28/11/2017

Mart Stam Ausstellung - Besuch im Marta Herford -  22.11.2017

"Ich kenne keinen Mart Stam" - So antwortete eben jener Mart Stam am Telefon Axel Bruchhäuser, Geschäftsführer des Möbelproduzenten TECTA , der ihn nach langer Suche endlich im Exil finden konnte.

"Ein Architekt und Designer, dem trotz seiner einflussreichen Arbeit, keine so nachhaltige Berühmtheit zu teile wurde, wie seinen Zeitgenossen und Mitstreitern Gropius, Breuer und co." - laut Benedikt Pienkoß, Student an der MSA | Münster School of Architecture und tätig im Büro BOK + Gärtner, welches verantwortlich für das Ausstellungsdesign im Marta Herford ist.

 

Zu Ehren des 100-jährigen De-Stijl-Jubiläums wird hier noch bis zum 04.02.2018 die Ausstellung "Revolution in Rotgelbblau - Gerrit Rietveld und die zeitgenössische Kunst" zu sehen sein, die sich mit der revolutionären De-Stijl-Bewegung aus den Niederlanden und dem Schaffen von Gerrit Rietveld beschäftigt. Eine Zweite findet parallel unter dem Namen "Radikaler Modernist - Das Mysterium Mart Stam" statt (noch bis zum 07.01.2018).

Ein wenig beachteter und doch so federführender Architekt der Moderne, der auch als Designer tätig war. So entwarf er zum Beispiel gleich zu Beginn seiner Karriere 1926 den Kragstuhl, den hinterbeinlosen Stuhl, der als Vorlage für die bekannten Freischwinger-Stühle von Mies van der Rohe und Marcel Breuer gilt.

Zeitgleich wurde sein Entwurf für ein Reihenhaus in der Weißenhof-Siedlung in Stuttgart umgesetzt, damit war er der dort jüngste tätige Architekt.

Hier zeichnet sich bereits seine politische und soziale Haltung ab, die ihn später in das oben genannte Exil treiben wird.

Nicht nur das Henry und Emma Budge-Heim, das er zusammen mit Werner Moser entwarf, sondern viele weitere Projekte, wie zum Beispiel städtebauliche Planungen in der Sowjetunion in gewaltigen Dimensionen, setzte der bekennende Kommunist in die Realität um (Magnitogorsk). Die neue Macht im Osten lockte viele Künstler und Architekten, zum einen durch den Mangel an Fachkräften, andererseits aber auch die soziale Utopie, der er sich verschrieben hatte. So verließ er Deutschland zusammen mit Ernst May in Richtung UdSSR um seinen sozialen Anspruch an das Bauen zu verwirklichen. Er hoffte, mit seinen Entwürfen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Arbeiterschaft beitragen zu können. Doch genau darüber gerät er schließlich auch in einen fulminanten Streit mit der Regierung, woraufhin er gerade noch rechtzeitig, denkt man an Stalins Verfolgung von Gegnern und Kritikern seines Systems, in sein Heimatland nach Amsterdam zurückging.

Dank verschiedener realisierter Projekte freundete er sich mit dem damaligen Leiter des Stedelijk Museums, Willem Sandberg, an. Zusammen entwickelten sie im Rahmen verschiedener Ausstellungsgestaltungen unter anderem das Konzept der Präsentation von Kunstwerken in weiß gestrichenen Räumen - der sogenannte White Cube.

In dieser Zeit, Ende der 1930er Jahre, übernahm er auch Direktorenposten der Kunstgewerbeschule IvKNO (heute Rietveld Akademie) in Amsterdam. Er engagierte sich im Widerstand gegen die deutsche Besatzung und erstellte mit Typographen und Künstlern abertausende gefälschte Dokumente.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wandte er sich wieder dem Ausstellungsdesign zu, unter anderem für das Lebenswerk seines bereits verstorbenen Freundes Piet Mondrian.

Mit dem Aufkommen des Sozialismus' in Deutschland erhielt er in der DDR den Direktorenposten der Dresdener Kunstakademie. Trotz seines Scheiterns in der UdSSR ging er mit Elan an die neue Aufgabe und initiierte eine neue Lehrstruktur nach Bauhaus-Vorbild, was jedoch auf gespaltene Reaktionen stieß. Er wechselt schließlich an die die Hochschule für angewandte Künste in Berlin-Weißensee. Seine Innovationen werden aber auch hier von den DDR-Oberen zunehmend als formalistisch und nicht an den Notwendigkeiten des Arbeiter- und Bauernstaats orientiert gesehen. Eine Auseinandersetzung, die als Formalismusdebatte in die Geschichte einging. Unvermittelt wird er entlassen und es gelingt ihm mit seiner Frau in letzter Minute noch ein Ausreisevisum zu bekommen und nach Amsterdam zu flüchten. Zwischen 1953 und 1966 hat er auch hier Probleme - seine offene politische Haltung erschwert ihm die Arbeit als Architekt, bis er schließlich ins Exil in die Schweiz flieht und untertaucht. Den Kontakt zur Familie bricht er daraufhin ab und driftet in die Religiosität und Spiritualität ab, malt Landschaftspanoramen. Als Reaktion verstecken er und seine Frau sich unter ihrem Geburtsnamen Heller Namen bleiben nur für kurze Zeit an einem Ort. Nur sehr wenigen Personen, darunter sein Architektenfreund Alfred Roth, gelingt es Mart Stam in der Schweiz ausfindig zu machen. Stam stirbt schließlich mit 87 Jahren 1986 in Goldach im Kanton St. Gallen.

 

Die MSA | Münster School of Architecture unterstützt das Marta Herford durch Modelle für die Ausstellung, die zu Zeiten der D12-Kooperation erstellt wurden. Mithilfe der internationalen Hochschulkooperation konte unter anderem das Budge-Heim vor dem Abriss gerettet werden.
Der Prosessor des Fachbereichs für Architekturgeschichte und Theorie, Herr Prof. Dr. phil. Thorsten Bürklin, empfängt die Besucher mit einem Video zu der Person Mart Stam und dessen tragischem Lebenslauf.

Marta Herford

"Radikaler Modernist - Das Mysterium Mart Stam" 05.11.2017 - 07.01.2018

"Revolution in Rotgelbblau - Gerrit Rietveld und die zeitgenössische Kunst" 14.10.2017 - 04.02.2018

Das Interview führten Studierende der MSA | Münster School of Architecture:

Benedikt Pienkloß B.A., Matthias Boeke B.A., Johannes Rose B.A., Leo Filser und Paul Althaus

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