Münster/Coesfeld-Lette (August 2021). Das Coesfelder Textilunternehmen Ernsting's family und die FH Münster kooperieren seit vielen Jahren im Rahmen einer Stiftungsprofessur am Fachbereich Wirtschaft (Münster School of Business). Inhaberin der Professur ist Prof. Dr. Carmen-Maria Albrecht.
Als wichtige Komponente dieser Zusammenarbeit wurde nun eine Studienreihe mit dem Center for Consumer Insight & Retail Excellence (CECIRE) gestartet, die über mehrere Jahre hinweg das Modeeinkaufsverhalten analysieren möchte; hierzu wurden 1.000 Proband*innen zwischen 18 und 74 Jahren befragt. Zudem wird in jeder Ausgabe der ca. zweijährlich erscheinenden Studie ein ausgewähltes Themengebiet in einer Deep-Dive-Studie vertieft, um aktuellen Ereignissen wie der Corona-Pandemie Rechnung zu tragen.
So wurde in der aktuellen Studie die Wahrnehmung von Modeverkäufer*innen mit und ohne Mund-Nasen-Bedeckung sowie mit und ohne starkem Verkaufsargument untersucht. Bei neutralem Gesichtsausdruck hinter der Maske antizipieren die Kund*innen das Verhalten der Verkaufsperson und gehen davon aus, dass sie gut gelaunt ist. Dies wirkt sich auch positiv auf die wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit und Sympathie aus, so die Befragten.
Sowohl die Digitalisierung als auch die Coronavirus Pandemie stellen den Textileinzelhandel vor einen Transformationsprozess. Das Online-Segment wächst stetig, aber der wichtigste Shoppingkanal bleibt der stationäre Handel. Vor allem die jüngeren Konsument*innen nutzen die neuen digitalen Kanäle wie Social Shopping, Wearables und Voice Assistants. Prof. Dr. Timm Homann, CEO der Ernsting's family Unternehmensgruppe ist gespannt, "inwieweit sich Kaufgewohnheiten der Konsument*innen durch diese Zäsur dauerhaft verändern werden und was dies im Spannungsfeld zwischen stationärer Präsenz und digitaler Transformation bedeutet".
Prof. Dr. Carmen Maria Albrecht ist sehr glücklich über die neu aufgesetzte Studienreihe: "Ich schätze insbesondere den engen Austausch, der es ermöglicht, Studierende sehr praxisnah an Herausforderungen des Handels heranzuführen, indem in gemeinsamen Projekten über verschiedene Abteilungen hinweg relevante Fragestellungen bearbeitet werden. Diesen Austausch empfinde ich persönlich als sehr inspirierend - nicht nur auf fachlicher, sondern auch auf persönlicher Ebene."
Erste Erkenntnisse in einer volatilen Zeit
Der Aufwärtstrend bei den Konsumausgaben privater Haushalte um rund 10 Mrd. Euro auf 64 Mrd. Euro zwischen 2009 und 2019 wurde im Jahr 2020 durch die Coronavirus-Krise stark erschüttert. Mehr als 41% der Konsument*innen geben durch Corona weniger Geld als vorher für Kleidung aus. Dies hängt mit dem verringerten Bedarf sowie dem erschwerten Shoppingerlebnis während der coronabedingten Einschränkungen zusammen, aber auch mit den teilweise veränderten finanziellen Umständen. Das wichtigste Kaufmotiv für Kund*innen ist heute der Bedarfskauf (75%); es folgen persönliches Interesse (52%) und der Kauf zur Selbstbelohnung (36%). Wenn sich die Konsument*innen in der aktiven Kaufentscheidungsphase befinden, sind Qualität und Langlebigkeit das wichtigste Kaufkriterium. Bei den nachgelagerten Kriterien treffen die Modeinteressierten ihre Entscheidung eher nach der Marke; den "Modemuffeln" sind die Kriterien Funktionalität und Nachhaltigkeit wichtiger. Nachhaltigkeit wird primär mit der Langlebigkeit von Kleidungsstücken, mit fairen Arbeitsbedingungen und einer geringen Schadstoffbelastung der Textilien assoziiert. Nur eine Minderheit (10%) informiert sich derzeit über Details in der Lieferkette.
Skepsis bei kollaborativen Kleidungskonsumformen überwiegt
Bei jeder zweiten Person liegen ungetragene Kleidungsstücke im Schrank, die im Nachhinein doch nicht gefallen haben oder wo der Anlass fehlte. Bei knapp der Hälfte der Studienteilnehmer*innen liegt ein älteres Kleidungsstück (>10 Jahre) im Schrank, das mit bestimmten Erinnerungen verbunden ist oder von dem man sich nicht trennen kann. Nicht mehr getragene Kleidungsstücke landen primär in der Altkleidersammlung; für 15% ist der Weiterverkauf von Kleidung im Internet, z.B. Vinted noch eine Option. Trotz steigender Zahlen in der Shared Economy werden kollaborative Kleidungskonsumformen nur selten genutzt. Für die Hälfte der Studienteilnehmer*innen ist der Kauf und Besitz von Kleidung bedeutsamer, aber über 40% können sich vorstellen, zukünftig im stationären Secondhandgeschäft Kleidung zu kaufen.