Improvisation als Stärke

Ein lebender Ameisenhaufen, der vor Kreativität wimmelt – so sieht Prof. Felix Hardmood Beck die Zukunft des Technologie-Campus Steinfurt. In seinem Labor für Creative Technologies lebt er diese Vision. Seit Anfang März lehrt und forscht der Mediendesigner an unserem Fachbereich Elektrotechnik und Informatik. Was er genau macht und warum Ingenieurwesen und Design so gut zusammenpassen, erklärt er im Interview.

Prof. Beck, Ihr erstes Semester an unserem Fachbereich ist fast geschafft. Wie war es bisher?

Schön, spannend! Ich bin mit einem Bachelor- und einem Masterkurs gestartet. Es waren jeweils kleine Gruppen, in denen wir gemeinsam einiges ausprobieren konnten. Besonders gefallen hat mir das Teamwork der Elektrotechnik- und Informatikstudierenden. Neben ihren Schwerpunkten aus Hard- und Software lernen sie nun eben auch wichtige Aspekte des Designs. Die Ergebnisse waren beeindruckend. Beispielsweise haben Bachelorstudierende einen Prototyp für einen Toaster entwickelt, der eine Daily Playlist in das Toast hinein codiert. Im Masterkurs ist ein Objekt entstanden, das mit einer 360-Grad-Projektion ausgestattet ist und zukünftig Freunde an die Küchenschränke projizieren wird, sodass man gemeinsam kochen kann. Es hat wirklich großen Spaß gemacht.

Design und Ingenieurwissenschaften – wie passt das überhaupt zusammen?

Es ist mittlerweile bekannt, dass Design eine maßgebliche Rolle in der heutigen Wirtschaft spielt. Ebenso, dass sich Design nicht nur um ästhetische Gestaltung dreht, sondern auch um Sinnhaftigkeit, Funktionalität und Nachhaltigkeit. Design und Ingenieurwissenschaften arbeiten hierbei eng zusammen, um Produkte, Lösungen und Services zu schaffen, die sowohl innovativ als auch nutzbar sind. Beide Disziplinen sind gleichermaßen für die ästhetische Gestaltung, technische Präzision und Benutzerfreundlichkeit verantwortlich. Gemeinsam sorgen Designer*innen und Ingenieur*innen dafür, dass ein Produkt nicht nur technisch ausgereift, sondern auch verständlich, langlebig und umweltfreundlich ist.

Was können unsere Elektrotechnik- und Informatikstudierenden bei Ihnen lernen?
Als Leiter des Labors für Creative Technologies möchte ich unseren Studierenden vermitteln, wie wichtig flexible Denk- und Arbeitsweisen im Umgang mit Technologien sind. Das Designfeld bietet hier die notwendige Flexibilität, um kreative Lösungen für zukünftige Herausforderungen zu finden. Ich sehe meine Rolle darin, den Studierenden zu zeigen, dass Improvisation eine Stärke sein kann – insbesondere, wenn Dinge nicht wie geplant funktionieren. Diese Herangehensweise ermöglicht es in iterativen Prozessen, innovative Ideen abzuleiten und neue Wege zu finden, um mit Technologien kreativ zu arbeiten.

Was sind eigentlich "Creative Technologies"?
"Creative Technologies" sind ein multidisziplinäres Feld, das die kreative Anwendung und Entwicklung von Technologien zur Gestaltung neuer Erfahrungen, Produkte und Lösungen umfasst. Während meines Studiums der visuellen Kommunikation in Berlin mit einem Schwerpunkt auf digitale Medien habe ich begonnen, mich intensiv mit neuen Technologien auseinanderzusetzen und erste Prototypen für Hard- und Softwareanwendungen zu entwickeln. Diese Erfahrungen haben mich geprägt und dazu inspiriert, einen kreativen Umgang mit Technologien zu fördern.

In Ihrer Antrittsvorlesung haben Sie auch von Ihrer Arbeit als Professor an der New York University Abu Dhabi berichtet, die daran anknüpft.
Genau, ich habe dort zwei Labore gegründet – das Plastic Recycling Research Lab und das Lab für Narrative Technologies and Spatial Installations. Der Begriff "Narrative Technologies" beschreibt folgende Herangehensweise: Wir untersuchen bestehende Technologien, erproben sie und überlegen, welche kreativen Anwendungen möglich sind. Gleichzeitig entwickeln wir eigene technologische Lösungen, indem wir bestehende Komponenten neu kombinieren und so Innovationen schaffen.
Der Aspekt "Spatial Installations" ist stark mit meiner beruflichen Vergangenheit verbunden und umfasst die Entwicklung verschiedener medialer Formate für Museen und andere kulturelle Institutionen. Hier geht es um die Schaffung autoaktiver, reaktiver und interaktiver Anwendungen und immersiver Erlebnisse durch den Einsatz von Technologie in physischen Räumen. Das Labor für Creative Technologies auf dem Technologie-Campus Steinfurt sehe ich als Ort der Innovation und der Identität, an dem diese unterschiedlichen Ansätze zusammenkommen. Die Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen und mit externen Partnern wie Dharma Life Labs und dem HeritageLab ermöglicht es uns, kontinuierlich voneinander zu lernen und gemeinsam neue kreative Lösungen zu entwickeln – vom Münsterland ausgehend in die Welt.

Beinahe all Ihre Projekte und Tätigkeiten sind sehr stark international ausgerichtet. Welche Rolle spielt interkulturelle Kompetenz Ihrer Meinung nach für Sie als Hochschullehrer, aber auch für Studierende?

Ich finde diese Punkte unglaublich wichtig. Ich habe fünf Jahre im mittleren Osten gelebt, was mich sehr geprägt hat. Die Nähe zu Krisengebieten spielte dabei ebenso eine Rolle wie die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen und Denkweisen. Wenn man die Nachrichten einschaltet, dann sieht man, was überall auf der Welt los ist. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich … das Münsterland. Eine Blase, in der die Welt in Ordnung ist. Das ist großartig, aber wer in seiner lokalen Blase bleibt, dem erscheinen die großen Probleme weit weg und eigene Herausforderungen rücken in den Mittelpunkt. Ich bin überzeugt, dass internationale Projekte dabei helfen, sich und die eignen Sichtweisen an dieser Stelle zu erden. Mein Anliegen ist, dass wir ein Verständnis entwickeln, warum manche Dinge außerhalb von Deutschland einfach anders laufen. Man tendiert schnell dazu, sich über andere Herangehensweisen zu beschweren und daraufhin Menschen zu verurteilen. Es sind aber oftmals andere Realitäten, die wir kennenlernen müssen. Die Arbeit an meinen Forschungsprojekten hilft mir, mich daran zu erinnern. Wir haben sehr kreative Studierende. Mit ihnen möchte ich in einen Arbeitsmodus kommen und Herausforderungen anpacken. Wer in Forschungsprojekten mitmachen möchte, kann sich natürlich sehr gerne bei mir melden.

Im Wintersemester haben unsere Studierenden wieder die Gelegenheit, Ihre Arbeitsweise in Ihren Wahlmodulen kennenzulernen. Worum geht es?

Ich biete im kommenden Semester die Kurse "Designprojekt: Entwicklung einer medialen Installation" für Bachelorstudierende und "Medien Design Projekt" für Masterstudierende an. In beiden Veranstaltungen werden wir mit dem Baumberger Sandsteinmuseum in Havixbeck zusammenarbeiten. Die Studierenden werden dabei lernen, wie mediale Installationen konzipiert und als Prototyp realisiert werden können.

Wie viel Designvorwissen und Kreativität sind da von den Studierenden gefragt?

Kein Vorwissen! Wir starten bei den individuellen Kenntnissen der Studis. Es geht darum, ihnen praktische Kniffe zu zeigen, die sie für ihr späteres Arbeitsfeld adaptieren und nutzen können. Im Bachelor sollen die Studierenden einen Überblick bekommen, wie ein solches Designprojekt abläuft. Sie werden auf den recherchierten Inhalten aufbauen und ein Konzept entwickeln und als Prototyp darstellen. Im Masterkurs geht es darum, ein eigenes Projekt zu realisieren. Hier kommen auch weitere Aspekte der Hard- und Softwareplanung, Budgetierung und Projektleitung mit dazu. Mit einer Portion Teamwork.

Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Was sind Ihre Ideen und Pläne?

Ich sehe großes Potenzial im Technology-Campus Steinfurt und freue mich darauf, diesen Ort in den nächsten 20 Jahren mitzugestalten. Meine Vorstellung ist es, einen lebenden Ameisenhaufen zu betreten, der vor Kreativität wimmelt. Überall auf dem Campus werden Menschen herumlaufen, sich Labore ansehen, sich unterhalten, Kooperationen anstoßen. Ich sehe Eltern mit Bewerber*innen, die sich den Campus anschauen, Projektpartner*innen und Geldgeber*innen auf der Suche nach Innovation und Kollaboration. Ich sehe Horden von Studis, die den Campus auch spätabends nicht verlassen, weil es einfach zu sehr Spaß macht, an den eigenen Projekten zu arbeiten, oder weil es einfach cool ist, am Campus abzuhängen. Ich sehe eine Menge Studierende, die nach ihrem Abschluss mit dem Campus in Kontakt bleiben. Absolvent*innen werden sich im Tech Valley Münsterland ansiedeln und mit den eigenen Start-ups intensiv mit der FH Münster arbeiten. Ich sehe, dass wir mit dem Technology-Campus eine Pinnadel auf den Technologie- und Innovationsglobus setzen können und Besucher*innen aus aller Welt anziehen werden. Mal sehen, wie wir dies alles erreichen… (lacht). Ein erster Ansatz ist, dass meine Mitarbeiterin Leonie Winkelmann und ich gerade an einem Entwurf für einen Boulderturm am Heizkraftwerk arbeiten. Das wäre eine gute Möglichkeit, um mehr Menschen auf den Campus zu locken und Lernwege auf neue Art und Weise darzustellen. Vielleicht klappt es ja – wir bleiben an der Idee dran.

 

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