Welche Gründe haben Sie zu der Entscheidung geführt, Architektur zu studieren?
Viele, viele Gründe. Der Beweggrund, warum ich mich als kleiner Junge schon für Architektur interessierte, war mein Vater, der immer sagte, er wäre am liebsten Architekt geworden - das war sein Traumberuf. Allerdings wusste ich als 8 Jähriger nicht so genau, was ein Architekt eigentlich macht, schließlich komme ich nicht aus einer Architektenfamilie.
Später war ich auf einem technischen Gymnasium in Baden-Württemberg und hatte dort Maschinenbau und Elektrotechnik als Schulfächer. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir klar, was ich nicht werden möchte. Mir fehlte das Gestaltungselement.
Nach meiner Schulzeit machte ich zur Orientierung einige Monate ein Praktikum in einem Architekturbüro in Berlin. Danach war mir klar, dass das der richtige Beruf für mich ist.
Und was macht der Vater, wenn er nicht Architekt geworden ist?
Der ist Kaufmann.
Ihrem Lebenslauf haben wir entnommen, dass Sie auch in Seattle waren, richtig? Waren Sie dort für ein Auslandssemester oder haben Sie den Master dort gemacht?
Das war ein Austausch während des Studiums.
Welche Bedeutung hatte es für Sie, im Ausland zu leben und zu studieren?
Das hatte eine extrem hohe Bedeutung! Und zwar sowohl für die persönliche Entwicklung als auch für die Auseinandersetzung mit der Architektur.
In Seattle studierten neben Amerikanern viele Asiaten, Europäer und Südamerikaner. Wir waren ein ziemlich bunter Haufen. Zu sehen, wie unterschiedlich an die Projekte herangegangen und entworfen wurde, war sehr spannend und bereichernd. Die Asiaten sind sofort unglaublich fleißig und akribisch in die Projektarbeit eingestiegen, die Amerikaner haben einen architekturtheoretischen Überbau entwickelt und wir haben erst einmal alles in Frage gestellt. Klingt etwas klischeehaft, bildet aber ungefähr ab, was in den Studios passierte.
Und um auf das Persönliche zurück zu kommen: Ich war 1993/1994 dort, in der Grunge-Hochzeit. Ich habe das letzte Konzert von Nirvana gesehen, bevor Kurt Cobain sich erschossen hat. Die haben die letzten zwei Konzerte in Seattle gespielt und ich hatte das Glück, an Karten zu kommen. Die ganze Stadt war durchdrungen von Grunge als Lebenshaltung, überall war Musik .
Wir waren entweder im Club, in den Bergen oder im Studio. Es war einfach eine großartige und intensive Zeit.
Unter anderem diese Erfahrung hat dazu geführt, dass ich Bewerbungen mit einem glatten Lebenslauf bei uns im Büro meist zur Seite lege. Mich interessieren neben den Projekten der Bewerber auch die Brüche in der Vita und die Persönlichkeit, die jemand entwickelt hat.
Die nächste Frage ist fast schon beantwortet. Halten Sie es für wichtig, dass man innerhalb des Studiums eine Auslandserfahrung macht? Den Schritt an eine andere Hochschule wagt?
Ja! Es muss natürlich keine Hochschule sein. Es kann auch ein Praktikum oder Arbeiten im Ausland sein. Die Hochschule bietet aber natürlich Freiräume, die man gut nutzen kann. Wenn man während eines Auslandaufenthalts im Büroalltag eingebunden ist, sind diese Freiräume geringer.
Worin liegen die Unterschiede zwischen der Hochschule in Seattle und Hochschulen hier in Deutschland? Welche Erfahrungen haben Sie von dort mitgebracht?
Wir haben in den USA im Entwurf immer einen sehr umfassenden theoretischen Teil vorangestellt. Das kannte ich in der Form aus Aachen nicht. Wir sind nicht sofort in die Planung eingestiegen sondern haben zuerst "ein Manifest" geschrieben, bevor wir überhaupt losgelegt haben mit der Arbeit. Das war ein relevanter Unterschied.
Ein anderer Unterscheid zu Deutschland waren die Studios: wir haben an der Hochschule gearbeitet. Die Projektarbeit war dadurch sehr direkt - der Tutor oder Professor war ständig da. Es gab einen vielfältigen Austausch mit den Kommilitonen: man ging über den Flur um zu sehen, was in anderen Studios los war.
Insgesamt war es dadurch ein intensiveres Arbeiten, als wir es kannten, was auch daran lag, dass wir alle am selben Projekt gearbeitet haben. In unseren Arbeitsräumen in Aachen arbeitete immer jeder an einem anderen Entwurf.
Was Nach dem Studium haben Sie in verschiedenen Architekturbüros gearbeitet, u.a. auch bei Benthem Crouwel, wo Sie sogar Geschäftsführer waren. Wie hat diese Zeit Sie geprägt, was haben Sie mitgenommen? Gerade darauf bezogen von dort aus in die Selbstständigkeit zu gehen, obwohl Sie diese Position hatten.
Ich war Partner und Mitinhaber bei Benthem Crouwel - also schon immer selbstständig.
In Ordnung, dann anders gefragt. Wie kam es dazu, sich noch mal unabhängig zu machen?
Wenn man verheiratet ist, lässt man sich scheiden, wenn man sich nicht mehr so gut versteht. Auch im Berufsleben trennt man sich, bevor es anstrengend wird. Es gab verschiedene interne Themen, die dazu geführt haben, dass wir getrennte Wege gegangen sind. Das ist aber ein ganz normaler Vorgang.
Aber um noch einmal darauf zurückzukommen, was mich geprägt hat: das war vor allem meine erste Arbeitsstelle. Ich bin nach Studium nach Hamburg gegangen und habe dort bei Jörg Friedrich gearbeitet. Der hat im Übrigen vor kurzem den zweiten Preis für den Konzertsaal in München gewonnen.
Jörg Friedrich ist ein Typ, der polarisiert. Wir sind ziemlich gut miteinander klargekommen, aber es sind auch immer mal wieder die Fetzen geflogen. Er erwartete eine eigene Haltung. Damit kam ich gut klar. Die Arbeit und die Auseinandersetzung mit Architektur war immer sehr intensiv - das fand ich großartig und das hat es unglaublich spannend gemacht, gemeinsam mit ihm zu arbeiten. Solange man eine Haltung vertrat und diese begründen konnte, hat er einen respektiert. Das intensive Ringen um die beste Lösung war immer inspirierend. Manchmal haben wir bei einem Wettbewerb bis nachts um zwei über das Konzept diskutiert, bei der zweiten Flasche Wein. Das war nicht nur einfach ein Job!
Das hat mich geprägt und wir versuchen es heute bei uns im Büro auch so zu leben: wenn wir einen Wettbewerb machen, dann sitzen auch wir Partner dabei und machen es gemeinsam. Wir fordern etwas von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und vertreten die Haltung, dass unser Job mehr ist als reiner Brötchenerwerb. So etwas kann man aber nur einfordern, wenn man es vorlebt und mitmacht
Herr Sporer, was sind die Merkmale Ihrer Lehre? Was würden Sie den Studierenden gerne mit auf den Weg geben? Und in welche Richtung wird sich die Lehre in der Zukunft entwickeln?
Als Merkmal meiner Lehre würde ich nennen, dass ich versuche, den Studenten die Begeisterung für unseren Beruf zu vermitteln und verständlich zu machen, dass gute Architektur immer auf einer klaren und starken Idee basiert, die man aber erstens zunächst selbst entwickeln muss und zweitens immer wieder hinterfragen und schärfen muss. Das ist anstrengend aber grundlegend für ein gutes Projekt! Ich halte wenig davon, den Entwerfern den Stift zu führen und den Studenten ein formales, programmatisches oder gestalterisches Korsett umzuhängen. Da nehme ich Bezug auf meine eigenen Erfahrungen bei Klaus Kulka und Klaus Kada, die mich in der Studienzeit geprägt haben.
Mit auf den Weg geben würde ich: habt Spaß an dem was ihr macht. Ihr habt das beste Studium und den besten Beruf gewählt. Und nehmt Euch nicht zu ernst! Leider hat unser Berufsstand die Eigenschaft, sich häufig sehr wichtig zu nehmen. Damit stehen wir uns manchmal selbst im Weg und verschrecken beispielsweise die Öffentlichkeit oder andere Projekt-Stakeholder mit "missionarischem Eifer". Meist gelingt es viel einfacher andere von einer guten Idee zu überzeugen, wenn man sie nicht mit einem Absolutheitsanspruch vermittelt. Das können die Skandinavier und Niederländer und das zeigt sich auch in deren Architektur.
In welche Richtung sich die Lehre künftig entwickeln wird, weiß ich nicht. Ich hoffe aber, dass sich manche Entwicklungen etwas korrigieren lassen und wieder neue Freiräume entstehen. Die Tendenz immer konkretere Spezialisierungen herauszubilden und zu früh die Ausrichtung auf bestimmte Fachrichtungen zu stimulieren, halte ich für falsch und bedenklich.
Haltung zur Architektur entwickeln. Das ist momentan ein großes Thema in Deutschland und wird viel diskutiert. Studierende müssen wieder eine grundlegende Haltung entwickeln. Wie kann man den Studierenden den Weg dahin aufzeigen?
Eine neue Tendenz ist das aus meiner Sicht nicht. In unserem Beruf ist das immer gegenwärtig. In den vorangegangenen Antworten habe ich bereits versucht das aufzuzeigen. Wer es nicht schafft, eine Haltung zu architektonischen, städtebaulichen und gesellschaftlichen Fragestellungen zu entwickeln, der macht etwas verkehrt. Ich denke unsere Gesellschaft, gebaute Umwelt und unser Berufsstand krankt daran, dass es zu wenig davon gibt!
Lernen kann man das aus meiner Sicht vor allem indem man sich mit gebauten Beispielen intensiv auseinandersetzt und studiert, warum dies oder jenes Projekt eine besondere Qualität besitzt. Nur durch diese Betrachtung und konkrete Reflektion kann man aus meiner Sicht die eigene Position weiterentwickeln und schärfen.
Cross Architecture, ihr Büro, ist vielen Studierenden in Münster bekannt. Nur ein Beispiel: Das Hörsaalgebäude in Osnabrück. Aber es gibt noch eine Menge anderer Projekte. Gibt es für Sie ein Projekt, welches für Sie besonders spannend war, zu entwickeln?
Im Prinzip sind das alle Projekte. Das ist wirklich so. Um auf das Hörsaalgebäude in Osnabrück, was Sie gerade genannt haben, zurückzukommen. Da haben wir den zweiten Preis gewonnen. Im Raumprogramm waren 24 x 30 m2 für studentisches Arbeiten gefordert. Wir haben uns damals gesagt, das ist völliger Unsinn. Wir machen nicht 24 x 30 m2, sondern einmal 720 m2. Die Idee war, dass es eine Landschaft für alle gibt, wo sich jeder seinen Platz suchen kann. Der Ort zum Lernen sollte nicht so reglementiert, sondern frei sein. Sich mit so einer Idee durchzusetzen, zuerst den zweiten Platz zu gewinnen und sich in der weiteren Durcharbeitung dann nach vorne zu schieben, ist schon extrem spannend und setzt jede Menge Euphorie frei.
Wenn Sie fragen, welches das prägendste Projekt war, dann war das vielleicht die Erweiterung des Deutschen Bergbaumuseums in Bochum. Dieses Projekt sieht ein bisschen aus wie der Sieger eines Studentenwettbewerbs. Wir hatten damals die Idee, ein Schnittmodell eines Stollens zu bauen, darin das Raumprogramm zu organisieren, und neben den Bestandsbau zu setzen: unser erster1. Preis!
Alle fanden das Projekt gut und wir durften es bauen!
Warum sind Sie in die Lehre gegangen?
2001 bis 2006 habe ich bei Klaus Kada am Lehrstuhl für Gebäudelehre an der RWTH Aachen als Assistent gearbeitet. Das hat großen Spaß gemacht und ich wollte das immer schon gern fortsetzen. Der Austausch mit den Studierenden ist eine totale Bereicherung neben dem Berufsalltag. Das hält wach und stimuliert auch die eigene Entwicklung! Außerdem ist es großartig, Projekte und deren Verfasser im Laufe eines Semesters zu begleiten und zu sehen, wie sich aus einem starken Konzept ein starker Entwurf entwickelt.
Nun zum Standort Münster. Münster ist nun wirklich keine Großstadt. Etwa 300.00 Einwohner - fast nur Studenten. Warum gerade Münster?
Ich hatte mich schon 2014 hier für eine Professur im Entwerfen beworben. Der Ort selbst stand nicht im Focus, vielmehr war mir wichtig, dass es eine gute Hochschule ist, die mich interessiert und es sich um eine Professur in Entwerfen handelt.
Das sind für mich die interessanten Aspekte. Damals war ich dann zum Berufungsvortrag das erste Mal in Münster. Ich bin über den Campus gelaufen und habe mir gedacht, dass hier eine gute Atmosphäre herrscht. Dann die Bibliothekserweiterung: einen eigenen Entwurf auf dem Campus zu realisieren, ist natürlich ein Aushängeschild für eine Architekturfakultät und sehr bewundernswert. Man setzt damit ein Statement für gute Architektur.
Das alles hat mich gereizt und ich habe gedacht, hier könnte etwas Spannendes passieren.
Vielen Dank für Ihre Zeit und ein interessantes Gespräch mit Ihnen, Herr Sporer.
Auch ich bedanke mich. Es hat großen Spaß gemacht.