Welche Funktion haben Prozesslandkarten?
Grundsätzlich dient die Prozesslandkarte der Schaffung von Transparenz über das Gesamtprozessgefüge. Es wird, ebenso wie das Organigramm, als Kommunikations- und Informationsinstrument eingesetzt, um bei den relevanten Stakeholdern (Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter und sonstige) ein Verständnis für das betrachtete Unternehmen herzustellen. Sie sollte folgende Fragen beantworten können (vgl. Wilhelm, 2007):
- Wie sieht das Geschäftsmodell des Unternehmens aus, bzw. wie wird Wert geschöpft?
- Welche Prozesse sind im Unternehmen insgesamt vorhanden (Ist-Modell) bzw. geplant (Soll-Modell)?
- Wie ist das Unternehmen über seine Prozesse mit den externen Kunden und sonstigen Geschäftspartnern (Lieferanten, Banken, Mitarbeiter u. a.) verbunden?
- Welche Beziehungen zwischen internen Kunden und Lieferanten werden durch die Prozesse abgebildet?
- Welche Prozess-Philosophie verfolgt das Unternehmen?
Wie sind Prozesslandkarten aufgebaut?
Anders als bei Organigrammen ist eine einheitliche, z.B. durch eine Industrienorm festgesetzte Darstellung bzw. Notation, nicht verfügbar. Mit Blick auf die Individualität von Unternehmen und ihrem Geschäftszweck lassen sich Standards auch schwer vorstellen. Zu unterschiedlich sind die Wertschöpfungsstrukturen, welche letztlich auch im Wettbewerb zueinander stehen und eine Alleinstellung erfordern.
Gleichwohl ist in Literatur und Praxis häufig die Kategorisierung der Prozesse in drei Klassen zu finden:
- Schlüssel- oder Kernprozesse: Hier findet die originäre, direkte Wertschöpfung statt, d.h. die Erstellung und Vermarktung von Produkten und/oder Dienstleistungen für externe Kunden. Sie erzeugen unmittelbar Nutzen für externe Kunden, für den diese bereit sind zu zahlen.
- Unterstützungs- oder Supportprozesse: Sie sind zwar nicht direkt für die Wertschöpfung verantwortlich, jedoch liefern sie Prozessergebnisse, die für die erfolgreiche Durchführung der Schlüsselprozesse unerlässlich sind. Daher sind sie indirekt wertschöpfend, entweder unmittelbar oder mittelbar. Unmittelbar erforderlich sind diejenigen Erfüllungsvorgänge, deren (Teil-) Ergebnisse in den Schlüsselprozess einfließen und ihn damit erst ermöglichen. Beispiele hierfür sind Beschaffungsvorgänge, die Bereitstellung von Maschinen oder die Personaldisposition. Im Gegensatz dazu dienen die mittelbar erforderlichen, indirekt wertschöpfenden Prozesse lediglich der Schaffung und Aufrechterhaltung des Unternehmens; die Ergebnisse gehen nicht in den Kernprozess ein. Dazu zählen beispielsweise die Prozesse der Kosten- und Leistungsrechnung oder der Instandhaltung.
- Managementprozesse: Sie haben dispositiven Charakter und stellen den unternehmerischen Rahmen, innerhalb dessen die Wertschöpfung erfolgt. Sie wirken durch die damit verbundenen Entscheidungen auf die direkt und indirekt wertschöpfenden Prozesse ein und bestimmen so die Organisation der Wertschöpfung sowie ihre Unterstützung durch technische, personelle und finanzielle Ressourcen.
Neben dieser Aufteilung der Geschäftsprozesse in drei Klassen lassen sich vereinzelt in der Literatur auch Ansätze mit zwei, vier oder sogar mehr Klassen finden. Ein Überblick über die verschiedenen Klassensysteme ist zu finden bei Schmelzer/Sesselmann (2013).
Wie viele Elemente sollten die Klassen umfassen?
Laut Schmelzer/Sesselmann (2013) hängt die Anzahl der Schlüsselprozesse eines Unternehmens zunächst von drei Kriterien ab:
- Anzahl, Größe und Komplexität der Geschäftseinheiten (z.B. Geschäftsfelder, Betriebsteile, Ländergesellschaften usw.),
- Anzahl und Heterogenität der Kunden(gruppen),
- Anzahl und Heterogenität der erzeugten Produkte bzw. Dienstleistungen für die Kunden.
In der Regel wird das Leistungsspektrum eines Unternehmens mit fünf bis acht primären Geschäftsprozessen abgedeckt. Manche Autoren plädieren für zwei bis drei Geschäftsprozesse. Letztlich ist die Anzahl aber individuell festzulegen. Dabei spielt auch der gewählte Abstraktionsgrad eine Rolle.
Für die Zahl der Unterstützungs- und Managementprozesse sind die Relevanz der verfolgten Ergebnisse für die Schlüsselprozesse, die Ergebnistypen sowie oftmals die in diesen Prozessen gebundene Personalkapazität maßgeblich. Für eine erfolgreiche Prozesssteuerung ist es erforderlich, die Zahl dieser Prozesse überschaubar und nicht zu fraktioniert zu gestalten. Es macht wenig Sinn, eine unterstützende Aktivität mit drei Mitarbeitern als eigenständigen Geschäftsprozess auszuweisen. Kleine Unternehmen fassen deshalb die dispositiven Prozesse der Planung und Steuerung oft in einen Geschäftsprozess zusammen, der dann z. B. Managementprozess genannt wird. Die Gefahr besteht dabei aber andererseits, dass bei einer zu starken Akkumulation der Prozess zu komplex wird und die einzelnen Leistungen nicht mehr gezielt kontrolliert und gesteuert werden können. Es ist also auf ein gesundes Maß zu achten.
Worauf sollte bei der Erstellung einer Prozesslandkarte geachtet werden?
Die Prozesslandkarte hat die Aufgabe, allen Stakeholdern eines Unternehmens Transparenz über das Leistungsgefüge zu geben. Insofern ist darauf zu achten, dass die Darstellung den allgemeinen "Grundsätze ordnungsmäßiger Modellierung (GoM)" (Becker, 1995). Der zentrale Aspekte dabei ist die Klarheit. Die Prozesslandkarte sollte anschaulich gestaltet sein. Dabei ist auf Übersichtlichkeit und Lesbarkeit zu achten. Eine überschaubare Anzahl an Prozessen ist dabei ebenso förderlich wie ein professionelles Layout. Die ausgewiesenen Prozesse sollten einheitlich mit Substantiv und Verb beschrieben werden (z.B. "Partnerschaft intensivieren") oder durch eine Von-zu-Formulierung (z.B. "von der Anfrage bis zum Zahlungseingang"). Des weiteren sollten aus der Prozesslandkarte die Schlüsselprozesse durchgängig vom geäußerten bis zum erfolgreich erfüllten Kundenbedarf dargestellt werden, also als so genannte "End-to-End-Prozesse".