Am 21. November 2023 fand der Online-Dialog "Ran an die Bratlinge! Praxis und Politik gestalten die Ernährungswende" statt. Initiiert vom Projekt "Gerechte und nachhaltige Außer-Haus-Angebote gestalten" (GeNAH) der FH Münster brachte er Mitglieder des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft und Vertreterinnen aus Verbänden und Unternehmen der Gemeinschaftsverpflegung zusammen. Das übergeordnete Ziel war es, drängende Fragen einer nachhaltigen Gemeinschaftsgast-ronomie zu diskutieren. Die Moderation wurde von Dr. Therese Kirsch vom Institut für Nachhaltige Ernährung (iSuN) der FH Münster übernommen.

Prof. Dr. Petra Teitscheid, Leiterin des Forschungsprojekts (GeNAH), betonte die Notwendigkeit einer nachhaltigen Gastronomie. Sie unterstrich, dass rund 30 Prozent der Treibhausgasemissionen auf die Ernährung zurückzuführen sind, wobei mehr als 40 Prozent der Mahlzeiten außer Haus eingenommen werden, beispielsweise in Betriebskantinen, Kitas oder Krankenhäusern. Teitscheid erläuterte die Bedeutung dieses Bereichs für die Ernährungswende. Sie wies darauf hin, dass viele Betriebe bereits Schritte unternommen haben, ihre Angebote nachhaltiger zu gestalten; dass jedoch auch die Leuchttürme zu oft auf hemmende Rahmenbedingungen stoßen, die durch politische Veränderungen beeinflusst werden könnten.

In ihrem Grußwort betonte Verena Exner, Referatsleiterin bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), den hohen Stellenwert des gegenseitigen Austausches. Sie wies darauf hin, dass nur durch ein gegenseitiges Verständnis Voraussetzungen geschaffen werden können, die eine nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung in Deutschland realisierbar machen. Die DBU unterstützt das GeNAH-Projekt sowohl finanziell als auch fachlich.

Teilnehmende: Als politische Entscheidungsträger*innen waren Peggy Schierenbeck von der SPD, Dr. Anne-Monika Spallek von Bündnis 90/Die Grünen und Dr. Gero Clemens Hocker von der FDP anwesend. Auf der Seite der Praxis nahmen Mitglieder des Runden Tisches "Nachhaltige Gemeinschaftsgastronomie" und Praxispartner des GeNAH-Projektes teil.

Dialogstruktur in drei Themenkategorien:

1.Rechtliche Rahmenbedingungen:

• Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD): Die Diskussion betonte die Notwendigkeit, sich von starren Datumsangaben zu entfernen. Die Unsicherheit darüber, wie diese Flexibilität rechtlich umgesetzt werden kann, wurde als Hürde genannt.

• Reglementierungen und Lebensmittelverschwendung: Politik und Praxis waren sich einig, dass Reglementierungen im Bereich der Außer-Haus-Verpflegung gelockert werden sollten, um Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Die Herausforderung besteht darin, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, der sowohl nachhaltiges Wirtschaften fördert als auch gesundheitliche Standards gewährleistet.

• Verbindliche Standards für nachhaltiges Kochen: Die Diskussion über verbindliche Standards in Kitas und Schulen stieß auf Fragen zur Finanzierung und Verantwortlichkeit. Hier besteht die Herausforderung, klare Richtlinien zu entwickeln und die Finanzierung zu sichern.

• Bildung und Aufklärung: Die Bedeutung von Bildung und Aufklärung wurde betont. Die Herausforderung liegt darin, wirksame Bildungsmaßnahmen zu entwickeln und zu implementieren, insbesondere im privaten Bereich.

• Kennzeichnung von Lebensmitteln: Die Notwendigkeit einer besseren Kennzeichnung von Lebensmitteln wurde hervorgehoben. Die Herausforderung besteht darin, klare Vorschriften zu schaffen, die die Transparenz und Aus-wahlmöglichkeiten verbessern, insbesondere im Großhandel.

2.Finanzielle Steuerungsmöglichkeiten:

• Mehrwertsteuerregelung: Die Diskussion konzentrierte sich auf die Mehrwertsteuerregelung in der Gemeinschaftsgastronomie. Die Herausforderung besteht darin, eine einheitliche Mehrwertsteuer zu etablieren und kurzfristige Förderinstrumente umzusetzen.

• Finanzierung der Ernährungsstrategie: Die Debatte über die Finanzierung der Ernährungsstrategie durch Steueranreize, Modellregionen und direkte finanzielle Unterstützung betonte die Herausforderung, gesellschaftlichen Druck und breite Debatten zu organisieren.

3.Personal:

• Personalmangel: Ein zentrales Thema war der akute Personalmangel in der Gemeinschaftsverpflegung. Die Herausforderung besteht darin, politische Maßnahmen zur Bewältigung dieses Mangels zu entwickeln und die Attraktivität von Arbeitsplätzen zu steigern.

• Beratung und Unterstützung: Die Notwendigkeit von Beratungen und Unterstützung in Bezug auf gesunde Ernährung und nachhaltige Praktiken wurde betont. Hierbei ist die Herausforderung, effektive Unterstützungsmechanismen und Qualifizierungsangebote zu schaffen.

• Finanzielle Anreize: Die Diskussionsteilnehmer*innen berichteten über die Auswirkungen von finanziellen Anreizen und Sozialabgaben auf die Attraktivität von Arbeitsplätzen. Die Herausforderung besteht darin, angemessene Löhne sicherzustellen und Effizienzsteigerung sowie Digitalisierung als Lösungsansätze zu nutzen.

Danksagung und Ausblick: Die Debatte zeigte, dass eine Vielzahl von Themen die Gestaltung einer nachhaltigen Gemeinschaftsverpflegung prägt. Diese reichen von rechtlichen Fragen über finanzielle Aspekte bis hin zu Personalengpässen. Die intensive Diskussion lieferte wertvolle Einblicke in die Anliegen der Gemeinschaftsverpflegung und bot den politischen Entscheidungsträgern die Möglichkeit, direktes Feedback zu erhalten. Wichtige Ergebnisse der Diskussion waren, dass der offene Austausch intensiviert werden muss, denn er erzeugt Verständnis für die Komplexität der Herausforderungen, nicht nur in der Praxis, sondern auch für die politische Steuerung. Gleichzeitig wurden die Grenzen der Handlungsfähigkeit von Politik einerseits durch den engen finanziellen Rahmen und andererseits durch gesellschaftliche Akzeptanz sichtbar. Für die Ernährungswende braucht es eine gemeinsame Verantwortung, nicht nur von Politik und Unternehmen, sondern auch von der gesamten Gesellschaft. Die Teilnehmenden äußerten ihre Freude darüber, dass das Netzwerk für die Ernährungswende wächst und das Thema zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Diskussionsergebnisse sollen als Impuls für die Weiterentwicklung des Dialoges zwischen Praxis und Politik weiter intensiviert werden. Ein besonderer Dank gilt den Politiker*innen Peggy Schierenbeck, Dr. Anne-Monika Spallek und Dr. Gero Clemens Hocker sowie allen Teilnehmenden aus der Praxis. Diese Veranstaltung markiert einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Ernährung in Deutschland.

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