Welche Kanäle werden unterschieden?
Traditionell werden die Einzelhandelskanäle in vier verschiedene Typen unterteilt:

  1. Physischer Kanal: Dabei werden Geschäfte aller Art betrieben, um persönliche Assistenz sowie die Präsenz von Produkten zum Anfassen, Fühlen und Ausprobieren durch die Kund*innen zu ermöglichen.
  2. Direktmarketing- oder Katalogkanal: Einzelhändler senden Kataloge an potenzielle oder bestehende die Kund*innen, damit diese von zu Hause aus, z.B. per Telefon oder E-Mail, Waren und Dienstleistungen kaufen können, die ihnen nach Hause oder an Abholstationen geliefert werden.
  3. Online-Kanal: Einzelhändler bieten Webshops an und sind so in der Lage, rund um die Uhr Zugang zu ihren Geschäften sowie ein breiteres Produkt- und Informationsangebot als andere Kanäle anzubieten.
  4. Digitale Kanal: Dieser besteht aus mobilen Geräten für den Zugang zu Online-Shops sowie aus Marken-Apps, die die Zugänglichkeit von Geschäften und Produktinformationen in physischen Umgebungen erhöhen.

Praxisbeispiel

Ein Fashion-Retailer wirbt über Plakate für die neue Sommerkollektion. Über einen QR-Code werden die Kund*innen direkt auf die Website weitergeleitet, auf der sie alle favorisierten Stücke dem Warenkorb hinzufügen und bestellen können. Gleichzeitig erhalten die Kund*innen via Mail Vorschläge über verfügbare Waren in Läden in ihrer Nähe, welche sie mit ihren bestellten Kleidungsstücken kombinieren könnten. Daher entscheidet sich der*die Kund*in dazu, die bestellte Ware nicht nach Hause, sondern in den Laden liefern zu lassen. Die Änderung kann er*sie in der App des Unternehmens durchführen. Sobald sich der*die Kund*in im Laden befindet erhält er*sie über Social Media zusätzliche Hinweise auf Influencer, die die bestellten Kleidungsstücke ebenfalls tragen und bekommt dadurch weitere Kauf-Inspirationen. Im Laden probiert der*die Kund*in die bestellte Ware mit weiteren Teilen an und kann diese entweder im Anschluss kaufen oder direkt vor Ort retournieren.


Wie können die Kanäle miteinander verbunden werden?
In der Praxis können unterschiedliche Intensitätsgrade der gleichzeitigen Nutzung verschiedener Kanäle festgestellt werden. Sie stellen letztlich den Reifegrad des Managements der Kanäle dar.

  • Multi Channel stellt einen Ansatz zur Organisation von Vertriebs- und Servicekanälen dar. Kanäle wie beispielsweise stationärer Einzelhandel und Online-Shops werden nebeneinander betrieben, sie sind allerdings nicht aufeinander abgestimmt. So entsteht ein unabhängiges Mehrkanalkonzept. Aufgrund der fehlenden Verbindung zwischen den Vertriebskanälen können Kund*innen nicht kanalübergreifend mit dem Unternehmen in Interaktion treten.
  • Cross Channel stellt eine Weiterentwicklung des Multi-Channel-Ansatzes dar. Es handelt sich dabei um einen Mehr-Kanal-Vertrieb, bei dem die Vertriebskanäle nicht separat nebeneinander existieren, sondern die Leistungen der verschiedenen Kanäle vielmehr über Daten miteinander verbunden werden. Aus Kundensicht werden dadurch die Grenzen zwischen den einzelnen Vertriebskanälen aufgehoben. Ein Beispiel hierfür ist das Click and Collect Verfahren.
  • Der Begriff Omni Channel wird oft synonym zu Cross Channel verwendet. Dabei werden in diesem Ansatz jedoch zusätzlich Kommunikationskanäle integriert und das personalisierte Kundenerlebnis steht noch stärker im Fokus. Aus Kundenperspektive kann über alle Vertriebskanäle auf das Leistungsportfolio des Unternehmens zugegriffen und gleichzeitig mehrere Kanäle ohne Informationsverluste genutzt werden.
Schaubild der verschiedenen Managementarten von Verkaufskanälen
Was unterscheidet Multi Channel, Cross Channel und Omni Channel?

Praxisbeispiel

Einer der größten Mobiltelefonhändler und Internetmarken in China hat in den letzten Jahren zahlreiche offizielle Erfahrungsläden und autorisierte Online-Kanäle eröffnet, um den Umfang der Verkaufs- und Einkaufserfahrungen der Verbraucher*innen zu verbessern. Bis 2018 hatte er 586 Erfahrungsläden eröffnet und 42 Online-Kanäle genehmigt. 2018 veröffentlichte der Händler in seinem Online-Kanal (d.h. der offiziellen Website) Werbung für seine neuen Produkte. Danach werden die Verbraucher*innen ermutigt, diese Produkte im Offline-Kanal (d.h. in den Erfahrungsläden) zu erleben. Nachdem sie das Produkt kennengelernt haben, können die Verbraucher*innen sofort einen 'Offline'-Kauf oder später einen 'Online'-Kauf tätigen.

Die Ausstellung der Produkte im Offline-Kanal konnte die Bedenken der Verbraucher*innen hinsichtlich der Produktqualität beim Online-Kauf ausräumen, so dass sowohl das Online- als auch das Offline-Verkaufsvolumen zugenommen haben. Seit der Händler seine neue Omni-Channel-Einzelhandelsstrategie umgesetzt hat, hat er einen Umsatz von 5,2 Milliarden Yuan erzielt und ist damit um 113,8% gewachsen. Der Omni-Channel-Einzelhandel hat den Kund*innen ein besseres, qualitativ hochwertiges Einkaufserlebnis geboten und dem Unternehmen großen Erfolg beschert.

Literatur

Appelfeller, W., & Feldmann, C. (2018): Die digitale Transformation des Unternehmens. Springer Berlin Heidelberg.
Jahn, M. (2017): Einzelhandel in Läden-Ein Auslaufmodell? In Handel 4.0, S. 25-50. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg.
Janhofer, D., Barann, B., Cordes, A. K., & Becker, J. (2020): Mastering Omni-Channel Retailing Challenges with Industry 4.0 Concepts. In Proceedings of the 53rd Hawaii International Conference on System Sciences, S. 5389-5398.
Liu, L., Feng, L., Bing, X., Deng, W. (2020): Operation strategies for an omni-channel supply chain: Who is better off taking on the online channel and offline service? In: Electronic Commerce Research and Applications, Vol. 39, 100918.
Talin, B. (2019): Multi-Channel, Omni-Channel oder Personalisierung - Was ist das? Online verfügbar unter: https://morethandigital.info/multi-channel-omni-channel-oder-personalisierung-was-ist-das/. Abgerufen am 07.08.2020.

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