Auszug zu "Räumliche Arbeitsbereichs­ Gestaltung" ©Reichardt

Die Arbeitswelt ist Teil unseres Seins. Der Arbeitsbereich als persönlich erfassbarer Teilbereich von Fertigung, Werkstatt oder Büro sollte ein selbstverständlicher und gleichermaßen erfreulicher Teil unserer Persönlichkeit sein. Es muss falsch sein, die Lebensqualität auf die Zeit außerhalb der Arbeit zu reduzieren und die Trennung von Arbeit und Freizeit kantenscharf auszulegen. Messlatte bei der Erfüllung menschlicher Bedürfnisse in Fabriken waren bislang die gesetzlichen Mindestforderungen für ausreichend Licht, Luft oder Schallschutz. Ihre Erfüllung galt allgemein schon als Inbegriff der Humanisierung des Arbeitsbereiches. Aber ebenso wichtig wie die messbaren Parameter für physisches Wohlbefinden sind die weniger eindeutig messbaren Parameter wie die Varianz des Tageslichtes und eine harmonische Umgebung.
Auf der Gestaltungsebene Arbeitsbereich sind die baulichen Möglichkeiten zur Förderung von körperlichem und geistigem Wohlbefinden, Arbeitsbereitschaft und Arbeitsleistung zu untersuchen. Bild 10.1 zeigt die wichtigsten Gestaltungselemente der Gestaltungsfelder Kommunikation, Belichtung, Behaglichkeit, Rekreation und Brandschutz. Im Weiteren werden diese erläutert und ihre Bedeutung für die Wandlungsfähigkeit näher betrachtet.

Bild 10.1: Übersicht der Gestaltungsfelder und -elemente eines Arbeitsplatzes

10.2 Auszug zu "Licht im Industriebau" ©Reichardt

In den 1970er Jahren wurde in Ablösung bewährter Oberlichter in Shed-Bauweise die fensterlose, künstlich belichtete und belüftete Fabrik propagiert. Mittlerweile setzt eine Rückbesinnung auf die atmosphärische Qualität guter Belichtung von Arbeitsplätzen ein, Ziel ist jetzt vielfach die Tageslichtfabrik. Gründe hierfür liegen im steigenden ökologischen Bewusstsein, aber auch in der durch innovationsorientierte Produktion höheren Qualifikation der Mitarbeiter. Nach [Schu94] ist im Industriebau die ausgiebige Nutzung natürlichen Lichtes eine höchst ratsame Strategie. Einmal bietet sie den großen ökonomischen wie ökologischen Vorteil der dauerhaften Einsparung von Energie für Zwecke der Raumbeleuchtung. Darüber hinaus ist Licht, und insbesondere Tageslicht, der wichtigste Faktor bei der menschlichen Arbeit. 80 bis 90 % seiner Informationen nimmt der Mensch durch optische Wahrnehmung auf. Licht beeinflusst Motivation und Wohlbefinden des Menschen. Vor allem natürliches Licht, also die Erlebbarkeit wechselnder Lichtintensitäten und Lichtatmosphären, wirkt auf den Organismus anregend. Unbestritten ist der physische Einfluss des herrschenden Wetters auf die Stimmung des Menschen. Der Tagesrhythmus von 24 Stunden bestimmt unser Wach- und Schlafverhalten
und ist damit ein unverzichtbarer Zeitgeber für vegetative Körperfunktionen (vgl. auch Bild 7.11). Als gesicherte Erkenntnis gilt, dass die Varianz des Sonnenlichtes Fehlerquoten in der Produktion verringert. In Ergänzung zu natürlichem Licht und zur Ausleuchtung in Dunkelzeiten muss eine sorgfältige Planung alle Bedingungen für eine künstliche Beleuchtung erfassen und zu einer Gesamtgestaltung integrieren. Die Lichtverteilung im Raum kann insbesondere bei tiefen Gebäudequerschnitten durch Systeme der Lichtumlenkung optimiert werden. Im Weiteren werden die Gestaltungselemente Tageslicht, natürliche Belichtung, künstliche Beleuchtung und Lichtumlenkung anhand von Strukturmerkmalen sowie ihrer Bedeutung für Wandlungsfähigkeit näher erläutert.

Bild 7.11: Verlauf der physiologischen Leistungsbereitschaft (nach Bjerner/Holm/Svenson und Graf, zitiert nach Landau)

10.2.1 Tageslicht

Das Tageslicht vermittelt vor allem durch seine stetige Veränderung seiner Komponenten wie Intensität, Richtung und spektrale Zusammensetzung wesentlich mehr Informationsinhalte als ein statischer Zustand, wie er beim Kunstlicht auftritt. Tageslicht bewirkt nicht nur bessere Sehbedingungen, es erleichtert auch durch seine Varianz die optischen Wahrnehmungsabläufe, vergrößert die Informationsaufnahme und verringert die mentale Belastung. Die somit erhöhte freie Gehirnkapazität steigert die Fähigkeit zur Aufmerksamkeit und verhindert Fehlleistungen. Die intelligente Nutzung der kostenlosen Ressource Tageslicht ist durchaus nicht selbstverständlich. Der Lichtplaner C. Bartenbach beklagt gerade im Industriebau ein mangelhaftes Verständnis für Tageslicht. "Leider sind die Vorkehrungen zur Nutzung des Tageslichtes oft überaus dürftig. Eigentlich ist das unverständlich, da gerade in diesen Bereichen sich jeder Fehler sofort finanziell auswirkt und Investitionen für Licht-, Seh- und Wahrnehmungsmittel gemessen an den Investitionen der Gebäude und Produktionsmittel verschwindend klein sind" [Bar98].
Sonnenlicht hat die Eigenschaft, als kurzwelliges Licht durch die Glasflächen einzutreten, danach als langwellige Wärmestrahlung den Innenraum aufzuheizen.

Die thermische Komponente großer Glasflächen muss also jeweils beachtet werden. Fußten Untersuchungen zu Lichtausbeute und Wärme bisher auf überschlägigen graphischen Nachweisen im Schnittprofil des Gebäudes bzw. auf einer groben Abschätzung der erwarteten Raumaufheizung, stehen heute ausgereifte Techniken wie 3D-Licht- und Energiesimulationen zur Verfügung. Es geht bei einer angemessenen Belichtung der Arbeitsbereiche vor allem um die Ziele einer gleichmäßigen Ausleuchtung und Lichtausbeute. Eine gleichmäßige Ausleuchtung vermeidet Schlagschattenwurf und ist blendfrei. Die auf der Arbeitsebene gemessene Gleichmäßigkeit der Lichtverteilung hängt von deren Abstand zu den Lichtöffnungen im Dach ab, während eine gute, gleichmäßige Lichtausbeute durch die Größe und Art der Verglasung bestimmt wird. Der Vergleichsmaßstab des im Innenraum verfügbaren Tageslichts zur außen herrschenden Lichtstärke bei bedecktem Himmel wird mittels des Tageslichtquotienten TQ ermittelt.

10.2.2 Natürliche Belichtung

Bild 10.7 zeigt den Verlauf des Tageslichtquotienten TQ über die Raumbreite bei verschiedenen Raumquerschnitten, wie sie in der Praxis anzutreffen sind. Als Tageslichtquotient wird das Verhältnis der Beleuchtungsstärke im Innenraum zur Beleuchtungsstärke draußen bei bedecktem Himmel mit TQ = innen (lx) / außen (lx) definiert. Für alle Raumformen des Bildes wird die Summe der Tageslichtöffnungen mit einem Sechstel der Raumgrundfläche vorausgesetzt. Dieser Parameter wird als Fensterfaktor KF bezeichnet und als KF = Fensterfläche / Raumgrundfläche definiert.

Bild 10.7: Einfluss des Rraumquerschnitts auf den Tageslichtquotient

Der für ein Seitenfenster typische Tageslichtverlauf wird unter der erwähnten Annahme für KF im oberen linken Bildteil dargestellt. Der mittlere erzielbare TQ-Wert ist, bedingt durch die geometrische Lage des Fensters zum Himmelsausschnitt, nicht optimal. Durch den exponentiellen Abfall der Intensität des eintretenden Tageslichtes vom Fenster in den Raum wird das bereits eingeschränkte Tageslicht schlecht nutzbar. Daher ist es kaum möglich, durch Seitenfenster beleuchtete tiefere Räume ohne künstliche Ergänzungsbeleuchtung zu nutzen. Arbeitsplätze, deren Tageslichtquotient 2 % oder niedriger ist, kommen ohne künstliche Beleuchtung im Allgemeinen als Tageslichtarbeitsplätze nicht in Frage. Eine grobe Faustregel lautet, dass Punkte im Raum, von denen aus kein Stück der freien Himmelsfläche zu sehen ist, meistens nicht ausreichend mit Tageslicht beleuchtet sind. Bei Lichteintrag von oben kann die Raummitte besser mit Tageslicht versorgt werden. Bei entsprechender Gestaltung der Eintrittsflächen ist eine gleichmäßige Ausleuchtung zu erzielen.
Aus den genannten Kriterien hat sich im Industriebau eine Reihe von Dachbelichtungsformen in
Variation der sogenannten Shed-Dachformen (engl. shed = Schuppen, Verschlag) entwickelt, die auf der nördlichen Erdhalbkugel nach blendfreiem Nordlicht ausgerichtet sind.
Das Shed-Dach kommt vor allem bei großflächigen Bauten zum Einsatz. Durch mehrfaches Hintereinandersetzen von kleinen satteldachartigen Aufbauten bleibt die Dachhöhe insgesamt gering. Die Neigung der beiden Seiten jedes Reiters ist normalerweise verschieden, in der Regel steht eine Seite sogar senkrecht, damit das Gebäude weniger Stützen für den Dachaufbau benötigt. Die steile Seite wird meist in Glas ausgeführt.
Bild 10.8 zeigt eine vereinfacht dargestellte Lichtverteilung in Hallenräumen für im Industriebau übliche Dachformen und Bild 10.9 nennt für diese Oberlichtformen charakteristische Vor- und Nachteile für die Belichtung. Mit dem einfallenden Tageslicht gelangt Wärme in den Raum, die an Sonnentagen auf Maximalwerte ansteigt.

Bild 10.8: Lichtverteilung bei verschiedenen Dachformen
Bild 10.9: Vor- und Nachteile verschiedener Oberlichtformen

Neben möglichen Blendungserscheinungen an den Arbeitsplätzen muss die unzulässige Aufheizung des Raums und der Einrichtungen durch die Sonneneinstrahlung kompensiert werden. Dies kann zum Teil durch Sonnenschutzsysteme geleistet werden, die die Sonneneinstrahlung verhindern. Dadurch wird auch die Lichtstärke entsprechend reduziert. Die Folge ist das Paradoxon, dass an schönen Sonnentagen bei wirksamem Sonnenschutz vielfach Kunstlicht in Betrieb genommen werden muss.
Nach Norden ausgerichtete Oberlichter in Shedform gewährleisten eine gleichmäßige Beleuchtung ohne wechselnde Licht- und Schattenspiele. Blendgefahr besteht dadurch nicht und ein Sonnenschutz ist in der Regel nicht notwendig. Mit Monitordächern ist bei geschickter Anordnung ebenfalls eine gute Hallenausleuchtung erzielbar; Sonnenstrahlen können dann gezielt, ohne Blendgefahr oder Hallenaufheizung, in die Halle eindringen.
Die für ein Industrieprojekt zu realisierende Lichtführung kann nach [Bra05] nur unter weitsichtiger Abwägung einer Vielzahl von Aspekten von Prozess, Logistik und Nutzererforderungen entwickelt werden. Die Wandlungsfähigkeit im Hinblick auf Tageslichtnutzung hängt hierbei entscheidend von der Wahl lichttechnisch günstiger Oberlichtformen und Raumquerschnitte ab. Die voraussichtliche Lichtverteilung kann mit Hilfe von 3D-Lichtsimulationen zur Variantenbewertung insbesondere bei einer Kombination mehrerer Oberlichtformen zwecks Vermeidung nachteiliger Belichtung untersucht werden. Bild 10.10 zeigt als Auszug einer Tageslichtsimulation die Ermittlung verfügbarer Lichtmengen an den Arbeitsplätzen einer großen Halle von 126 m x 40 m. Wichtige Parameter des Lichtmodells waren insbesondere die geographische Lage und Himmelsausrichtung der Halle, die Hallengeometrie sowie die Farben und Reflektionsgrade aller Flächen des Innenraums.

Bild 10.10: 3D-Simulation der Tageslichtverteilung einer Industriehalle

10.2.3 Künstliche Beleuchtung

Für den ungestörten Sehvorgang werden nach Schätzungen von Medizinern etwa 75 % des gesamten menschlichen Energiehaushaltes benötigt. In Ergänzung der natürlichen Belichtung kommt daher der künstlichen Beleuchtung am Arbeitsplatz eine überragende Bedeutung zu. Diese beinhaltet den Aspekt der Humanisierung der Arbeitswelt, aber auch Aspekte einer wirtschaftlichen Arbeitsplatzgestaltung. Die wesentlichen lichttechnischen Gütemerkmale, die berücksichtigt werden müssen, um eine optimale Beleuchtung zu erzielen, sind Beleuchtungsniveau, Gleichmäßigkeit der Beleuchtungsstärke, Begrenzung der Blendung, Lichtrichtung und Lichtfarbe sowie die Wirtschaftlichkeit. Als Gütekriterium für den Helligkeitseindruck wird die Beleuchtungsstärke Lux (lx) herangezogen. Sie ist definiert als Lichtstrom (gemessen in Lumen) pro m2. Der Lichtstrom einer Kerze beträgt etwa 10 Lumen.
Aufgrund physiologisch-optischer, arbeitsphysiologischer und psychologischer Untersuchungen gelten folgende Empfehlungen:

  • 200 lx als Mindest-Beleuchtungsstärke für ständig besetzte Arbeitsplätze,
  • 500 bis 2000 lx als optimaler Bereich für Arbeitsstätten in Gebäuden und
  • 2000 bis 4000 lx als Bereich für besonders feine Arbeiten.

Als Kompromiss zwischen wirtschaftlich realisierbarer und wissenschaftlich erforderlicher Beleuchtungsstärke führt DIN 5035 Teil 2 Mindestrichtwerte der Nennbeleuchtungsstärke für 176 unterschiedliche Tätigkeiten an. Die Werte liegen für die meisten Arbeitsstätten zwischen 200 lx und 1000 lx. Bild 10.11 zeigt vorgeschriebene Nennbeleuchtungsstärken, Lichtfarben, Farbwiedergabeeignung und Blendklassen für häufige industrielle Tätigkeiten nach DIN 5035.

Bild 10.11: Nennbeleuchtungsstärke für industrielle Tätigkeiten

Flächen relativ hoher Leuchtdichte verursachen im Gesichtsfeld Störungen, und durch Blendung wird das Wohlbefinden beeinträchtigt. Beleuchtungsanlagen, bei denen Nutzer das Empfinden äußern, das Licht sei zu grell, sind in den meisten Fällen in Bezug auf Blendungsbegrenzung ungenügend ausgelegt. Näheres regelt DIN 5035. Reflexblendung wird verursacht durch Spiegelung hoher Leuchtdichten auf glänzenden Oberflächen. Sie kann durch passende Leuchtenanordnung, matte Geräteoberflächen oder abgetönte Raumwände und -decken verringert werden.
Lichtrichtung und Schattigkeit beeinflussen in starkem Maße die Erkennbarkeit räumlicher Gegenstände, und eine unnatürliche Lichtrichtung kann die falsche Wiedergabe der plastischen Form bewirken. Durch einen genügend hohen Vertikalanteil des Lichtes kann der Silhouetteneffekt gemildert werden, der entsteht, wenn Gegenstände oder Personen vor hellen Fensterflächen beobachtet werden. In Industriebetrieben sollte ein Verhältnis von vertikaler zu horizontaler Beleuchtungsstärke von 1:3 angestrebt werden.
Veränderliche Stimmungen von Licht und Farbe haben nach [Deh01] über die Wahrnehmung von
Helligkeit hinaus physisch-psychische Wirkungen auf Wohlbefinden und Stimmung des Menschen. Die Lichtfarbe bestimmt sich nach ihrer spektralen Strahlungsverteilung. Die Farbtemperatur ist ein Maß für den Farbeindruck einer Lichtquelle. Sie wird definiert als die Temperatur, auf die man einen schwarzen Körper aufheizen müsste, damit er Licht einer Farbe abgibt, das (bei gleicher Helligkeit und unter festgelegten Beobachtungsbedingungen) der zu beschreibenden Farbe am ähnlichsten ist. Die Einheit für die Farbtemperatur ist Kelvin (K). Elektrische Lampen werden bezüglich ihres Farbeindrucks in drei Lichtfarben eingeteilt: ww - warmweiß (bis 3300 K), nw - neutralweiß (3300 K-5000 K), tw - tageslichtweiß (ab 5000 K). Die Farbwiedergabe beeinflusst in hohem Maße das farbige Aussehen von Objekten, sie wird durch den Farbwiedergabeindex Ra gekennzeichnet (1 = Glühlampe bis 4 = Natriumdampfleuchte), wobei Glühlampen am wenigsten farbverfälschend wirken. Eine relativ neue Entwicklung sind truelite Lampen, die gegenüber herkömmlichen Leuchten einen wesentlich höheren spektralen Infrarotanteil aussenden und dadurch der Farbwiedergabe des natürlichen Sonnenlichtes noch mehr entsprechen. Ein Vergleich zwischen unterschiedlichen Beleuchtungsanlagen ist immer zweckmäßig, wobei zu beachten ist, dass vergleichbare beleuchtungstechnische Qualitätsmerkmale die Grundlage bilden. Bei betriebswirtschaftlichen Überlegungen ist auch der elektrische und mechanische Aufbau der Leuchte zu berücksichtigen, im Besonderen die Montage- und Wartungsfreundlichkeit. Flexible, wandlungsfähige Arbeitsplätze sollten zumindest in der Anschlussleistung der Beleuchtung weitsichtig ausgelegt werden. Gutes Licht schafft nachweislich eine höhere Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft, verhindert vorzeitige Ermüdung, fördert Merkfähigkeit und logisches Denken, fördert Sicherheit und Schnelligkeit und reduziert schließlich die Fehlerhäufigkeit und Unfälle [Rüs05].
Bild 10.12 zeigt die Auswirkung erhöhter Beleuchtungsstärke auf die Arbeitsleistung, Ermüdung sowie die Abnahme von Unfällen. Im Rahmen der erwähnten 3D-Lichtsimulation können außer dem Nachweis der Beleuchtungsstärken unter Berücksichtigung geplanter Leuchtenfabrikate fotorealistische Nacht- stimmungen erzeugt werden.

Bild 10.12: Auswirkung Erhöhung Beleuchtungsstärke auf Leistungsfaktoren

10.2.4 Lichtlenkung

Ein Problem der Seitenbelichtung ist der Einfluss von Raumhöhe, Raumtiefe und Einschränkung des seitlichen Lichteinfalls durch benachbarte Gebäude. Bei üblichen Raumhöhen sind Raumtiefen größer als 7,0 m nicht mehr natürlich auszuleuchten, ein Grund, weshalb historische Geschossbauten auch bei großen Raumhöhen selten Fertigungstiefen von mehr als 15 m bereitstellten. Damit stellt sich die Frage, wie blendfreies Sonnenlicht in die Tiefe des Raumes geleitet werden kann. Hier erweisen sich Systeme der Lichtumlenkung als besonders hilfreich, weil sie das Sonnenlicht in Raumtiefen von bis zu 20 m transportieren. Die Idee der Lichtlenkung ist nicht neu; schon 1900 bestand ein Patent zur Umlenkung des Sonnenlichtes über Spiegel ins Gebäudeinnere. Der Lichtexperte Ch. Bartenbach erforscht seit vielen Jahren Möglichkeiten der gleichmäßigen Ausleuchtung größerer Raumtiefen durch Reflexion des Tageslichtes an Decken, besonders geformten Fassadenelementen oder Gläsern mit integrierten Elementen. In Zukunft könnten nach [Bar01] LED-Systeme hierfür besonders geeignet sein. Die von Gutjahr und Müller [Mül01] entwickelten holographischen Folien ermöglichen eine gezielte Lichtlenkung, mit der über verhältnismäßig schmale Fassadenstreifen die Ausleuchtung der Raumtiefe sichergestellt werden kann, während der Rest der Fassade freien Durchblick bietet. Unter Einbeziehung von gegenwärtig verfügbaren Techniken der Lichtlenkung zeigen die Darstellungen in Bild 10.13 Möglichkeiten für Lichtlenksysteme an einem Büroraum auf. Über Spiegelreflektoren, Lightshelfs oder Mikroprismenplatten lässt sich das Licht weit in die Tiefe des Raumes lenken und den für Büroarbeit nutzbaren Tageslichtquotienten deutlich anheben.

Bild 10.13: Systeme für seitlichen Lichteintrag

Auszug zu "Synergetische Fabrikplanung" ©Reichardt

15.3.7 Visionsfindung

Die Definition einer gemeinsamen Vision für die Fabrik ist ein diskussionsintensiver Prozess, da je nach Interessengruppe (Eigentümer, Geschäftsführung, Mitarbeiter, etc.) sehr unterschiedliche Vorstellungen über eine solche Vision bestehen. Um eine höchstmögliche Akzeptanz innerhalb des Projektteams zu erreichen, sollte daher eine Fabrikvision nicht autoritär von der Geschäftsleitung bestimmt, sondern gemeinsam im Team der leitenden Mitarbeiter herausgearbeitet werden. Im Einzelnen sind dabei die folgenden Fragen zu klären:

  • Was ist die Vision, das Leitbild unseres Unternehmens (z. B. Marktführer, Fast Follower, bester Partner, Innovationsführer)?
  • Was sind die Metaziele unseres Standortes (z. B. Umsatz, Rendite, Lieferzeiten, Marktanteile, Produkte, Produktivitätssteigerung, Umschlagshäufigkeit, Bestandssenkung, Systemfähigkeit, Qualität, Wandlungsfähigkeit, Stückzahlen / Ausbringung, Vergleich mit Wettbewerb, usw.)?
  • Mit welcher Strategie wollen wir diese Ziele erreichen(z. B. Kostenführerschaft, Pionierstrategie, Kooperationsstrategie, Imitationsstrategie, Nischenstrategie, Technologieführerschaft, Null- Fehler-Strategie, KVP, Prozessorientierung)?
  • Sind Notfallstrategien erforderlich z. B. durch Redundanz, Erweiterungsfähigkeit in kleinen Stufen, Rückbaubarkeit?

Bild 15.20 zeigt die Ergebnisse eines diesbezüglichen Workshops für den Beispielfall.

Im linken oberen Bildteil ist die Vision als Ergebnis einer hier nicht gezeigten Sammlung von Ideenkarten zusammengefasst, während die Aussagen zu den Metazielen und der Unternehmensstrategie im rechten Bildteil aufgeführt sind. Die Metaziele bilden die für das gesamte Fabrikprojekt wesentliche Geschäftsgrundlage und dienen als Basis einer späteren Erfolgskontrolle. Die Unternehmensstrategie für die Fabrik konzentriert sich in diesem Fall auf die zwei Aspekte Produktqualität und Wandlungsfähigkeit durch Modularität. Als wichtige Randbedingung wird ein sehr kurzer Realisierungszeitraum vorgegeben, da die von diesem Produkt belegte Produktionsfläche von einem anderen Produktbereich benötigt wird.

 

Bild 15.20: Vision, Metaziele und Fabrikstrategie (Beispiel)

15.3.8 GENEering

Wie bereits früher dargestellt wurde, ist eine Fabrik immer auch Ausdruck der unternehmerischen Kultur und reflektiert nicht zuletzt die Ansprüche des Unternehmens an sich und das eigene Produkt. Bedient ein Unternehmen bspw. primär den Markt für regenerative Energien, sollten die dort verfügbaren Technologien auch Verwendung in der Fabrik finden. Dementsprechend muss die unternehmerische Ge- samtvision nicht nur aus Produktions-, sondern auch aus Raumsicht in eine Fabrikvision transformiert werden.
Eine dafür bewährte Methode ist das bereits erwähnte GENEering [Rei01]. Der Begriff ist eine sprachliche Kreuzung zwischen "Gene" und "Engineering". Die Methode befasst sich aus Sicht der Objektplanung mit der Entwicklung eines sog. DNA-Codes. Dieser legt die strukturbildenden Parameter im zukünftigen Lebenszyklus der Fabrik und damit die sog. Leistungsform eines Objektes unter dem Motto "Form follows Performance" fest. Es empfiehlt sich in der Sammlung der Aspekte nach "interner Sicht" (z.B. Mitarbeiter) und "externer Sicht" (z. B. Kunden, Geschäftspartner) zu unterscheiden.
Im besten Fall lassen sich die verschiedenen Wünsche und Ziele in eine gemeinsame Vorstellung für die nahe Zukunft integrieren. Bild 15.21 verdeutlicht diese insgesamt 8 Faktoren, die in weiteren Schritten durch ausdrucksstarke Bilder aus diesen Bereichen visualisiert werden. Sie haben in einem ersten Durchlauf nicht unmittelbar etwas mit Fabrikbauten zu tun, um neue Assoziationen der Workshopteilnehmer auszulösen. In einem zweiten Durchlauf werden die Faktoren in gleicher Weise, diesmal an Beispielen des Fabrikbaus orientiert, durchgespielt.

Bild 15.21: GENEering Ansatz

Jeder einzelne Faktor wird noch einmal in drei Un- terbegriffe zerlegt und aus interner und externer Unternehmenssicht beleuchtet. Bild 15.22 zeigt die Ergebnisse der entsprechenden Detaildiskussion für den Faktor Wandlungsfähigkeit aus einem Projekt [Rei04]. Jeder Unterbegriff erhält dabei eine Bedeutung zugewiesen, deren Wert zwischen 1 (unbedeutend) und 10 (sehr große Bedeutung) liegen kann. In diesem Beispiel erhielten Modularität und Flexibilität einen hohen Punktwert, während die Mobilität kaum Bedeutung hatte.
Der arithmetische Mittelwert fließt dann in ein Gesamtbild des Gen-Codes dieses Objektes ein, den Bild 15.23 zeigt. Dabei findet eine Einteilung in harte und weiche Bewertungsfelder statt. Im letzten Schritt erfolgt eine Zuordnung dieser gewünschten Ausprägung des Gesamtobjektes zu den betroffenen Gestaltungsfeldern, wie im rechten Bildteil angedeutet. In diesem Fall ist eine starke Dominanz der weichen Faktoren beim Standort, den Gebäuden und der Organisation zu erkennen. Die Ergebnisse werden abschließend in Leitlinien für die Objektgestaltung transformiert, die z.B. so aussehen können:

  • Wandlungsfähigkeit durch Mobilität, Modularität, Mitarbeiterqualifikation und Arbeitszeitmodell erhöhen.
  • Neue Technologien für Bauwerk, Brandschutz, Wärmerückgewinnung nutzen.
  • Effizienz durch Grenzwertüberlegungen (minimale Durchlaufzeit, minimale Bestände usw.) steigern. 
  • Ökologie durch Ersatzflächen sichern, lokale Regenwasserversickerung beachten. 
  • Ästhetik durch Ordnung, Farbkonzept und Medienführung schaffen. 
  • Kommunikation durch fertigungsnahe Supportfunktionen wie Arbeitsvorbereitung, Auftragsabwicklung usw. fördern. 
  • Identität durch Exponate, Individualität, Tradition und Mythos in einem Foyer stiften.

 

Bild 15.22: Aspekte und Bewertung des Faktors Wandlungsfähigkeit (Beispiel)
Bild 15.23: Beispiel eines Gen-Codes für ein Objekt

Durch die anschließende gemeinsame Diskussion der Zielbegriffe aus produktionstechnischer und objektbezogener Sicht entstehen oft sehr originelle Ideen, die besonders in der Strukturplanung der Produktion und Gebäude lösungsprägend sind.
Besondere Bedeutung gewinnt das GENEering in der Diskussion um Nachhaltigkeit im Industriebau. In ihrem vielbeachteten Buch "Cradle to Cradle" weisen Braungart und McDonough bereits 2002 auf die damals noch wenig zur Kenntnis genommenen Begleiterscheinungen der Industriegesellschaften wie z.B. Umweltgifte in Produkten, ungelöste Müllentsorgung oder unwiederbringliche Ressourcenvernichtung hin [Bra09]. Das Ziel der Energieeffizienz ist hiernach nur eines von vielen Themen einer umfassenden Nachhaltigkeit, gerade bei der Planung von Fabriken. Die Methode der fraktalen Zerlegung zur Lösung von komplexen Problemstellungen mithilfe eines Fragen-Antworten-Dialoges innerhalb eines Feldes sich gegenseitig beeinflussender Wirkbereiche wurde nach [Bra 09] im Jahr 1919 als "Sierpinski Gasket" des gleichnamigen polnischen Mathematikers entdeckt. In ähnlicher Art zielt die Methodik des GENEering auf die Erschließung der Kreativität der Workshopteilnehmer ab, indem Wirkbereiche und Fraktale der Fabrikplanung mit visuellen Assoziationstechniken unterstützt werden.

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