Welche Gründe haben Sie zu der Entscheidung geführt, Architektur zu studieren?
Ich habe bereits als Kind, durch das Spielen mit Lego, das Interesse an Architektur entdeckt. Im Teenager Alter war ich dann eher verunsichert. Ich glaube, was mir geholfen hat (eigentlich mag ich es kaum gestehen) war die Bundeswehr. Wehrpflicht war in meinen Augen eine totale Zeitverschwendung. Nach dieser Verschwendung war mir klar, dass ich etwas machen möchte, das mich wirklich tief und nachhaltig interessiert. Und so kam es dann: Darmstadt war in der Nähe von Wiesbaden, die Stadt in der ich zum Gymnasium gegangen bin. Ich bin zur Fakultät gefahren und habe mich bereits im ersten Augenblick sehr wohl gefühlt. So hat sich der Weg zum Architekten ergeben.
Studium in Cambridge, TU Darmstadt und an der ETH - welche Bedeutung hatte es für Sie im Ausland zu leben und zu studieren?
Ich habe das Vordiplom in Darmstadt gemacht und auch später dort weiter studiert.
Bereits ein Jahr vor dem Vordiplom hatte ich schon in London gearbeitet und das war eine wichtige Erfahrung. Wobei ich zum Teil schon als Kind in London aufgewachsen bin, somit war es nicht ein richtiger Wechsel. Aber es war eine schöne Zeit in einem netten Büro (Richard Horden Associates) und es war eine sehr gute Erfahrung. So kam der Wunsch nach einem weiteren Auslandsjahr.
Die ETH wollte es leider in der Zeit nicht, dass man einfach in die Schweiz wechselt. Was sie jedoch zuließen, war ein Auslandsjahr. So war es möglich, Entwürfe, die ich an der ETH machte, mir von den Lehrstühlen an der TU Darmstadt anrechnen zu lassen. Das sah dann de facto so aus, dass ich meine Studienzeit sogar verkürzen konnte, weil es in Darmstadt üblich war, dass Entwürfe 2-3 Semester gedauert haben. An der ETH war das anders: Ein Entwurf war innerhalb eines Semesters abzuhandeln.
In dieser Phase suchte ich die Schweizer Erfahrung. Mich interessierte, was in der deutschen Schweiz so los war, wenn man jetzt zurückblickt in die Architekturgeschichte der 80er Jahre. Da ist ja einiges passiert, wie z.B. Herzog & de Meuron oder Diener & Diener. Also bin ich hin und habe ein Jahr bei Adrian Meyer studiert. Die zwei Entwürfe bei ihm waren eine tolle Erfahrung und er ist auch seitdem ein Freund geblieben. Daraufhin bin ich zurück nach Darmstadt und habe bei Max Bächer diplomiert.
Anschließend habe ich meine Bewerbungen in alle Himmelsrichtungen verschickt, ich wollte unbedingt raus aus Deutschland. Die erste Antwort kam aus London von Norman Foster. Die hatten gerade den Reichstag gewonnen und brauchten deutschsprachige Leute. Das habe ich dann ein Jahr lang gemacht und bin von dort aus woanders hin.
Halten Sie es für wichtig, dass man die Erfahrung des Auslandssemesters innerhalb des Studiums macht - den Schritt an eine andere Hochschule wagt?
Ja, ich halte es für dringend empfehlenswert und auch andere Hochschulen zu sehen, ist interessant. Selbst als Lehrer an eine andere Hochschule zu gehen, ist sehr interessant da jede Hochschule ihre Eigenheiten hat. Man lernt durch den Vergleich.
Gibt es für Sie deutliche Unterschiede zwischen den Ländern in der Architekturlehre?
Ja die gibt es. Die deutsche Architekturlehre ist sehr im Praktischen Bauen verankert, aber dafür redet man im Vergleich nicht ganz so viel über Raum und über Raum zwischen Gebäuden.
Also klar, die AA ist legendär geworden, was das Konzeptionelle angeht, aber es ist manchmal auch schwer greifbar. Ich selber war Lehrer in England, wobei Cambridge für ihre Verhältnisse eine nahezu 'deutsche' (bodenständige) Hochschule ist.
Was wir in Deutschland sehr gut machen, ist, dass wir Menschen, denen es gelungen ist ein gewisses Maß an Erfolg im Berufsleben zu erreichen, eine Professur anbieten. So greifen Theorie und Praxis ineinander. Wenn man ein praktizierender Architekt ist, dann weiß man auch was man von den Studierenden erwartet.
Irgendwie ist in England, vielleicht auch wegen Finanzschwierigkeiten, das System zusehends dahin gegangen, dass Absolventen direkt zu Lehrern werden und somit auf einer eher theoretischen Ebene bleiben.
Die ETH ist Deutschland nicht so unähnlich. In der Schweiz gibt es vielleicht noch eher das zunftmäßige Handwerk. Es ist kein Zufall, dass Peter Zumthor aus der Schweiz kommt.
Nach Ihrem Studium haben Sie in verschiedenen Architekturbüros gearbeitet, z.B. auch bei DCA. Wie hat diese Zeit Sie geprägt?
Nach Foster bin ich dann zu Chipperfield gegangen. Ich hörte, dass er Aufträge in Deutschland hatte und hab mich dort vorgestellt. Als ich zu Chipperfield in London kam, war es ein winziges Team bestehend aus sieben Leuten. Ich merkte, dass es eine ganz andere Art von Architektur war, so konnte man selbst die Architektur des Büros als Sinneserfahrung erleben, denn der Besprechungsraum war geprägt durch den Geruch des Wallnusstisches.
Chipperfield ist ein Meister in der Inszenierung: Wie erlebt man die Abfolge in einem Gebäude?, Wo fühlt man sich zum Aufenthalt eingeladen?, usw. Dies hat mich geprägt. Es war eine Verlängerung des Studiums und ich bin lange bei Chipperfield geblieben. Man merkte in der Zusammenarbeit, dass diese eine Tiefe hatte. Er hat immer sofort die ganze intellektuelle Dimension verstanden. Ich hatte zwei Mentoren; Adrian Meyer und David Chipperfield - denen habe ich viel zu verdanken.
Wie kam es dazu, dass Sie trotz so einer hohen Position in einem so renommierten Büro, den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben?
Meine Frau wurde schwanger und es war klar, dass einer kürzertreten musste und das war dann ich.
Was sind die Merkmale Ihrer Lehre? Gibt es etwas, das sie den Studierenden gerne mit auf den Weg geben würden? Des Weiteren: Was glauben Sie, wie sich die Lehre kurzfristig verändern wird?
Mich interessiert diese Zeitdimension in der Architektur: das stille Theater, die Abfolge, die Emotionen, die Inszenierung.
Auch beschäftigt mich das Skulpturale - Architektur als begehbare Bildhauerei.
Es muss eine lesbare architektonische Idee geben, sie sollte selbst im 1:200 Modell offensichtlich sein. Eine kompositorische Sache: Spannung zwischen Volumen, Wiederholung, eine radiale oder lineare Ausrichtung, ein größerer Körper zu einem kleinerem oder man nimmt etwas in der Topografie auf, usw.
Zur Lehre: Ich glaube, die nächste große Revolution ist, dass wir mehr fabrizieren können und vielleicht auch andere Unterlagen liefern müssen, so dass wir z.B. Dinge direkt 3D printen können. Der digitale Fortschritt ist wichtig.
Haltung zur Architektur zu entwickeln. Dieses Thema wird zurzeit in Deutschland viel diskutiert. Studierende müssen wieder eine grundlegende Haltung entwickeln. Wie kann man den Studierenden diesen Weg aufzeigen?
Ist das das Streben nach Integrität? Die war immer wichtig.
Haben Sie ein Projekt, welches am spannendsten war, zu entwickeln?
Das Tin House in London.
Worüber wir noch nicht gesprochen haben, sind Ihre Beweggründe in die Lehre zu gehen. Wann kam der Entschluss und wie ist es dazu gekommen?
Ich war 2005 in Cambridge Lehrer und ich hatte schon vor irgendwann eine Professur zu bekommen. Aber das Leben ging so friedlich dahin. Dann kam der Brexit, da merkte ich plötzlich, dass ich ein europäischer Patriot bin.
Ich wollte ein Bein in Deutschland an Land bringen und meinen britischen Landsleuten, die für den Brexit gestimmt haben, eindeutig signalisieren, dass ich auch eine Professur in Deutschland bekomme kann - also nicht auf diese Insel angewiesen bin.
Auch weiterhin will ich eine Brücke zwischen den Kulturen sein, jetzt noch vielmehr! Ich möchte den Austausch zwischen unseren Ländern fördern.
Abschließend, um den Bogen nach Münster zu spannen, was hat Sie bewogen, sich in einer kleineren Stadt wie Münster zu bewerben?
Mein guter Freund Martin Ebert.