Barrierefreie und inklusive Lösungen mit hohem Innovationsgrad - diese Anforderungen stellt der gemeinnützige Verein "design inclusion" an die Einreichungen der Nachwuchs-Kreativen, die am Design-Wettbewerb (be aware) teilnehmen. Der erste Platz ging dieses Mal an Anna Oestreich, Alumna der Münster School of Design der FH Münster. Ihr Projekt "loom - Die smarte Tasche" erhielt im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main den "(be aware) Designpreis für Inklusion 2023".

Der Wettbewerb thematisierte in seiner Ausschreibung alle Sinneswahrnehmungen sowie Aspekte der Orientierung, des Verstehens, der Verständigung und der Sorge. Studierende von 23 Hochschulen aus ganz Deutschland hatten ihre Arbeiten eingereicht. Am Ende schafften es sechs Projekte in die engere Auswahl.

Oestreich ist sehr stolz darauf, eine so großartige Auszeichnung für partizipatives Design erhalten zu haben. "Meine betreuende Professorin hat mich auf die Ausschreibung aufmerksam gemacht - zum Glück!", erinnert sich die Alumna. Die smarte Tasche war das Ergebnis ihrer Bachelorarbeit, die in der Entstehungsphase von Carolin Schreiber betreut wurde. Die Professorin hatte auch die Kooperation mit dem Praxispartner, den Franz Sales Werkstätten in Essen, ermöglicht.

Oestreich selbst war von dem Wettbewerb überzeugt, weil der Verein design inclusion e.V. Projekte fördert, die durch Designansätze zu einer inklusiveren Gesellschaft beitragen. "Einerseits bestand somit die Möglichkeit, Mittel für die partizipative Weiterentwicklung meines Konzeptes zu akquirieren, andererseits durfte ich auch mit persönlichen Vorbildern, wie Sema Gedik und anderen tollen Designer*innen in Kontakt kommen.", berichtet sie.

Was Oestreich am Wettbewerb besonders gut gefallen hat? "Schon die Bewerbungsunterlagen wurden als barrierefreie PDFs eingereicht und auch die Pitch-Präsentationen am Tag der Preisverleihung waren für alle Zuhörenden einfach zugänglich und mitreißend aufbereitet", berichtet die Designerin. "In diesem Kontext selbstverständlich, doch sollten sich auch andere Design Awards eine Scheibe davon abschneiden", resümiert Oestreich.

Die Alumna durfte sich am Ende nicht nur über den ersten Platz, sondern auch über ein Preisgeld in Höhe von 8.000 Euro und viel Lob seitens der Jury freuen. Diese würdigte vor allem den inklusiven Designprozess. Demnach sei Oestreichs Projekt ein vorbildliches Beispiel für eine partizipative Designarbeit. Die fünf anderen Nominierten erhielten eine finanzielle Anerkennung über jeweils 400 Euro.

Preisträgerin Anna Oestreich mit einem ihrer Co-Designer Patrick Dinkelbach in der Franz Sales Werkstatt in Essen Horst. Patrick Dinkelbach trägt die smarte Tasche "loom". (Foto: Frank Honisch/Franz Sales Haus)

Oestreichs Idee und das Produkt - eine smarte Tasche, die signalisiert, ob alle wichtigen Dinge eingepackt sind - entstanden in Zusammenarbeit mit Beschäftigten der Franz Sales Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Gemeinsam mit ihren "Co-Designer*innen" analysierte sie in Workshops zunächst Alltagssituationen und später Tragepositionen und entwickelte Schnittmuster. Die Herstellung passte die Designerin zudem an die Möglichkeiten der Werkstätten an.

Wie es für Oestreichs Projekt jetzt weitergeht? "Ich möchte den Gewinn in die Weiterentwicklung von "loom" stecken und in einem nächsten Schritt Langzeittests mit den Co-Designer*innen durchführen", berichtet die Designerin. Ihr großer Wunsch ist, dass das Designkonzept irgendwann vielen Menschen zur Verfügung steht. Doch ein so neuartiges Produkt auf den Markt zu bringen, sei ein langer Weg. Deshalb wünscht Oestreich sich mutige Partner*innen im Bereich Engineering und Herstellung, die genauso wie sie an "loom" glauben.

Drei Fragen an Preisträgerin Anna Oestreich

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Anna Oestreich mit Ihrer smarten Tasche "loom", ihrem einstigen Bachelorprojekt. (Foto: FH Münster/Anne Holtkötter)


1. Ganz grundsätzlich: Worauf kommt es Ihnen bei Ihren Designprodukten an?

 Mir persönlich ist eigentlich der Prozess viel wichtiger als das Produkt selbst. Ich versuche immer auf Augenhöhe und empathisch mit der "Zielgruppe" zu arbeiten, so dass Ansätze entstehen können, die wirklich erwünscht sind und einen positiven Einfluss auf den Alltag der Menschen haben. Im Co-Design geht es meiner Erfahrung nach immer um die Fragestellung: Wie kann ich Menschen dazu befähigen, ihre Wünsche und Bedürfnisse auszudrücken? Und wie können wir dann gemeinsam kreativ werden, um Lösungen zu erarbeiten? Wenn das gelingt, ergibt sich eine Art "Ping-Pong-Designprozess" zwischen allen Beteiligten und das Endergebnis bzw. Designkonzept entsteht wie von selbst.

2. Wie entstand die Idee zu Ihrer smarten Tasche "loom"?

 Die Idee entstand in Co-Design-Workshops. Zu Beginn des Projektes ergab sich aus vielen Gesprächen während gemeinsamer Alltags-Aktivitäten, dass das Packen und "Beisammenhalten" von Dingen eine große Herausforderung, begleitet von Unsicherheiten, für die Co-Designer*innen mit so genannten Lernschwierigkeiten darstellt. Ich konnte diese Problematik sehr gut nachvollziehen und organisierte einen Prototyping-Workshop, in dem wir zu fünft Taschen als "Alltags-Helfer" entwarfen. Die ersten Entwürfe waren noch sehr rudimentär, aber es entstanden tolle Ideen: Der Co-Designer Jürgen wünschte sich ein Licht an der Tasche, damit man im Verkehr besser gesehen wird, Patrick hatte die Idee, eine Alarmanlage in eine Tasche einzubauen und Patricia war es wichtig, dass alles eine Ordnung hat, sodass man persönliche Dinge unterwegs schnell findet. Alle Aspekte in einen Topf geworfen, entstand das Konzept für "Die schlaue Tasche loom".

3. Woran arbeiten Sie aktuell?

 Im Moment arbeite ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem Forschungsprojekt "Arbeiten wie ich es will", in dem wir ebenso partizipativ mit Menschen mit Lernschwierigkeiten nach Lösungen für eine eigenständigere Berufsorientierung suchen. In das Projekt ist auch ein Team der Münster School of Design der FH Münster eingebunden, unter der Leitung von Diana Cürlis und Professorin Carolin Schreiber. Das Forschungsprojekt läuft noch bis 2026 und wird gefördert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

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