Laufzeit: 01.03.2023 - 29.02.2024
Leitung: Prof. Dr. Jennifer Schmidt (FB Gesundheit, FH Münster)
Kooperations-Partner: Virgobit UG
Projektträger: IGTA
Hintergrund des Projekts: Arbeitsstress ist eine häufige Folge hoher beruflicher Anforderungen im Zusammenspiel mit der eingeschränkten Fähigkeit, auf Stressoren angemessen zu reagieren. Er kann sich negativ auf die körperliche und psychische Gesundheit von Menschen (bis zum Burnout-Syndrom) sowie speziell auch Arbeitszufriedenheit und sogar Arbeitsfähigkeit mindern.
Aufgrund der hohen Stressbelastung in den Gesundheitsfachberufen bei gleichzeitigem Fachkräftemangel ist es hier besonders wichtig, mögliche Interventionen zur Reduktion von Arbeitsstress zu untersuchen. Solche Interventionen sollten und können jedoch nicht zu beliebigen Zeitpunkten nach dem "One-size-fits-all"-Prinzip eingesetzt werden. Wichtig ist es, gerade in Momenten hoher Stressbelastung zielgerecht zu intervenieren und die wirksamsten Interventionen mit dem geringstmöglichen Zeitaufwand einzusetzen.
Eine gute Möglichkeit, diese Anforderungen zu erfüllen, sind Just-in-Time Adaptive Interventions (JITAIs). JITAIs haben sich bereits in anderen Bereichen verschiedener Gesundheits- und Risikoverhaltensweisen als wirksam erwiesen. Somit könnten JITAIs auch dafür sorgen, proximale und distale Auswirkungen von Arbeitsstress zu reduzieren. Für Effektivität und Nutzer*innen-Akzeptanz müssen JITAIs gut konzipiert sein und auf einer zuverlässigen und validen Messung beruhen, die in alltäglichen Situationen stabil ist. Es muss also ein zuverlässiger Indikator zur Erfassung relevanter Gesundheitszustände - in diesem Fall: Stress - identifiziert werden. Zudem müssen die Interventionen passend gestaltet sein, um die Compliance der Nutzer zu stärken.
Die Überwachung von Stress im Alltag wurde bereits mit verschiedenen Messgrößen durchgeführt. Insbesondere physiologische Messungen haben hier den Vorteil, dass sie unabhängig von den Selbstauskünften eines Teilnehmers sind und detaillierter Längsschnitt-Zeitreihenbewertungen ermöglichen. Im Hinblick auf die Stresserkennung am Arbeitsplatz hat sich das physiologische Maß der Herzfrequenzvariabilität (HRV) als guter Stress-Indikator erwiesen. Aufgrund aktueller Entwicklungen werden technologiegestützte HRV-Messungen mobiler und können auch in realen Arbeitsumgebungen eingesetzt werden. Somit könnte die HRV ein valider Indikator für Stress und zugehörige JITAIs im Hinblick auf das Management akuter Stresssituationen zu sein.
Hinsichtlich der Anforderungen an die Interventionskomponente von JITAIs gibt es derzeit keinen Konsens über optimale kurzfristige Interventionstypen und -formate für JITAIs im Kontext von Gesundheitsfachberufen. Hier könnten verschiedene Interventionen geeignet sein, z. B. Atemübungen, Achtsamkeitsübungen, progressive Muskelentspannung, Imaginationsübungen oder Biofeedback. Diese sollten möglichst kurz gestaltet sein und hinsichtlich des Einsatzes im Gesundheitswesen optimiert werden, um ihre stressreduzierenden Effekte angemessen zu entfalten.
Ziel: Das Projekt JITAI de:stress befasst sich mit der Frage, ob JITAIs zur Stressreduktion bei Angehörigen der Gesundheitsberufe eingesetzt werden können, und wenn ja, in welcher Form diese JITAIs am besten bereitgestellt werden sollten.
Zu diesem Zweck müssen zunächst die bestmöglichen Indikatoren für eine akute Stresssituation im Arbeitsumfeld der Gesundheitsfachberufe auf der Grundlage der HRV (oder verwandter physiologischer Parameter) ermittelt werden. Parallel werden die optimale Gestaltung und Darbietungsmethode ultrakurzer Interventionen zur Stressreduktion in den Gesundheitsfachberufen ermittelt. Ziel ist eine Implementierung und spätere Evaluation entsprechender JITAIs im Rahmen einer klinischen Studie.
Durchführung/Methode: Im ersten Schritt erfolgt eine systematische Literaturrecherche zum Stand der Forschung zu physiologischen Stressindikatoren bei Messungen im Feld (konkret: im Arbeitsumfeld Gesundheitswesen).
Im zweiten Schritt erfolgt eine Machbarkeitsstudie zur Praktikabilität und Möglichkeit der Parametererfassung im Arbeitsalltag mit Probanden aus unterschiedlichen Gesundheitsberufen. Die hier gewonnenen Daten werden mittels geeigneter Signalverarbeitung und Merkmalsextraktion analysiert, um einen Algorithmus zur zuverlässigen Stresserkennung im Arbeitsalltag zu entwickeln.
Darauf aufbauend werden anhand einer objektiven physiologischen Stressbewertung geeignete Indikatoren für die Auslösung der JITAIs identifiziert, um diese später für die Interventionen nutzen zu können. Um die physiologischen Reaktionen mit dem subjektiven Stressempfinden abzugleichen, wird zusätzlich eine Erfassung von subjektiven Stressberichten im Tagesverlauf auf der Basis einer App-basierten Befragung durchgeführt.
Der dritte Teil des Projekts umfasst eine unabhängige Umfrage zu möglichen Feedback- und Interventionsmodalitäten ultrakurzer Interventionen zur Stressreduktion bei Beschäftigten im Gesundheitswesen. Ziel ist es herauszufinden, welche Dauer, Art und Darbietungsform von Interventionen geeignet sind, um im Gesundheitsbereich praktisch angewendet werden zu können.
Beschreibung der Schnittstellen zwischen Gesundheit und Technik: Das geplante Projekt ist an der interdisziplinären Schnittstelle zwischen Gesundheitsförderung / Prävention, Psychologie und Ingenieurwissenschaften angesiedelt. Das Themenfeld Gesundheit findet sich einerseits in Hinblick auf die gesundheitsrelevanten Prozesse des Stressmanagements und der Prävention wieder, andererseits in der Zielgruppe der Beschäftigten im Gesundheitswesen. Das Themenfeld Technik findet sich im Einsatz der technikbasierten Messung stressbezogener Indikatoren und der Darbietung entsprechend technikbasierter JITAIs zum Stressmanagement in akuten Stresssituationen wieder. Letztere erfolgt auf der Basis einer technisch zu entwickelnden Wearable-/App-Technologie.
Ansprechpartner*in:
Prof. Dr. Jennifer Schmidt: j.schmidtfh-muensterde