Was bringt Process Mining? 
In der betrieblichen Praxis sind oft zahlreiche Varianten zu einem Geschäftsprozess zu finden. Sie sind Ergebnis von individuellen Vorgehensweisen der Mitarbeitenden, von Schwächen in den vorhandenen Transaktionssystemen oder immer wieder neuen Kundenwünschen, auf die mit individuellen Verfahren reagiert werden soll. Das Ziel von Process Mining ist es nun, diese Varianten zu identifizieren. Durch eine systematische Analyse werden die Ursachen transparent gemacht. Sie gilt es im Anschluss durch geeignete Maßnahmen zu eliminieren. Diese Standardisierung der Abläufe ist die zentrale Basis, um Geschäftsprozesse langfristig wettbewerbsfähig zu machen. 

Ein beispielhafter Prozessablauf eines Patienten im Krankenhaus
Prozessablauf eines Patienten im Krankenhaus
Beispiel für ein Ereignisprotokoll im Rahmen von Process Mining
Event Log für oben dargestellten Prozess, mit drei Cases.

Was unterscheidet Process-Mining und Data-Mining? 
Die Grundlage beider Technologien sind gleichermaßen die Daten eines Unternehmens. Beim Process Mining beziehen sich die betrachteten Daten auf die betrieblichen Abläufe. Sie werden mit den Instrumenten der Datenanalyse (Data Analytics) systematisch analysiert. 

Wie funktioniert Process-Mining? 
Ausgangspunkt für Process-Mining sind die prozessrelevanten Vorgangsdaten eines Unternehmens, welche durch die Geschäftsvorgänge in den IT-Systemen generiert werden. Sie werden in die Datenbanken des Systems geschrieben und mit dem so genannten "Event Log" (deutsch: Ereignisprotokoll) über einen eineindeutigen Schlüssel verbunden, der so genannten "Case ID".  

Vorbereitung der Daten und Phasen von Process-Mining

Für die Vorbereitung der Daten für die Weiterverarbeitung folgen diese den Einzelschritten Extract, Transform und Load (ETL). 

  • Extract: Extraktion der Daten aus den unterschiedlichsten Quellsystemen und -datenbanken, wie beispielsweise ERP oder CRM.
  • Transform: Transformation der Rohdaten in das gewünschte, im Vorfeld definierte Zielformat und Anpassung der anfänglichen Datenmenge auf die wesentlichen Daten.
  • Load: Chronologische Zusammenfassung der transformierten Daten in einem sogenannten Event-Log (Ereignisprotokoll). 

Die Herkunft der Daten spielt im Gegensatz zu ihrer Qualität eine nachrangige Rolle. In der Regel wird daher eine Integritätsprüfung des Event Logs vorgenommen. 

Im Anschluss daran folgt Process Mining den drei Phasen Discovery, Conformance und Enhancement.  

1. Discovery: Automatisierte Rekonstruktion von Prozessen. 
Auf der Basis des Event-Logs kann mit Hilfe einer Process Mining-Software ein strukturiertes Ist-Prozessmodell mit sämtlichen Prozessaktivitäten, Verzweigungen, Schleifen etc. generiert werden. Das Ergebnis entspricht dem tatsächlichen Ablauf des Prozesses im Unternehmen, mit allen im betrachteten Zeitraum entstandenen Varianten.  
 
2. Conformance: Feststellung von Prozessabweichungen. 
Das Ist-Prozessmodell wird entweder mit einem intern festgelegten Soll-Prozessmodell oder mit einem (externen) Referenz-Modell verglichen. Nicht übereinstimmende Elemente werden dabei ermittelt und visuell hervorgehoben. Die Darstellungsform der Differenzen, z. B. in einem BPMN-Format, kann variieren und unterscheidet sich je nach gewählter Process Mining-Software.  
 
3. Enhancement: Ableitung einer optimierten Prozessvariante. 
Mit den Informationen aus den ersten beiden Phasen können die Prozesse nun angepasst oder mit weiteren Daten erweitert werden, indem z. B. bestimmte Ressourcen neu zugeordnet und Schritte korrigiert werden. Im Idealfall liegt im Ergebnis ein verbesserter Geschäftsprozess vor. 
 
Diese drei Phasen werden durch immer neue Instrumente ergänzt, z.B. durch Module der Robotic Process Automation (RPA) oder der Künstlichen Intelligenz (KI). Wenn die Komponenten der Process Mining-Software zudem in die operativen Systemprozesse eines Unternehmens integriert werden, kann eine Echtzeitanalyse während eines Bearbeitungsprozesses erfolgen. So können nicht nur retrospektive Untersuchungen der Prozesse erfolgen, sondern es können Ad-hoc-Maßnahmen ergriffen werden, um Abweichungen vom Soll zu vermeiden bzw. kurzfristig rückgängig zu machen. 

Wann wird Process-Mining angewendet? 
Process-Mining kann für unterschiedliche Einsatzbereiche angewandt werden. Bei einer Unternehmensgründung kann es z. B. der Geschäftsmodellentwicklung und -anpassung dienen. Gleichwohl ermöglicht es etablierten Unternehmen ihre bestehenden Geschäftsprozesse auf Effektivität und Effizienz zu prüfen. Daneben sollten auch bei der Erweiterung oder Umbau der IT-Infrastruktur eines Unternehmens die Abläufe vor der Integration in die neuen Systeme kontrolliert und optimiert werden.

Praxisbeispiel

In einem international tätigen Telekommunikationsunternehmen fehlte es durch ein global verflochtenen Lieferantnetzwerk an Transparenz und Effizienz in den Beschaffungsprozessen. Durch den Einsatz von Process-Mining in diesem Bereich wurden die SAP-Daten des Einkaufs transparent und die Abweichungen von den Standardabläufen identifiziert und bewältigt. Mit diesen Maßnahmen waren nach einem sechsmonatigen Einsatz bei 85 Prozent aller Bestellungen vom Vertragseingang bis zur Auslieferung keine weiteren Überarbeitungen seitens der Mitarbeitenden notwendig. Diese Steigerung von 12 Prozentpunkten resultiert in einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. 

Literatur

Albrecht, A; Nottbeck, B; Bruns, B; Licht, C; Arndt, J; Zielonka, K; Holznagel, M; Eversmann, M; Moussa Sow, N; Bauer, R; Meents, T (2014): Multidimensionales Process Mining, Oldenburg.
Jagadeesh Chandra Bose, R.P.; van der Aalst, W.; Žliobaitė, I.; Pechenizkiy, M. (2014): Dealing With Concept Drifts in Process Mining. In: IEEE Transactions on neural networks and learning systems, Vol. 25, No. (1): 154-171. 
LANA Process Mining: LANA Process Mining Videokurs: Mit Process Mining zum optimalen Prozess; URL: https://www.youtube.com/watch?v=yyghpF-29sk&list=PLRkiGNub5fndnAbvqpMwFg3TuJ2ey7pGf&index=1, abgerufen am 31.07.2020. 
Luber, S.; Litzel, N. (2018): Was ist ETL (Extract, Transform, Load)?, URL: https://www.bigdata-insider.de/was-ist-etl-extract-transform-load-a-776549/, abgerufen am 30.07.2020. 
Peters, R.; Nauroth, M. (2019): Process-Mining, Wiesbaden. 
Scheer, A.-W. (2020): Unternehmung 4.0: vom disruptiven Geschäftsmodell zur Automatisierung der Geschäftsprozesse, 3. Auflage, Wiesbaden. 
Stocker, T.; Accorsi, R.; Rother, T. (2013): Computergestützte Prozessauditierung mit Process Mining. In: HMD - Praxis der Wirtschaftsinformatik, Heft 292, S. 92-103. 
Van der Alst, W. (2011): Process Mining, 2. Auflage, Heidelberg. 

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