Evolution der Rechner: Das ist dran am Quantencomputer-Durchbruch

Googles Quantencomputer berechnet ein mathematisches Problem in 200 Sekunden, für das ein Super-Computer 10.000 Jahre brauchen würde – das sei der Durchbruch auf diesem Gebiet, vermelden viele Medien. Was ist da dran, und was sind überhaupt Quantencomputer? Prof. Dr. Michael Tüxen von unserem Fachbereich Elektrotechnik und Informatik ordnet das Thema ein.

Herr Professor Tüxen, 200 Sekunden statt 10.000 Jahre für eine Aufgabe, das ist ja mit dem Verstand kaum noch fassbar. Werden die Quantencomputer unser Arbeiten revolutionieren?

Fassen wir mal zusammen, was passiert ist: Google hat einen Quantencomputer gebaut und mit ihm ein bestimmtes auf Quantencomputer zugeschnittenes theoretisches Problem gelöst. Dafür hat der Rechner ungefähr 200 Sekunden gebraucht. Parallel dazu wollte man einen klassischer Computer nutzen, um das gleiche Problem lösen. Er sollte das genauso erledigen wie der Quantencomputer, weshalb man einen so genannten Quantenalgorithmus simuliert hat, mit dem der Quantencomputer arbeitet. Für das gleiche Lösen dieses Problems bräuchte laut Google ein klassischer Computer hochgerechnet 10.000 Jahre. Nach Aussagen des IT- und Beratungsunternehmens IBM kann man diese Rechenzeit durch Programmoptimierungen auf ungefähr zweieinhalb Tage reduzieren. Aber da sieht man es schon: Quantencomputer und klassische Computer funktionieren völlig unterschiedlich, und der Quantencomputer hat ein sehr spezielles Problem von ganz vielen gelöst. Die Praxisrelevanz ist also nicht gegeben.

 

Also ist das gar nicht ein solch großer Durchbruch, wie gerade viele Medien berichten?
Zumindest ist es kein Durchbruch in dem Sinne, dass wir übermorgen alle Quantencomputer zuhause stehen haben. Die Forschung befindet sich in der Entwicklung der Quantencomputer noch recht weit am Anfang, zumindest, was die Hardware betrifft. Aber Google hat jetzt ganz praktisch belegt, dass Quantencomputer schneller als klassische Computer arbeiten können.

 

Was unterscheidet denn einen Quantencomputer von einem klassischen Computer?

Quantencomputer und klassische Computer funktionieren fundamental anders. Ein klassischer Computer arbeitet mit Bits, die zwei Zustände abbilden können, wie 0 und 1. Beim Quantencomputer haben wir die Quantenbits oder auch Qubits. Hier gibt es kein ,Entweder Oder‘, nicht nur 0 und 1, sondern auch Überlagerungen. Mathematiker schauen sich Wahrscheinlichkeiten an, und wenn man die Ergebnisse überprüfen und nachmessen will, hat das Einfluss aufs System.

 

Das hört sich ja doch sehr abstrakt an. Wie werden diese rechnerischen Annahmen im Computer technisch umgesetzt?

Sie meinen, wie diese Algorithmen physikalisch realisiert werden – genau an diesem Punkt befinden wir uns gerade bei den Quantencomputern. Daran wird weltweit geforscht. Das logische Konzept ist klar, es gibt Quantenalgorithmen für zahlreiche mathematische Probleme. Und auch schon lange – 1994 hat Mathematiker Peter Shor einen Quantenalgorithmus zur Primfaktorzerlegung veröffentlicht. Aber die Realisierung verändert sich extrem. Momentan müssen Quantencomputer zum Beispiel auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlt werden und abgeschottet stehen, damit die Qubits arbeiten können. Wissenschaftler stoßen immer wieder an physikalische Limits, und es gibt auch Stabilitätsprobleme – die Quantencomputer zeigen zum Beispiel ein Ergebnis nur kurz an, können diesen Zustand nicht halten. Die Algorithmen brauchen also noch die passende Hardware. So gesehen befinden wir uns in der Evolution der Quantencomputer verglichen mit den klassischen Computern gerade noch in den Anfängen.

 

Was verspricht man sich noch von Quantencomputern, wenn dort so viel Forschung investiert wird?

Quantencomputer werden wahrscheinlich Massen an Daten in kürzester Zeit verarbeiten können. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Kryptografie, und das wird ja auch mit dem aktuellen Google-Fall heiß diskutiert. Viele Verschlüsselungsmethoden basieren auf einer Zahl, die das Produkt zweier verschiedener Primzahlen ist. Jedoch ist nur das Produkt bekannt, nicht die Primzahlen, aus denen es besteht, also die Faktorisierung. Um die Primzahlen herauszubekommen und somit die Verschlüsselung zu knacken, muss man – einfach gesagt – per Fleißarbeit nachrechnen. Klassische Computer oder Menschen würden das bei sehr großen Zahlen nicht in einem Leben schaffen. Aber da Quantencomputer wesentlich schneller arbeiten, könnten Sie diese Primfaktorzerlegung mit dem Verfahren von Shor womöglich meistern, und Verschlüsselungsverfahren knacken. Aber es ist schwierig einzuschätzen, wohin die Reise geht. Meiner Einschätzung nach wird es aber noch Jahre dauern, bis ein Quantencomputer mit seinen Qubits ein solches Problem bearbeiten kann.

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