Frau Krieger, Sie sind im Frühjahr zu einem freiwilligen Praktikum nach Peru aufgebrochen. Wie kam es dazu?
Ich habe vom 1. März bis 21. April 2023 ein freiwilliges Praktikum am Internationalen Montessori College (MIC) in Trujillo/Peru absolviert. Im Rahmen meines Masterstudiengangs mit der beruflichen Fachrichtung Ernährungs- und Hauswirtschaftswissenschaft an der FH Münster und dem allgemeinbildenden Fach Sport an der Universität Münster sind einige Praktika verpflichtend. Darüber hinaus einmal Schulerfahrung im Ausland zu sammeln, war für mich sehr reizvoll. Neben der spannenden Erfahrung, in einem ganz fernen Land ein ganz fremdes Schulsystem kennenzulernen, hatte ich sogar die Gelegenheit, an einer Schulform zu unterrichten, für die ich eigentlich nicht ausgebildet werde, nämlich an einer privaten Montessorischule. Das hat meinen Blick über den Tellerrand noch einmal um ein Vielfaches erweitert!
Lehren und Lernen an einer privaten bilingualen Montessorischule
Was zeichnet das MIC in Trujillo besonders aus?
Das MIC besuchen rund 1000 Kinder und Jugendliche zwischen zwei und 18 Jahren. Vom Kindergarten über die Grundschule bis zur weiterführenden Schule ist hier also die gesamte Altersspanne eines Schullebens vertreten, und das auf demselben großen und modernen Schulareal.
Das MIC ist eine bilinguale Privatschule für Spanisch und Englisch. Deutsch wird als Pflichtfach bis zur zehnten Klasse unterrichtet. Meine Aufgabe war es, die Lehrkräfte der weiterführenden Schule im Deutschunterricht zu unterstützen. Ich bereitete Unterrichtsmaterialien vor, übernahm einzelne Unterrichtssequenzen und förderte leistungsschwache Schüler*innen in Kleingruppen.
Was hat Sie besonders an diesem Schulsystem und insbesondere an dieser Schulform beeindruckt?
Das Schulsystem ist geprägt von dem großen Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Schulen. Das Vermögen einer Familie bestimmt die Qualität des Bildungsweges, da private Schulen deutlich bessere Lehrangebote bieten als öffentliche, sich dafür aber auch sehr gut bezahlen lassen. In Relation: Das Schulgeld für ein Kind in der Oberstufe ist so hoch wie das Monatsgehalt der Lehrer*innen.
Zwei Kontinente - zwei Schulkulturen
Da ich eine private Schule besuchte, herrschte dort ein sehr hoher Standard. Die Digitalisierung war sehr viel fortschrittlicher als an manchen deutschen Schulen und das außerschulische Angebot war umfangreich, sodass die Schule bei vielen Schüler*innen gleichzeitig als Musikschule bzw. Sportverein fungierte.
Die Bindung zwischen Lehrkräften und Schüler*innen ist außerdem viel intensiver als in Deutschland. Besonders die Klassenlehrer*innen verbringen viel Zeit mit ihrer Klasse, da die Schule zu Beginn und zum Abschluss jeden Schultages eine sogenannte "Circle time" eingeräumt hat, in der organisatorische oder private Anliegen besprochen werden.
Gab es auch etwas, was Sie aus Ihrem bisherigen Studium und Ihrem Praxissemester gut einbringen konnten oder von dem die Schule in Peru profitieren konnte?
In Peru ist die Lehrer*innenausbildung weniger umfangreich als in Deutschland. Viele Lehrkräfte lehren ganz ohne pädagogische Ausbildung und "rutschen" als Expert*innen für einzelne Fächer in diesen Beruf. Den peruanischen Lehrkräften konnte ich aufgrund des hohen Anteils an Bildungswissenschaften und Fachdidaktik in unserem Studium viel über die Strukturierung von Unterricht vermitteln und vielseitige Unterrichtsmethoden oder Arbeitsformen an die Hand geben.
Alltag erleben in Trujillo
Wie sah Ihr Alltag an der Schule und an Ihrem Wohnort aus?
Während meiner Praktikumszeit waren noch fünf weitere Praktikant*innen an der Schule, sodass ich Pausen und Freistunden mit ihnen verbringen und meine Erfahrungen mit ihnen teilen konnte. Ich arbeitete von 7:15 Uhr bis 15:30 Uhr. Den Arbeitsweg konnte ich mit dem Fahrrad bestreiten. Ich buchte das Apartment über AirBnB und war rundum zufrieden mit der Wohnung und der Lage.
Nach der Schule und am Wochenende habe ich mit den anderen Praktikant*innen viel erlebt. Wir waren oft an der Küste surfen, ließen den Abend mit Leuten aus der Surfschule ausklingen, genossen den Sonnenuntergang am Meer, besuchten umliegende Orte, machten einen Salsa-Tanzkurs, unterstützten die einheimische Fußballmannschaft der ersten peruanischen Liga der Männer, schlenderten durch die Altstadt oder besuchten Bars und Restaurants.
Einige der anderen Praktikant*innen wohnten in Gastfamilien, mit denen wir gemeinsam etwas unternommen haben.
Die Reise geht weiter
Haben Sie neben Ihrem Praktikum die Möglichkeit genutzt, noch mehr von Südamerika kennenzulernen?
Meinen Praktikumsaufenthalt in Trujillo habe ich mit einer Reise durch Südamerika verbunden. Ich reiste vor dem Praktikum drei Wochen mit meinem Freund durch den sehenswerten Norden Perus. Wir erkundeten die Hauptstadt Lima und machten von dort aus einen Tagestrip nach Paracas und Ica. Danach ging es in die Anden nach Huaraz. Anschließend fuhren wir zurück an die Küste, zuerst nach Chimbote und dann ganz hoch in den Norden nach Máncora.
Nach dem Praktikum hatte ich die Möglichkeit, mit einer Praktikantin aus Münster, die ich dort kennengelernt habe, für zwei Wochen nach Ecuador zu reisen.
Wir starteten in Quito und reisten von dort mit dem Bus immer weiter in den Süden des Landes: nach Latagunga, Baños, Cuenca und Guayaquil. Von dort aus ging es für mich für die letzte Woche nach Cusco, bevor ich zurück nach Deutschland flog. Dort traf ich mich mit zwei anderen Praktikantinnen aus Tübingen, um eine ereignisreise Woche zu verbringen. Wir machten Tagestrips zum Machu Picchu, Rainbow Mountain und zu den sieben Lagunen. Zudem erkundeten wir die kulturreiche Stadt und tauchten in die Kulinarik des Landes ein.
"Es ist wichtig, die Eigenmotivation der Schüler*innen zu fördern."
Was haben Sie als angehende Lehrerin am Berufskolleg von "Montessori" für Ihre zukünftige Tätigkeit besonders mitgenommen?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Schüler*innen auf dem Weg zum selbstständigen Lernen aktiv unterstützt werden müssen. Selbstlernphasen können sehr wertvoll für Jugendliche sein, doch man kann nicht davon ausgehen, dass diese sinnvoll genutzt werden, sobald man solche in den Stundenplan der Schüler*innen integriert. Es ist wichtig, die Jugendlichen anzuleiten sowie die Eigenmotivation der Schüler*innen zu fördern.
Weitere Punkte sind die Gestaltung des Schulhofes und das umfangreiche außerschulische Angebot. Da das Schulgelände attraktive Spiel- und Bewegungsangebote bietet, wurde es den Schüler*innen am MIC leicht gemacht, ihre Pausen aktiv zu verbringen. Zudem konnten sie nach eigenem Interesse nach der regulären Schulzeit vielseitige Sport-, Musik- oder andere Bildungsangebote besuchen. Dies trug ganz wesentlich dazu bei, dass sich die Kinder und Jugendlichen freier entfalten konnten.
Was können Berufskollegs bei uns davon lernen?
Bei uns könnten Berufskollegs auch ein größeres Angebot an außerschulischen Aktivitäten bieten. Gerade für Schüler*innen, die wenig Unterstützung durch ihre Eltern erhalten, könnte dies dazu beitragen, dass Schüler*innen ihre Freizeit aktiver gestalten, soziale Kontakte knüpfen, ihre Stärken besser erkennen und sich weiterentwickeln.
Wie würden Sie Ihre Erfahrungen über das Land zusammenfassen?
Es war eine spannende Erfahrung, ein fremdes Schulsystem kennenzulernen und durch den engen Kontakt zu Lehrkräften, Schüler*innen, Gastfamilien und anderen Menschen, die ich kennenlernen durfte, eine neue Kultur zu erfahren. Ich konnte Freundschaften schließen und war stets von netten und hilfsbereiten Leuten umgeben. Zudem konnte ich mit dem Aufenthalt meine Sprachkenntnisse festigen und erweitern. Insgesamt war es eine abwechslungsreiche Zeit, die mich persönlich und als angehende Lehrerin weitergebracht hat.
Vielen Dank für die spannenden Einblicke und alles Gute, Frau Krieger, für den Abschluss Ihres Studiums!