Plötzlich in Quarantäne: Prof. Dr. Riemenschneider-Greif berichtet aus Havanna

Das Flugzeug nehmen, wann immer man will – in Zeiten von Corona ist das nicht mehr einfach so möglich. Die Folge: Viele Menschen sitzen fest. Prof. Dr. Frank Riemenschneider-Greif ist auf Kuba in Quarantäne. Aus Havanna berichtet er, wie es ihm dort ergeht.

Herr Prof. Riemenschneider-Greif, Sie befinden sich momentan in Havanna in Quarantäne. Wie ist es dazu gekommen?

Ich bin Anfang Februar nach Havanna geflogen, um an einer DAAD-Konferenz teilzunehmen. In Kuba bin ich aber öfters, weil ich eine dauerhafte Gastprofessur an der Technischen Universität von Havanna CUJAE habe. Gemeinsam mit den Fachbereichen Architektur und Oecotrophologie - Facility Management haben wir hier schon eine beeindruckende Anzahl von Veranstaltungen, Winter- und Sommerschulen durchgeführt.
Im weiteren Verlauf des Februars standen einige Veranstaltungen und die Arbeit an einem gemeinsamen Forschungsantrag an. Von der Coronakrise war auf Kuba bis dato wenig zu spüren. Anfang März rückte die Krise näher, als einige italienische Urlauber das Virus auch nach Kuba brachten. Seitdem hat sich die Situation auch hier dramatisch verändert.

Wo wohnen Sie in Havanna und wie geht es Ihnen in dieser Situation?

Ich wohne privat. Allerdings sollen nach und nach alle Ausländer in Hotels gebracht werden.
Die Kubaner sind sehr gastfreundlich, und ich habe Freunde, die mich sehr unterstützen. Ich habe hier eine zweijährige Tochter, und sie sorgen dafür, dass ich sie regelmäßig sehe. Ausländer dürfen auf unbestimmte Zeit nicht wieder nach Kuba einreisen. Daher weiß ich nicht, wann ich meine Tochter nach meiner Abreise wiedersehen kann. Es werden auch keine Visa-Verlängerungen mehr ausgesprochen.

Die Unsicherheit ist ein großer Faktor, weil man nicht einschätzen kann was passiert. In Deutschland ist alles klar geregelt. Auf Kuba sieht das ganz anders aus. Beispielsweise kann man hier nicht auf Vorrat einkaufen. Man muss jeden Tag aus dem Haus.

Bekommen Sie Unterstützung vor Ort?

Die Bundesregierung hat eine Rückholaktion ins Leben gerufen. Die Website ist allerdings durch die Blockade der USA von Kuba aus nicht erreichbar. Für mich war die Registrierung aufgrund meiner Verbindungen etwas einfacher, als für viele Urlauber auf Kuba. Die deutsche Botschaft wurde für Besucher geschlossen und die Telefone sind völlig überlastet.

Wie geht es jetzt weiter? Wissen Sie schon, wann Sie die Heimreise antreten können?

Am vergangenen Dienstag sollte ein Flugzeug von Eurowings Reisende zurück nach Deutschland bringen. Dieser Flug ist ausgefallen. Daraufhin hat Kuba alle Reisenden in ein Hotel gebracht, welches einen sehr niedrigen Standard hat.

Ich selber weiß nicht, ob ich morgen oder in drei Wochen fliege.

In Deutschland erleben wir gerade eine Ausnahmesituation mit einer sogenannten Kontaktsperre. Die Menschen stellen ihren Alltag auf die Coronakrise um. Wie ist Ihr Eindruck auf Kuba in dieser Hinsicht? Hat sich das Leben der Menschen dort auch verändert?

Die Regierung hat ein Programm aufgelegt und Schulen und Universitäten geschlossen. Eine Ausgangssperre wurde nur für Ausländer verhängt.

Kuba hat eine besondere demographische Struktur. Viele ältere Leute wohnen hier, viele der jungen Menschen sind ausgewandert. Daher wird bei einem Ausbruch des Coronavirus mit dem Schlimmsten gerechnet.

Allen Kubanern ist klar, dass bei einem Ausbruch des Virus der Verlauf eher dem in Italien oder Spanien ähneln wird. Sie bewundern Deutschland aufgrund der vergleichbar wenigen Todesfälle.

Auf Kuba hat sich das Leben aber jetzt schon verändert. Die üblichen Begrüßungen mit Küsschen fallen aus, und die Menschen halten sich hauptsächlich mit selbst gebastelten Masken in der Öffentlichkeit auf. Viele Läden haben geschlossen, und die ohnehin schon ungünstige Versorgungslage mit Lebensmitteln hat sich dramatisch verschlechtert.

Kuba hat zwar hervorragende Ärzte, aber keine gute Infrastruktur und bei weitem nicht genügend Intensivbetten und Beatmungsgeräte. Das Land hat nahezu keinen Individualverkehr. Alles wird über den Busverkehr transportiert, der jetzt zwischen den Provinzen eingestellt wurde. Privaten Transportunternehmen wurde untersagt, Ausländer mitzunehmen.

An der FH Münster wurde der Präsenzlehrbetrieb zunächst bis zum 20. April eingestellt. Viele der Lehrenden machen aus ihren Veranstaltungen digitale Angebote. Ist das für Sie auch möglich?

Online-Lehre ist aufgrund des fast nicht vorhandenen Internets auf Kuba natürlich nicht möglich. In der letzten Sommerschule haben wir, dank der Unterstützung des DAAD, Online-Material zur Verfügung gestellt. Die Informationen können allerdings nur über USB-Sticks weitergegeben werden, wofür man sich treffen muss. Das ist nicht Sinn und Zweck des Ganzen und macht die Situation schwieriger. An der FH Münster habe ich seit Jahren ein Online-Angebot.

Auf was freuen Sie sich am meisten, wenn Sie wieder zu Hause sind?

Ich freue mich auf bestimmte Sicherheiten, wie die Versorgung mit Lebensmitteln, die gut funktionierende Infrastruktur und die medizinische Versorgung mit hohen technologischen Standards. Ich freue mich darauf in einer Situation zu sein, die ich einschätzen kann, wo ich weiß, wie ich behandelt werde. Außerdem freue ich mich auf einen schönen Spaziergang in der Natur und ein gutes Stück Schokolade.

Ich glaube, dass wir in Deutschland überhaupt kein Bewusstsein dafür haben, wie gut es uns geht. Das verdeutlicht mir das Arbeiten hier in Kuba immer wieder. Vielleicht lernen wir das durch die Krise mehr wertzuschätzen.

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