Was sind "Kreativitätstechniken"?​

Kreativitätstechniken werden herangezogen, um die Kreativität in Innovations- und Problemlösungsinitiativen zu fördern. ​ Durch soziale Prozesse, gesellschaftlich geforderte Rituale und lineare, unreflektierte Wissensaneignung verliert das Individuum in seiner Entwicklung die Neigung zur Neugier, den Wunsch nach Individualität und damit die Fähigkeit zur Kreativität. Unser betriebliches Handeln entspringt tiefen und meist engen Denktälern. ​ Kreativitätstechniken haben das Ziel, den Menschen dabei zu unterstützen, diese Denktäler zu verlassen.​

Welche Rolle spielen diese Techniken im Prozessmanagement?​

Im Prozessdesign geht es darum, Lösungen zu Problemen und Schwachstellen in betrieblichen Abläufen zu finden. Doch wer in den eigenen Prozessen verhaftet ist, wird kaum in der Lage sein, ohne Weiteres die Denktäler zu verlassen und die täglichen Strukturen kreativ zu verändern. ​
Dies sollen dann meist externe Expert*innen (z.B. Unternehmensberater*innen) übernehmen. Doch ihnen fehlt der Bezug zur Unternehmenskultur. Ihre Ergebnisse werden oft von der Belegschaft auch nicht akzeptiert ("Not Invented Here"-Syndrom). ​
Daher ist es erforderlich, und wie die Praxis zeigt auch sehr hilfreich, Kreativitätstechniken bei den eigenen Mitarbeitenden einzusetzen und so die individuelle Kreativität unter Berücksichtigung der fachlichen Expertise zu fördern.​

Wie werden Kreativitätstechniken angewendet?​

Es gibt eine Vielzahl an Techniken zur Förderung der Kreativität. Eines ist den meisten Verfahren aber gemein: Sie sind auf Gruppen-Prozesse ausgelegt. Der Vorteil liegt darin, dass durch fremde Perspektiven eine Reflexion der eigenen Haltung provoziert wird. So gelingt es besser, Denktäler zu verlassen. Auf zwei Faktoren ist in entsprechenden Kreativitätssitzungen zu achten:​

  1. Die Gruppe sollte möglichst heterogen zusammengesetzt sein.​
  2. Eine Kreativitätssitzung sollte von einem*r
    Moderator*in begleitet sein, welche*r die angewandte Methode beherrscht und inhaltlich nicht involviert ist.

Design Thinking

Das Design Thinking verbindet verschiedene Kreativitätstechniken in einem Prozess, der ein (in der Regel interdisziplinäres) Team von einem konkret formulierten Problem zu einer akzeptierten und erprobten Lösung führt. Über sechs definierte Stufen werden wechselweise möglichst viele Perspektiven eröffnet ("divergierend"), um diese im Anschluss möglichst eng wieder einzugrenzen ("konvergierend"). So werden die Gruppenmitglieder immer wieder gefordert, die Denktäler zu verlassen und im nächsten Schritt ihre Erfahrung konsensorientiert einfließen zu lassen.​ Entwickelt wurde die Methode in der Designagentur IDEO. Erforschung und Umsetzung des Ansatzes werden von Hasso Plattner (Mitbegründer von SAP) gefördert. An den Hasso-Plattner-Instituten an der Stanford University und in Potsdam werden die Prinzipien gelehrt.​

Welche Techniken gibt es?​

Das Ziel des Einsatzes von Kreativitätstechniken ist es, Ideen für Innovationen bzw. Problemlösungen zu finden. Und grundsätzlich gilt, je mehr Ideen, desto besser. Denn eine vielfältige Basis führt zu mehr potenziellen Optionen. Aus der Menge der Grundideen werden meist Ideenkonzepte ausgewählt, welche im Anschluss gemeinsam bewertet werden. Dies führt final zu einer Auswahl des favorisierten Konzepts. Man spricht insgesamt auch vom "Ideentrichter".​
Die Kreativitätstechniken lassen sich in intuitive und diskursive Techniken aufteilen.​

  • Intuitive Techniken: Sie liefern in kurzer Zeit sehr viele Ideen. Durch nur durch den Ablauf strukturierte Sammlungen offen artikulierter Gedanken der einzelnen Gruppenmitglieder wird das Unbewusste der anderen aktiviert. So entstehen Assoziationen, die das Verlassen der Denktäler ermöglichen. Bei diesen Techniken werden "laute" Techniken (z.B. Brainstorming) von "ruhigen" (z.B. Brainwriting) und "bewegten" (z.B. Kartenabfragen) unterschieden.​
  • Diskursive Techniken: Sie sehen einen systematischen, modellhaften Prozess der Ideengenerierung vor. In klaren, vorgegebenen und logisch ablaufenden Schritten wird ein Problem analytisch angegangen. Zu diesen Techniken zählen der Morphologische Kasten oder das Ursache-Wirkungs-Diagramm.​

Neben diesen beiden Strömungen haben sich auch Kombimethoden entwickelt, bei denen versucht wird, trotz einer stärkeren Strukturvorgabe breites Kreativitätspotenzial zu fördern.

Eine wichtige Methode (eher als eine einzelne Technik) ist der Ansatz der "Sechs Denkhüte" (von dem Psychologen Edward de Bono), bei dem jeder gezwungen wird, in vergebenen Phasen des Kreativitätsprozesses unterschiedliche Denkhaltungen anzunehmen. Ähnlich verhält es sich mit der Walt-Disney-Methode, die in den gleichnamigen Filmstudios entwickelt wurde, um sich immer neue Geschichten auszudenken. Viele offene Veranstaltungen folgen heute den kreativen Großgruppenmethodiken des "Open Space", "World Café" oder "Bar Camp".​

Fresh Eyes​

Als Beispiel für eine moderne Kreativitätstechnik soll "Fresh Eyes" vorgestellt werden. Es geht dabei darum, dass man in einer Kreativitätssitzung eine vorgegebene, aber völlig neue Sichtweise einnimmt ("frischer Blick"). ​
Der*die Moderator*in formuliert zunächst mit der Gruppe das Problem und stellt sicher, dass es jeder verstanden hat. Danach legt er*sie eine Rolle fest, die alle einnehmen sollen. Dies erfolgt, indem er zufällig aus einer Liste von Perspektiven (siehe beispielsweise unten) eine auswählt, z.B. "Mafia-Boss". Das Problem soll nun aus dieser Sicht gelöst werden. Dabei werden drei Fragen verfolgt, deren Antworten notiert werden, z.B. auf einem Whiteboard:​

  1. Was wäre dem "Mafia-Boss" wichtig bei der Lösung des Problems?​
  2. Worauf würde sich der "Mafia-Boss" fokussieren, was würde er als erstes anpacken?​
  3. Mit welchen für ihn typischen Ideen und Methoden würde der "Mafia-Boss" das Problem lösen?​

Der*die Moderator*in achtet darauf, dass die gewählte Perspektive strikt eingehalten wird.​
Nun werden die Gruppenmitglieder gefragt, was sie aus dieser Perspektive gelernt haben, und was davon auf das Problem tatsächlich und ggfs. adaptiert angewendet werden könnte.​
Nach drei bis fünf Durchläufen mit immer neuen Rollen, haben die Teilnehmenden zahlreiche frische Ideen, mit denen weitergearbeitet werden kann.​

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Fresh Eyes: Beispielliste für Perspektiven
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