Digitalisierung der Industrie: Maschinen verabreden sich mit Material

Die Digitalisierung der Industrie war eines der Hauptthemen des diesjährigen Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos. Prof. Dr. Ralf Ziegenbein vom Institut für Technische Betriebswirtschaft (ITB) unserer Hochschule erklärt, was genau damit gemeint ist und was dieser Umbruch vor allem für den Mittelstand bedeutet.

Herr Prof. Ziegenbein, was genau ist mit Digitalisierung der Industrie gemeint?

Das Internet erlaubt es uns heute, Geschäfte unabhängig von Raum und Zeit abzuwickeln. So können wir etwa nachts im Zug online ein Buch bestellen, die neueste Musik hören oder das nächste Fahrzeug eines Carsharing-Anbieters orten. Diese Online-Dienste sind das Ergebnis einer Revolution in unserem Wirtschaftsleben. Durch die Digitalisierung wurden traditionelle Wertschöpfungsprozesse komplett umgekrempelt. Und dies macht nicht bei Dienstleistungen halt. Auch bei der Produktion von materiellen Gütern stehen massive Veränderungen an. Und eigentlich sind sie schon in vollem Gange: Heute verabreden sich Maschinen mit dem Material, das sie verarbeiten sollen. Dadurch fertigen sie ohne das Einwirken des Menschen genau das Produkt, welches gerade benötigt wird und für welches das geeignete Material zur Verfügung steht. Und dabei werden die Maschinen eingesetzt, die vielleicht momentan nichts anderes zu tun haben oder die nicht extra umgerüstet werden müssen. Gleichzeitig weiß der Kunde, wo und in welchem Zustand sich sein Produkt gerade befindet. Wir sprechen hier vom „Internet der Dinge“, was so viel bedeutet, dass jedes Material, jedes Erzeugnis einen digitalen Zwilling hat, welcher die Steuerung von Logistik und Maschinen übernimmt.

 

Welche Anforderungen stellt dieser Umbruch an die Unternehmen – personell, technisch und finanziell?

Die Umsetzung ist eine große Herausforderung. Industrie und Politik wollen bis zum Jahr 2020 bis zu 40 Milliarden Euro jährlich in die Entwicklung und den Aufbau der erforderlichen Infrastruktur investieren. Die Unternehmen versprechen sich davon eine Einsparung von zwei bis drei Prozent der Kosten. Dies haben zumindest Beratungsunternehmen und Wirtschaftsverbände errechnet. Nun ist die deutsche Wirtschaft aber stark durch den Mittelstand geprägt. Und hier fallen Unternehmen natürlich Investitionen dieser Art nicht leicht, zumal es schwer abzuschätzen ist, ob sich der Aufwand auch tatsächlich rechnet. In jedem Fall können wir davon ausgehen, dass die Fach- und Führungskräfte der Zukunft ein wirklich tief gehendes Verständnis über die Digitalisierung der Wertströme haben. Und hier sind wir gefragt, die erforderlichen Kompetenzen bei unseren Studierenden schon heute zu entwickeln.

 

Gibt es Erfolgsbeispiele?

Ja, zahlreiche. Gerade in hoch automatisierten Branchen wie der Automobilindustrie wird schon seit Jahren erfolgreich an der Digitalisierung der Wertströme gearbeitet. Und hier zeigt sich, dass nicht nur die großen Marken, sondern auch die großen und kleinen Zulieferbetriebe mit dem Internet der Dinge umgehen können, zum Teil aber natürlich auch müssen. Doch auch in anderen Massenproduktionen, in denen gleichzeitig eine steigende Individualisierung vom Kunden gefordert wird, können schon erste Erfolge hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und zeitnaher Verfügbarkeit von Produkten festgestellt werden, zum Beispiel bei der Fertigung von Pumpen, Schaltersystemen und Schaltschränken. Und wir Konsumenten können nachts im Zug unser nächstes Müsli zusammenstellen, die Sneaker gestalten und Anzüge anfertigen lassen. 

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