Soziale Prozesse in Gemeinschaftsgärten
„Mutter“ des Campusgartens und Alumna der FH Münster hat über Urban Gardening promoviert
Münster (27. August 2020). Urban Gardening hat sich in den letzten Jahrzehnten international wie national zunehmend verbreitet. Etwa 750 Gemeinschaftsgärten gibt es inzwischen in deutschen Städten. Was treibt Menschen an, auf gemeinsam genutzten Flächen Obst, Gemüse und Blumen anzupflanzen? Sind es vor allem finanzielle, ökologische oder soziale Anreize? „In einkommensstarken Ländern wie Deutschland überwiegen die sozialen Gründe. Mit den Gemeinschaftsgärten erhalten Menschen Zugang zu einem sozialen Netzwerk, das Austausch, Zusammenhalt und Lernmöglichkeiten bietet“, sagt Dr. Nicole Rogge, die ihren Doktortitel in Agrarwissenschaften noch nicht lange trägt.
In ihrer Dissertation „Collective Action Theory and Urban Gardens“ hat die Alumna der FH Münster den Blick auf die sozialen Prozesse gerichtet und dabei sowohl soziale Nachhaltigkeit als auch soziales Lernen messbar gemacht. Prof. Dr. Insa Theesfeld vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Prof. Dr. Carola Strassner vom Fachbereich Oecotrophologie – Facility Management der FH Münster haben sie betreut.
Weil Gemeinschaftsgärten Orte kollektiven Handelns sind, selbst organisiert und selbst verwaltet werden, lassen sie sich als Commons, als Gemeingüter, betrachten, so Rogge. Mit der wachsenden Bedeutung sei zwar auch das Forschungsinteresse gestiegen, die Gemeinschaftsgärten als Commons und ihre sozialen Prozesse seien aber nur wenig erforscht gewesen. Mit ihrer Dissertation wollte sie diese Lücke schließen und zu einem tieferen Verständnis des kollektiven Handelns im Urban Gardening beitragen. Dazu erhob sie auch empirische Daten aus 123 Gemeinschaftsgärten in ganz Deutschland mithilfe einer Online-Befragung.
Eine Vielzahl an Kriterien sei erforderlich, um die sozialen Prozesse zu kategorisieren und zu bewerten. Es habe sich gezeigt, dass Commons dafür eine geeignete Grundlage bilden, so ein Ergebnis aus ihrer Doktorarbeit. Kriterien wie Vertrauen und die Managementgruppe wirkten sich positiv auf die sozialen Prozesse aus, die Heterogenität der Gruppe dagegen negativ. „Der negative Effekt kann unter anderem damit erklärt werden, dass aufgrund unterschiedlicher Interessen Kooperation und soziale Interaktion komplizierter sind“, sagt Rogge. Denn in Gemeinschaftsgärten kommt eine Vielzahl an unterschiedlichen Gruppen zusammen, am häufigsten sind es Berufstätige, Familien und Studierende. In diesem Zusammenhang überrasche auch das Ergebnis nicht, dass die Gemeinschaften heterogener in Bezug auf Alter und Einkommen seien als in Bezug auf Bildungsstand und kulturellen Hintergrund. „Auch wenn es durch größere Heterogenität häufiger zu Konflikten kommen kann, so können die unterschiedlichen Gruppen durch Austausch auch viel voneinander lernen“, erklärt Rogge.
Nicht erst für ihre Dissertation hatte sie das Thema Gemeinschaftsgärten für sich entdeckt. Schon als Studentin im Master Nachhaltige Dienstleistungs- und Ernährungswirtschaft an der FH Münster baute sie mit ihrer Kommilitonin Anna Rechenberger den Campusgarten „GrüneBeete“ in Münster auf. Diesen Prozess evaluierte sie anschließend in ihrer Masterarbeit bei Prof. Dr. Joachim Gardemann und Prof. Dr. Carola Strassner, ihre spätere Doktormutter. Der Gemeinschaftsgarten auf dem Leonardo-Campus in Münster ist seit Jahren ein Treffpunkt für alle, die sich fürs städtische Gärtnern begeistern lassen.
Inzwischen ist die 32-Jährige Projektmitarbeiterin beim BUND in Berlin. Ihre Faszination fürs Urban Gardening lebt sie nun auch in der Hauptstadt aus. Mit anderen gründet sie gerade einen Stadtteil-Gemeinschaftsgarten. „Weil ich es einfach faszinierend finde, wie aus einem kleinen Korn eine wertvolle Pflanze heranwächst. Und dann gemeinsam für diese Kostbarkeiten verantwortlich zu sein, ist einfach großartig.“