit überall aufbauen können“, betont Gardemann. Dass die Vernetzung auch auf regionaler Ebene funktioniert zeigen die Studierenden eindrucksvoll. Denn sie brennen für das Thema und engagieren sich in vielen studentischen Aktivitäten in Münster und Steinfurt – insbesondere auch jetzt in der Corona-Pandemie.
Prof. Gardemann beim Online-Austausch mit Studierenden. (Foto: privat)
„Im Kompetenzzentrum führen wir, so kann man sagen, verschiedene Enden aller Fachbereiche unserer FH zusammen, und wir wünschen uns, dieses Potenzial noch weiter auszubauen“, ergänzt Gardemann. Die beste Zutat dazu hat er schon: ein engagiertes Team, dem man sofort anmerkt, wie viel Herzblut sie gemeinsam in das Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe stecken: Petra Seyfferth unter anderem in die Weiterbildung für geflüchtete Frauen und Dr. Jan Makurat als Mitarbeiter des Landesverbandes Westfalen-Lippe des DRK und als Experte für internationale Ernährungssicherung.
Wir wünschen dem Kompetenzzentrum alles Gute zum 20-jährigen Jubiläum und viele weitere so tatkräftige Jahre!
Von Rena Ronge
Zum Kompetenzzentrum Humanitäre Hilfe
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In Münster gegründet und einmalig in Deutschland: academy for humanitarian action